Digitale Zahnmedizin 25.02.2013

Ändert CAD/CAM das Praxis-Labor-Verhältnis?



Ändert CAD/CAM das Praxis-Labor-Verhältnis?

Die CAD/CAM-Technologie hat in den letzten zehn Jahren einen enormen Einfluss auf die Zahnmedizin und die Zahntechnik genommen. Viele Zahntechniker sehen eine Existenzbedrohung oder befürchten zudem weiterhin einen Umsatzeinbruch durch die zunehmende Verbreitung von CAD/CAM-Technologien in der Zahnmedizin. Die Sorge ist unter anderem durch den einfachen Onlineversand von Daten begründet, durch welchen der Zahnarzt direkt Zugang zu großen Fräszentren hat, welche günstigen Zahnersatz mit hoher, gleichbleibender Qualität produzieren können. Doch werden die neuen Technologien wirklich die Struktur von Zahnarzt und Zahnlabor auf lange Sicht zerstören?

Im Grunde ist die CAD/CAM-Technologie in der Zahnmedizin zurzeit nur eine Ergänzung. Sie fertigt gewisse Teile einer Restauration wie z.B. das Gerüst einer Brücke. Am Schluss muss allerdings immer eine Arbeitskraft den Zahnersatz fertigstellen, und sei es nur ein Glasurbrand. Folglich werden nur gewisse Arbeitsschritte mit CAD/CAM gelöst. Da Maschinen rund um die Uhr laufen und nur wenige Qualitätsschwankungen haben, werden diese Arbeitsschritte allerdings einfacher, günstiger und qualitativ höher. Dies bedeutet Auswirkungen für die Zahntechniker und für die Zahnärzte. Die direkte Auswirkung für die Zahntechniker ist, dass nun ein Zahntechniker allein mehr Zahnersatz und diesen günstiger produzieren kann, da er schon viel Vorarbeit durch CAD/CAM-Fertigungsmethoden abgenommen bekommt. Da aber der Bedarf an Restaurationen nicht im gleichen Maße steigt, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass in Zukunft weniger Zahntechniker nötig sein werden, um den Bedarf an Zahnersatz zu decken. Für die Zahnärzte bedeuten die CAD/CAM-Technologie und die neuen Techniken, wie z.B. die digitale Verblendung, die Sinterverbundkrone und auch neue Materialien wie e.max, dass es einfacher werden wird, einen qualitativ hochwertigen Zahnersatz zu bekommen. Als weiteres Beispiel sind in den Datenbanken der CAD-Software unzählige Modellationen von Zähnen hinterlegt, sodass ein Zahntechniker in Zukunft nicht mehr zwangsweise gut modellieren können muss. Folglich wird auch der Durchschnittszahntechniker in Zukunft Zahnersatz in einer höheren Qualität als zuvor fertigen können. Da also insgesamt die Qualität steigt und zudem ein Zahntechniker allein mehr Zahnersatz generieren kann, bedeutet dies eventuell eine steigende Anzahl von Praxislaboren. Oder vielleicht denkt auch ein Zahnarzt darüber nach, Zahnersatz gleich selbst herzustellen.

Zahnersatz herzustellen ist im Allgemeinen eine Aufgabe des Zahntechnikers und nicht des Zahnarztes oder von Industriezentren. Das hat ganz einfache Gründe, der Zahnarzt hat keine Zeit dafür, die Assistenz ist dafür nicht ausgebildet und die Industrie kann nicht individuell genug arbeiten. Es wird auch in Zukunft die Ausnahme bleiben, dass ein Zahnarzt Zahnersatz selbst fertigt, wenn man CEREC-gefertigte Einzelzahnrestaurationen einmal außer Acht lässt. Der Grund liegt vor allem darin, dass der Zahnarzt viel höhere laufende Kosten zu tragen hat. Sein Honorar muss schließlich auch die Assistenz- und die Verwaltungskräfte tragen. Insofern hat der Zahnarzt, wenn er wirtschaftlich rechnet, keine Zeit, die Herstellung von Zahnersatz selbst zu machen. Der Zahntechniker kann also allein durch niedrigere laufende Kosten Zahnersatz günstiger herstellen als der Zahnarzt selbst. Hinzu kommt dann natürlich die Ausbildung, welche den Zahntechniker befähigt, Zahnersatz mit einer höheren Qualität herzustellen als der Zahnarzt oder eine Assistenzkraft. Wenn nun ein Praxislabor vorhanden ist, wird auch dort ein Zahntechniker arbeiten und keine Assistenzkraft, da einfach die Ausbildung in der Regel nicht für eine Herstellung von hochwertigem Zahnersatz ausreicht.

