Implantologie 07.03.2017
Periimplantitis: Lokale Antibiose zur Therapieunterstützung
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Implantate führen nur dann langfristig zum Erfolg, wenn eine gezielte Nachsorge periimplantäre Infektionen verhindert oder (frühzeitig) wirkungsvoll behandelt. Auch wenn die Datenlage noch gering ist, zeigen Anwendererfahrungen in diesem Zusammenhang, dass lokal applizierte Antibiotika als begleitende therapeutische Maßnahme in der nichtchirurgischen Perimplantitistherapie sinnvoll sein können.
Anhand eines Patientenfalls soll im vorliegenden Beitrag gezeigt werden, dass das Lokalantibiotikum Ligosan Slow Release (Heraeus Kulzer) mit dem Wirkstoff Doxycyclin bei der Behandlung periimplantärer Infektionen eine Erfolg versprechende, therapieunterstützende Möglichkeit darstellt. Für den langfristigen Erfolg einer Implantatversorgung ist die Gesunderhaltung des periimplantären Gewebes entscheidend. Gleich der Entstehung von Parodontalerkrankungen ist auch bei periimplantären Erkrankungen der bakterielle Biofilm ursächlich.7 Daher steht im Mittelpunkt der Prävention die regelmäßige und systematische Entfernung der Plaque. Die Säulen der implantologischen Nachsorge bilden Früherkennung und rechtzeitiges Eingreifen.
Mukositis vs. Periimplantitis
Bei periimplantären Erkrankungen unterscheidet man zwischen einer Mukositis und einer Periimplantitis: Während die Mukositis ähnlich einer Gingivitis ist und eine reversible Entzündung im Weichgewebe um ein funktionstüchtiges Implantat darstellt, ähnelt die Periimplantitis einer Parodontitis; hier zeigt das Entzündungsgeschehen über die Weichgewebssymptome hinaus einen periimplantären Knochenabbau.1
Periimplantitistherapie
Analog zur Parodontitisbehandlung ist auch bei der Periimplantitistherapie die Entfernung des mikrobiellen Biofilms bzw. die Reduktion der Keimbesiedelung und bestenfalls die Regeneration verloren gegangenen Knochens das Ziel.1 Standard ist zunächst – neben der Verbesserung der Mundhygiene und der supragingivalen Reinigung der Zähne bzw. des Implantats – das mechanische Debridement durch Scaling und Root Planing (SRP).12 Dazu können traditionelle Handinstrumente eingesetzt werden, aber auch maschinelle Instrumente, wie zum Beispiel Ultraschall-, Pulverstrahl- oder Lasergeräte bzw. Airscaler, rotierende und oszillierende Instrumente (Cave: Lockerung der Halteelemente).10 Zeigt sich in der Re-Evaluation anhand persistierender vertiefter Taschen mit Sondierungstiefen von mehr als 4 bis 5 mm und Bluten nach Sondieren, Pusaustritt oder Knochenschmerzen, dass die mechanische Therapie nicht ausreichend war, kann sich ein chirurgisches Eingreifen anschließen.
Lokale Antibiotika in der Periimplantitistherapie
Um ein chirurgisches Eingreifen zu vermeiden, wird in der Parodontitistherapie bei lokalen Resttaschen oder Rezidiven auch eine unterstützende lokale Antibiotikagabe empfohlen.11 Ein Review zur Wirksamkeit von lokalen Antibiotika/Antimikrobiotika bei der Behandlung chronischer Parodontitis veranschaulichte, dass lokale Antibiotika/Antimikrobiotika in Kombination mit mechanischer Therapie eine signifikante klinische Wirksamkeit zeigen, insbesondere bei tiefen oder Resttaschen.9 Noch mehr als in der Parodontitistherapie16 kann bei der Behandlung der Periimplantitis eine adjuvante lokale Antibiotikatherapie sinnvoll sein, da hier eine rein mechanische Therapie schneller an ihre Grenzen stößt.1 Einige wenige Studien bestätigten bisher die Effektivität adjuvanter lokaler Antibiotikagabe in der nichtchirurgischen Periimplantitistherapie,2, 13 was sich mit unseren positiven Praxiserfahrungen deckt.
