Zahntechnik 27.06.2013

Dentale Materialien im Wandel

Ästhetik ist Vertrauenssache - Teil 3

Die moderne Zahnheilkunde beschränkt sich nicht ausschließlich auf rein kurative Behandlungen und rekonstruktive Maßnahmen, sondern fokussiert zu einem Großteil dental-ästhetische Aspekte. Immer häufiger versprechen sich Patienten von einer prothetischen Rekonstruktion mehr als die beschwerdefreie Funktionalität des Kauapparates – der Wunsch nach „schönen Zähnen“ wird zu einem Selbstverständnis. In Teil 1 dieser Beitragsserie wurden in einem Interview die Vorteile des Vollkeramiksystems IPS e.max erfragt. Teil 2 setzte den Fokus auf das praktische Vorgehen bei vollkeramischen Restaurationen. Der Autor des dritten Teils beschreibt das IPS e.max-System (Abb. 1) vom wissenschaftlichen Standpunkt aus.

Die Geschichte von Zahnersatz ist lang – bereits in vorchristlicher Zeitrechnung sind erste Aufzeichnungen zu Formen von Zahnersatz zu finden. Noch bis Ende des 18. Jahrhunderts wurden zur Wiederherstellung verlorener Zahnsubstanz natürliche Materialien verwendet. Charles H. Land erfand im Jahr 1889 die Jacketkrone, auch Porzellanmantelkrone genannt, und setzte damit einen Meilenstein in der Entwicklung der restaurativen Zahnmedizin. Nachteil dieser frühen „Vollkeramiklösung“ war deren geringe mechanische Festigkeit.

Weinstein et. al. patentieren 1962 eine Porzellanmasse zum Aufbrennen auf eine Goldlegierung; ein festes Metallgerüst wurde mit einer leuzithaltigen keramischen Masse ästhetisch verblendet – VMK-Technik (Verbund-Metall-Keramik). Nachteil dieser Technik ist bis heute der dunkel schimmernde Kronenrand im zervikalen Bereich, welcher das ästhetische Ergebnis in vielen Fällen einschränkt. Zudem ist die Lichtdurchlässigkeit der natürlichen Zahnhartsubstanz nicht gegeben. In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Eigenschaften von keramischen Materialien kontinuierlich optimiert. Bereits in den 1980er-Jahren wurde mit Zirkoniumoxid experimentiert. Das Material war weiß und somit unauffälliger als Gold- oder NEM-Legierungen (Nichtedelmetall) und bot die für einen Zahnersatz notwendige Festigkeit. Eine effiziente Bearbeitung ist mit CAD/CAM-Systemen möglich. Zum damaligen Zeitpunkt waren die Computer- und Schleifsysteme jedoch noch nicht leistungsfähig genug und die Passgenauigkeit unbefriedigend. Heute ist die CAD/CAM-Technik ausgereift. In kurzer Zeit kann ein passgenauer Zahnersatz hergestellt werden.

In den 1990er-Jahren wurde von Ivoclar Vivadent das Heißpressverfahren entwickelt und das Material IPS Empress auf dem Markt eingeführt. Industriell vorgefertigte, mit Leuzitkristallen verstärkte, Glaskeramikrohlinge werden bei dieser Technik bis zur Erweichung erhitzt und in eine mittels Lost-Wax-Verfahren hergestellte Form gepresst. Die Modellation in Wachs erfolgt sehr exakt und kann mit hoher Passgenauigkeit umgesetzt werden. Im Zusammenspiel mit der adhäsiven Befestigung hat sich diese Glaskeramik beziehungsweise das IPS Empress-Verfahren über viele Jahre klinisch bewährt.