Werden große Fräszentren die Zahnlabore verdrängen?

Auch die großen Fräszentren werden in Zukunft keinen kompletten Zahnersatz produzieren. Die großen Fräszentren der Dentalindustrie liefern in der Regel nämlich keinen komplett fertig individualisierten Zahnersatz direkt an den Zahnarzt, sondern sind in der Regel Zulieferer für Dentallabore oder für Praxislabore. Das heißt, auch hier wird wieder der Zahntechniker gebraucht. Natürlich gibt es auch hier einen Grund, warum die Industrie ein gewerbliches Labor oder ein Praxislabor als Partner möchte, und nicht direkt einen Zahnarzt. Als Zahntechniker ist man oft der Situation ausgesetzt, dass am fertigen Zahnersatz nochmals eine Korrektur vorzunehmen ist, als häufige Beispiele kann man einen fehlenden Kontaktpunkt oder eine suboptimale Farbgebung anführen, hier ist der regional angesiedelte Zahntechniker im gewerblichen oder Praxislabor in der Lage, schnell, kurzfristig und meistens als reine Serviceleistung den Zahnersatz nachzubessern, um dadurch ein optimales Ergebnis zu erreichen. Wenn aber ein Fertigungszentrum mit beispielsweise 1.000 Einheiten pro Tag nur fünf Prozent der gesamten Produktion nachbessern müsste, dann stellt dies das Unternehmen vor eine enorme Herausforderung. Jeden Tag müssten 50 Kronen individuell für jeden Zahnarzt nachgebessert werden, eine Aufgabe, die die Logistik und das Qualitätsmanagement wahrscheinlich überfordern würde. Die Folge wären höhere Kosten, da viele zusätzliche Arbeitskräfte im QM und in der Nachbesserung eingestellt (im Übrigen wären dies mit Sicherheit Zahntechniker) und zusätzlich zweifacher Versand einkalkuliert werden müssten.

Zusätzlich kommt eine lange Wartezeit bis zur Korrektur hinzu, selbst wenn mit Expressversand gearbeitet wird. Diese höheren Kosten würden den Vorteil der kostengünstigeren Fertigung einer zentralen Fertigung wieder zunichtemachen, und das Fertigungszentrum könnte mit einem regional angesiedelten Zahntechniker nicht mithalten. Deshalb sind die ­Fräszentren eine Möglichkeit für das Zahnlabor, ­Zahnersatz günstiger herzustellen, und trotz wenig ­Investitionsrisiken CAD/ CAM-Technologie anbieten zu können. Einige befürchten aufgrund zukünftiger Technologien, wie z.B. die digitale Abformung, eine erhebliche Änderung der dentalen Arbeitswelt. Aber sind wirklich solche Neuerungen zu erwarten? Bei einem Besuch der IDS in Köln waren einige Besucher ernüchtert wieder nach Hause gegangen. Sie hatten erwartet, es würden wieder genauso viele Neuheiten oder revolutionäre Neuerungen im Bereich CAD/CAM auf der Messe geben wie es in der Vergangenheit war.  Aufgrund zunehmender Verbreitung von Industriemaschinen wie Röders, Micron, DMG u.a. ist die Maschinentechnologie relativ ausgereizt, und in den nächsten Jahren wird sich an der 5-Achs-Technik von den großen Industriemaschinen nichts großartig ändern. Was sich allerdings nach wie vor verändern wird, ist die Software, mit welcher die Maschinen gesteuert werden, sowie die Software, mit welcher der Zahnersatz konstruiert wird. Beispielsweise ist es bei absolut gleicher Maschine in den letzten Jahren mithilfe intelligenter Fräsbahnberechnung möglich gewesen, die Fräszeiten drastisch zu verkürzen und dabei zusätzlich die Qualität zu steigern. Die Software für die Konstruktion wird noch einfacher werden, und auch hier wird man zusätzlich Zeit einsparen können. Auch die intraorale digitale Abformung wird nicht die Situation des Zahntechnikers groß verändern, da diese Methode nur eine Ergänzung zur konventionellen Abformung ist und diese in den nächsten Jahren nicht verdrängen wird. Auch dafür gibt es wieder einfache und einleuchtende Gründe.