Ein Vorteil von Lokalantibiotika gegenüber der systemischen Arzneimittelgabe liegt darin, dass der Wirkstoff direkt am „Ort des Geschehens“ eingebracht wird; die systemische Belastung bleibt deshalb gering. Neben der Reduzierung möglicher Nebenwirkungen ist unter anderem auch die Unabhängigkeit von der Patientencompliance positiv. Bei der lokalen Antibiotikagabe sollte darauf geachtet werden, dass eine kontinuierliche und therapeutisch wirksame Freisetzung des Wirkstoffs mittels Medikamententräger ermöglicht wird.16
Auch wenn noch keines der in Deutschland erhältlichen lokalen Antibiotika für die Behandlung des Periimplantitis zugelassen ist, verwenden wir in unserer Praxis bei periimplantären Erkrankungen Ligosan Slow Release, das den genannten Anforderungen entspricht.4, 6, 15 Ligosan ist ein 14%iges Doxycyclin-Gel, das wir bereits seit Jahren im Rahmen der UPT erfolgreich einsetzen und dessen klinische Wirksamkeit im Rahmen der (unterstützenden) Parodontitistherapie bestätigt wurde.3, 15 Fachkreise sprechen lokalen Antibiotika wie Ligosan eine vorstellbare Indikation für die Perimplantitis zu11 und berichten ebenfalls über eine erfolgreiche Dekontamination der Implantatoberfläche bei eigenen Patientenfällen unter adjuvanter Antibiotikagabe im Rahmen der nichtchirurgischen Periimplantitistherapie.1
Biomarker als Entscheidungshilfe für Antibiotikagabe
Sowohl im Rahmen des Recalls nach Implantation als auch bei der Therapieüberwachung einer periimplantären Erkrankung spielt neben den klassischen diagnostischen Parametern (ST, BOP etc.) die aMMP-8 (aktive Matrix-Metalloproteinase-8) in unserer Praxis als Biomarker zur Kontrolle des Behandlungserfolges eine zentrale Rolle: Die körpereigene MMP-8 ist das tragende Molekül eines periimplantären Gewebeabbaus, denn nach Bakterienbesiedlung wird es im Entzündungsfall durch Leukozyten aktiviert und verursacht den Abbau des Kollagennetzwerkes im Parodont. Im Gegensatz zu Sonde, Röntgen und Markerkeimanalysen lassen sich mit der quantitativen Bestimmung des aMMP-8 aus der Sulkusflüssigkeit frühzeitig entzündliche Prozesse erkennen und deren Verlauf beobachten.14 Liegt ein erhöhter aMMP-8-Wert vor, ist dies das Zeichen für eine bereits angelaufene Entzündungskaskade und damit einen akut vorliegenden Gewebeabbau. Verschiedene Studien bestätigten aMMP-8 als aussagekräftigen diagnostischen Parameter in der Implantologie:8, 17 Nach Ma et al. korreliert der aMMP-8-Level im periimplantären Sulkusfluid mit der Kategorie „Bone Loss“.8 In Abhängigkeit von den gemessenen aMMP-8-Werten wird in unserer Praxis ein entsprechendes Recallintervall und ein Diagnosealgorithmus für Implantatpatienten aufgestellt bzw. eine Therapie, beispielsweise in Form einer PZR, Mundspülung oder SRP eingeleitet. Ist ein aMMP-8-Wert auch nach weiteren vier Wochen bei erneuter Bestimmung erhöht, erfolgen der Nachweis der Markerkeime und weitere therapeutische Maßnahmen, die auch mit systemischer oder lokaler Antibiotikagabe (s. o.) und chirurgischem Eingreifen verbunden sein können.
Fallbeispiel
Die 43-jährige Patientin wurde fünf Jahre nach einer Implantatversorgung in Regio 22 in meine Praxis zur Perimplantitistherapie überwiesen (Abb. 1). Am Implantat wurden Sondierungstiefen bis zu 7 mm gemessen. Zunächst wurde die verschraubte Krone abgenommen und ein Gingivaformer eingesetzt (Abb. 2). Anschließend wurden eine PZR, Mundspülung und eine Reinigung der Implantatoberfläche subgingival mit konventionellen Küretten durchgeführt. Zusätzlich wurde prätherapeutisch ein aMMP-8-Test angewendet, der mit einem Wert von 401 ng/ml ein massives Entzündungsgeschehen und damit einen akut ablaufenden Gewebeabbau anzeigte (siehe Tabelle).
Nach Reinigung und Trocknung der Taschen am Implantat wurde Ligosan Slow Release aus der PLT platziert (Abb. 3a und b). Vier Monate nach Applikation des Lokalantibiotikums lag in der Kontrollsitzung am Implantat ein entzündungsfreies Gewebe und ein aMMP-8-Testergebnis von 27 ng/ml vor (Abb. 4). Die Patientin wurde in ein vierteljährliches Recallintervall integriert. Hierbei zeigte sich ein durchschnittlicher aMMP-8-Wert von 26,5 ng/ml, der damit im Schnitt zum Anfangsbefund nur leicht erhöht war. Da aber gleichzeitig auch zwei Jahre nach der Therapie mit mechanischem Debridement und Lokalantibiotikagabe eine konstante Sondierungstiefe von circa 4 mm vorlag (Abb. 5), war ein weiteres Eingreifen nicht notwendig, der Recallintervall aber engmaschig beibehalten.
Fazit
Die Perimplantitis ist ein Risikofaktor für den langfristigen Erfolg von Implantaten. Bei Implantatpatienten muss deshalb eine periimplantäre Erkrankung durch entsprechende Prävention verhindert werden. Dazu muss die bakterielle Keimbesiedelung wirkungsvoll reduziert werden, was im ersten Schritt durch eine mechanische Therapie, im zweiten Schritt ggf. auch durch eine chirurgische Intervention erfolgt. Eigene Erfahrungen stützen die Aussagen aus Fachkreisen, dass die adjuvante Antibiotikababe eine sinnvolle Ergänzung der Therapie sein kann. Dazu bieten sich lokal applizierte Therapeutika wie Ligosan Slow Release an, die rasch und hochkonzentriert ihre Wirkung entfalten. Die Wirksamkeit dieses Produktes wurde im Rahmen der Parodontitistherapie in mehreren Studien und Literaturdaten bestätigt und stellt auch für die Behandlung der Periimplantitis eine Erfolg versprechende Möglichkeit dar. Klinische Studien für diese Indikation mögen folgen.
Eine vollständige Literaturliste finden Sie hier.
Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 03/2017 erschienen.