Ein System für alle Indikationen

Im Jahr 2005 setzte Ivoclar Vivadent einen neuen Maßstab für die dentalen Keramiken (Abb. 2): IPS e.max. Mit der Lithiumdisilikatglaskeramik IPS e.max ist es erstmals gelungen, hohe ästhetische Anforderungen bei gleichzeitig hoher Festigkeit zu erzielen. Die Anforderungen, die an ein modernes Zahnersatzmaterial gestellt werden, sind vielseitig. Zum Beispiel sollte die Fertigung der individuellen Restauration (Unikat) mit höchster Präzision und einem vertretbaren Aufwand möglich sein. Zudem sollte sich die Restauration optisch ähnlich transluzent wie Zahnschmelz verhalten und sich farblich in die Reihe der natürlichen Zähne adaptieren. In einigen Situationen muss das Restaurationsmaterial opak – ähnlich wie Dentin – sein, um damit beispielweise einen verfärbten Zahnstumpf abdecken zu können. Letztendlich muss das Material langfristig den Kaukräften standhalten, während es gleichzeitig von Säuren angegriffen wird.

Der Anwender erhält mit dem Verblendmaterial IPS e.max Ceram ein einheitliches ästhetisches Resultat auf unterschiedlichen Gerüstwerkstoffen (Abb. 3). Er hat die Wahl zwischen einer hochästhetischen, festen Lithiumdisilikat-(LS2-)Glaskeramik und einem hochfesten Zirkoniumoxid (ZrO2). Während die Formgebung von ZrO2 ausschließlich über Schleif- und Fräsverfahren möglich ist, können Gerüste aus LS2 sowohl mit der Presstechnik als auch über die CAD/CAM-Technik hergestellt werden. Die LS2-Glaskeramiken IPS e.max Press und IPS e.max CAD sind sehr vielseitige Dentalmaterialien: Es können Indikationen vom hauchdünnen Veneer bis zu mehrgliedrigen Brücken realisiert werden. Die hohe Festigkeit erlaubt minimalinvasive Präparationen.

Beide Materialien sind in mehr als 50 verschiedenen Farb- und Transluzenzvarianten erhältlich, wobei die Farbgebung keinen Einfluss auf die Materialfestigkeit hat. Die besten Festigkeitswerte sind mit einer vollanatomischen Gestaltung der Restaurationen garantiert, was insbesondere im Seitenzahnbereich zu empfehlen ist. Hierfür ist das LT (Low Translucency) Material optimal. Bei ästhetisch besonders anspruchsvollen Versorgungen kann ein Gerüst aus LS2 mit der Schichtkeramik IPS e.max Ceram verblendet und so der Schichtaufbau des natürlichen Zahnes imitiert werden. Für Restaurationen im Frontzahnbereich bietet sich eine Teilreduktion an, welche mit IPS e.max Ceram ergänzt wird.

Der Zahn wird zunächst vollanatomisch modelliert und anschließend im inzisalen Drittel reduziert (Cut-Back-Technik). Bei der Presstechnik erfolgt dies in Wachs und bei der CAD/CAM-Technik vollautomatisch. Zur Abdeckung von verfärbten Stümpfen eignen sich die opaken Varianten MO (Medium Opacity) und HO (High Opacity). Die Transluzenzstufe HT (High Transluceny) ist dank der hohen Transluzenz für Inlays und kleinere Defekte im Schmelzbereich geeignet. Ist eine besonders hohe Festigkeit indiziert – zum Beispiel bei Brücken im Seitenzahnbereich – wird eine zusätzliche Verstärkung notwendig. Hier kommt IPS e.max ZirCAD (ZrO2) als Gerüstmaterial zum Einsatz. Mit einer individuellen Schichtung (Verblendkeramik IPS e.max Ceram) wird der Aufbau der natürlichen Zahnsubstanz imitiert (Abb. 3). Alternativ ist es möglich, ein ZrO2-Gerüst mit einer IPS e.max CAD-LS2-Verblendstruktur zu verbinden (IPS e.max CAD Veneering Solutions).

