Praxiseinrichtung 17.10.2011
Risiko Rücken – Von Anfang an richtig sitzen
Rückenschmerzen sind mit einem hohen Leidensdruck verbunden und beeinflussen den Alltag der Betroffenen stark. Über zwei Drittel der Zahnärzte in Deutschland klagen über Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule, fast die Hälfte leidet unter haltungsbedingten Kopfschmerzen, so die Ergebnisse einer Befragung. Von zentraler Bedeutung für die Schmerzen im Rücken-, Schulter- und Nackenbereich sind dabei Fehlhaltungen und einseitige Belastungen am Arbeitsplatz, die sich angehende Zahnärzte häufig bereits während ihres Studiums angewöhnen. Diese Haltungsfehler gefährden die Gesund-heit und führen nachweislich zu chronischen Krankheiten, bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. 2009 entfielen mehr als ein Drittel der Arbeitsunfähigkeitstage auf Muskel- und Skeletterkrankungen.
Die richtige Sitzposition während der Behandlung
Rückenbeschwerden sind bereits bei jungen Zahnmedizinern und angehenden Studenten ein vieldiskutiertes Thema. „Das Problem an unserer Arbeit ist die Tatsache, dass du quasi freischwebend über dem Patient hängst. […] Weiterhin musst du dich ordentlich krumm machen, um alle Flächen eines Zahnes einsehen zu können […]. All dies ist Gift für die Bandscheiben und die umgebende Rückenmuskulatur“, schreibt der User „TheDentist1+2“ im Medi-Learn-Forum.
Die World Dental Federation (FDI) hat mehrere Grundsätze zur richtigen Arbeitshaltung während der Behandlung formuliert. Der Zahnarzt sollte aufrecht und nicht verdreht sitzen. Das oft gesehene Verwinden des Behandlers über dem Patienten verzeiht kein Rücken auf Dauer. Die Oberarme sollten dicht am Körper gehalten werden, wobei die abgewinkelten Unterarme am besten abgestützt sind. Die Füße stehen flach auf dem Boden, der Kopf wird nur leicht gebeugt, wobei der Zahnarzt die Schultern nicht anhebt. Die FDI weist ausdrücklich darauf hin, dass der Behandler genügend Beinfreiheit haben muss, sodass er mit den Füßen komplett unter den Patientenstuhl kommt.
Ergonomische Produkte integrieren
Das aktive Befolgen der Ergonomieempfehlungen des FDI schützt langfristig die Rückengesundheit. Auch eine rückenfreundliche Praxisausstattung kommt der ergonomischen Arbeitshaltung zugute. Der Forderung des FDI nach Beinfreiheit für den Zahnarzt und nach einer Positionierung der Füße unter dem Behandlungsstuhl kommen zum Beispiel Zahnärzte nach, die mit den Einheiten ESTETICA E70 und ESTETICA E80 des schwäbischen Einheiten- und Instrumentenherstellers KaVo arbeiten, deren Schwebestuhlkonzept absolute Beinfreiheit unter dem Patienten bietet.
Dieser Stuhl wurde auf Basis von Befragungen zum Thema Ergonomie entwickelt. Die interviewten Zahnärzte wünschten, dass ein neu entwickelter Behandlungsstuhl ein aktives sitzendes und stehendes Arbeiten möglich machen soll. Sie forderten eine verbesserte Tiefstposition und mehr Beinfreiheit für Behandler und Assistenz. Als Abschluss dieser Erhebungen präsentierte KaVo die ESTETICA E80, die – eher untypisch für ergonomische Produkte – auch aufgrund ihrer Optik schnell große Verbreitung in europäischen Zahnarztpraxen fand.
Fachverbände für die Rückengesundheit bieten Orientierung
Mit Ausgleichssport können Zahnärzte als Risikogruppe für Rückenerkrankungen ebenfalls präventiv gegen gesundheitliche Spätfolgen vorgehen. Eine Anlaufstelle für Fragen rund um die Rückengesundheit ist die Aktion Gesunder Rücken e.V. (AGR). Die AGR hat ein ganzheitliches Konzept entwickelt, um Rückenbeschwerden vorzubeugen. Es umfasst die Kräftigung und Dehnung der Muskulatur, die Vermeidung von Fehlbelastungen und die Reduzierung von Stress und psychischen Belastungen.
Zudem vergibt die AGR ein Gütesiegel. Das Prädikat „Geprüft & empfohlen“ erhalten Produkte, die den Prüfkriterien einer unabhängigen, multidisziplinären Expertenkommission aus Medizinern und Therapeuten genügen. Das Gütesiegel wurde in Zusammenarbeit mit den beiden größten deutschen Rückenschulverbänden, dem Bundesverband der deutschen Rückenschulen e. V. und dem Forum Gesunder Rücken – besser leben e. V., entwickelt. Um das Siegel zu bekommen, muss ein Hersteller im ersten Schritt sein Produkt zur Prüfung anmelden und anschließend begründen, warum es besonders rückenschonend sei. „Von 100 Produktanmeldungen bleiben nach dieser zweiten Stufe maximal fünf übrig“, so Detlef Detjen, Pressesprecher und stellvertretender Geschäftsführer der AGR. Anschließend prüft die unabhängige Kommission das jeweilige Produkt und entscheidet über das Siegel.
Im Juni dieses Jahres hat die Aktion Gesunder Rücken e.V. den Behandlungseinheiten KaVo ESTETICA E70, E80 und dem Behandlerstuhl KaVo Physio 5007 das Gütesiegel „Geprüft & empfohlen“ für eine rückengerechte Arbeitsumgebung verliehen. Erstmalig wurde die Auszeichnung damit an zahnärztliche Arbeitsplätze vergeben. Das Schwebestuhlkonzept der Behandlungseinheiten E70 und E80 schafft viel Bewegungs- und Beinfreiheit. Details wie der einfach zu bewegende Arzttisch oder die schmale Rückenlehne, dank der sich der Zahnarzt nah am Patienten befindet, anstatt sich mit einer großen Bewegung über ihn zu beugen, ermöglichen ergonomisches und rückengesundes Arbeiten. Auch eine stehende Behandlung, die die am häufigsten beanspruchten Rückenmuskeln entlastet, ist aufgrund der Höchstposition von 900 Millimeter und des im Sitzen und Stehen bedienbaren Fußanlassers möglich.
Rückenbeschwerden kosten Geld und Lebensfreude
Eine Investition in ergonomische Produkte lohnt sich besonders am Anfang des Berufslebens, um chronische Erkrankungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Allein in Deutschland verursachen Rückenschmerzen unter anderem durch Fehltage jährliche Kosten von fast 50 Milliarden Euro. Mehrkosten für eine ergonomische Praxisausstattung machen sich schnell bezahlt, wenn dadurch krankheitsbedingte Ausfallzeiten oder ein reduziertes Arbeitstempo über viele Jahre verhindert werden können. Die erstmalige Vergabe des Gütesiegels „Geprüft & empfohlen“ für zahnärztliche Arbeitsplätze lässt hoffen, dass mehr und mehr Hersteller einen Beitrag zur Gesunderhaltung der Zahnärzte leisten werden. Kein Abiturient sollte aus Furcht vor Rückenbeschwerden auf das Studium der Zahnmedizin verzichten müssen.