Überzeugende Festigkeit der Lithiumdisilikatglaskeramik

IPS e.max-Glaskeramiken weisen einen hohen Anteil an Kristallphase auf. Die Mikrostruktur setzt sich aus etwa 70 Vol.-% langgestreckter Kristalle zusammen (Abb. 4). Die vielen, nur wenige µm großen Kristalle sind in die Restglasphase eingebettet und wie Filz miteinander verwoben. Damit ist die hohe Bruchzähigkeit zu erklären. Beim Heißpressen wird die Glaskeramik bis zur Erweichung der Glasphase erhitzt und das zähplastische Material unter Druck in die Form gepresst. Um die Bearbeitung mittels CAD/CAM-Verfahren zu erleichtern und den Werkzeugverschleiß zu reduzieren, wird IPS e.max CAD in einer unvollständig kristallisierten Form angeboten (Abb. 5). Die Mikrostruktur aus Lithiummetasilikat-(LS-)Kristallen ist mechanisch hervorragend zu bearbeiten. Nach der maschinellen Aufbereitung wird durch einen kurzen Temperprozess die Glaskeramik fertig kristallisiert. Dabei werden die LS-Kristalle komplett aufgelöst, und es kristallisieren die LS2-Kristalle. Bei der Umwandlung wird eine hohe Festigkeit von über 360 MPa und eine Bruchzähigkeit von 2,5 MPa√m erzielt. Zudem bildet sich aus der blauen Farbe der LS-Glaskeramik die gewünschte Zahnfarbe heraus. Da die Umwandlung schrumpfungsfrei erfolgt, kann die Restauration schon vorher aufgepasst werden.

Material: Zirkoniumoxid

Zirkoniumdioxid wird aufgrund seiner hervorragenden Eigenschaften seit vielen Jahren als Hochleistungswerkstoff in diversen Lebensbereichen eingesetzt (Maschinenbau, Sensorik und Medizintechnik). Aufgrund seiner hohen Bruchzähigkeit wird das Material auch als „keramischer Stahl“ bezeichnet. Das dichtgesinterte ZrO2 ist jedoch eine Oxidkeramik. Hervorzuheben ist die ausgezeichnete Biokompatibilität; allergische Reaktionen sind ausgeschlossen. Die im Vergleich zu Metallen geringere Wärmeleitfähigkeit wirkt sich günstig bei heiß-kalt-empfindlichen Zähnen aus. Verarbeitet wird ZrO2 ebenfalls im CAD/CAM-Verfahren. Um den Werkzeugverschleiß gering zu halten, wird auch bei diesem Material eine Vorstufe bearbeitet und das Material nach der Bearbeitung dichtgesintert. Anders als bei der Kristallisation von IPS e.max CAD ist der Prozess des Dichtsinterns hier mit einem Volumenschrumpf verbunden. Die Restauration muss also vergrößert geschliffen werden. Durch ein spezielles Herstellverfahren ist eine hohe Passgenauigkeit durch einheitlich verdichtete vorgesinterte Rohlinge gewährleistet. Die optimierten Sinterprozesse führen zu einem homogenen Sintergefüge (Abb. 6).

Schichtkeramik, Nano-Fluorapatit-Glaskeramik

Einzigartig: Die Nano-Fluorapatit-Schichtkeramik IPS e.max Ceram wird als Verblendmaterial für alle IPS e.max-Komponenten eingesetzt – egal ob Glaskeramik oder Zirkoniumoxid. Für den Zahntechniker ist das ein maßgeblicher Vorteil, er kann mit einem System arbeiten und einheitliche Ergebnisse erzielen. Zum ästhetischen Resultat einer geschichteten Restauration trägt unter anderem das spezielle Trübungskonzept von IPS e.max Ceram bei. Lichtdurchlässigkeit, Opaleszenz und Trübung des natürlichen Zahnschmelzes werden so in perfekter Weise nachgeahmt (Abb. 7).

Wissenschaftlich bewährt

Zum IPS e.max-System existieren klinische Daten über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren für ZrO2 und von bis zu zehn Jahren für LS2. Die Überlebensraten* aus den klinischen Studien von IPS e.max Press (sechs Studien), IPS e.max CAD (sechs Studien) und IPS e.max ZirCAD (acht Studien) wurden zusammengefasst und die Gesamtüberlebensrate des Systems berechnet. Insgesamt wurden 1.071 Restaurationen aus 20 klinischen Studien eingeschlossen. Daraus ergibt sich für das IPS e.max-System eine Gesamtüberlebensrate von 96,8 Prozent (Abb. 8).

* ­Scientific Report, Vol. 01, 2001–2011, Ivoclar Vivadent AG, 2011

Autor: Dr. Harald Bürke

Mehr Fachartikel aus Zahntechnik

ePaper