Es gibt eine Vielzahl von Indikationen, wo schnell eine Abformung gemacht und anschließend ein günstiges Modell gebraucht wird, z.B. für Tiefziehschienen bei Provisorien, Bleachschienen, Modell für ein Wax-up oder einfach nur für Diagnostik oder zur Dokumentation. In diesem Fall kann die Assistenz ohne Probleme und in kurzer Zeit eine Alginatabformung machen und dann ein Modell aus Gips herstellen. In diesen Fällen ist es einfacher, schnell eine Alginatabformung zu machen und mit Gips auszugießen, bevor ein ganzer Kiefer digital eingescannt wird und dann erst noch ein Modell mit beispielsweise Stereolithografie hergestellt werden muss, ganz zu schweigen von den
Investitionskosten und eventueller Kosten pro Scan (Scanfees). Ein weiterer Grund ist, dass für einige Indikationen eine Funktionsabformung nach wie vor unumgänglich ist, auch diese Aufgabenstellung kann die digitale Abformung nicht erfüllen. Insofern wird es noch lange Zeit beide Abformmethoden nebeneinander geben, und auch die schnelle, günstige Modellherstellung wird weiterhin ein wichtiger Punkt bleiben. In Zukunft wird es weitere Entwicklungen im Bereich CAD/CAM geben, sei es in additiven Technologien wie Stereolithografie, Sintertechnologie oder in der digitalen Abformung. Die größten Neuerungen werden allerdings wahrscheinlich bei neuen Materialien, Softwareoptimierungen und bei neuen Workflows und Behandlungskonzepten liegen. Insgesamt müssen dem Zahnarzt und dem Zahn-techniker in der Zukunft vor allem zwei Sachen bewusst sein: Erstens, der Zahntechniker ist viel mehr als nur ein Hersteller von Zahnersatz, er ist vor allem auch Dienstleister für den Zahnarzt, indem er ihn in schwierigen Situationen berät, kleine Schäden von Zahnersatz innerhalb von kurzer Zeit hochwertig repariert werden, er gibt für eine gewisse Zeit für den Zahnersatz eine Gewährleistung u.v.m. Zweitens muss der Zahntechniker sich in Zukunft sehr gut mit computergestützten Fertigungsmethoden auseinandergesetzt haben und letztlich auch auf irgendeine Art anbieten können, andererseits wird er in Zukunft weder mit dem Portfolio anderer Zahnlabore mithalten bzw. wird er auch dem zunehmenden Preisdruck letztlich nicht standhalten können. In Zukunft wird der Zahntechniker als ein Fachmann in digitaler Datenverarbeitung, CNC-Fertigungsmethoden und als CAD-Designer gefragt sein. Das Wissen, welches benötigt wird, wird nicht weniger. Im Gegenteil, es wird mehr und schon deshalb ist der Zahnarzt auf den Zahntechniker angewiesen, denn diese Menge an Informationen ist, neben dem Fachwissen als Zahnarzt, nicht zu bewältigen.

Fazit

Auch in Zukunft wird der Zahnersatz von Zahntechnikern gefertigt, aufgrund der CAD/CAM-Technologie wird sich aber eventuell der Trend zum Praxislabor verstärken, vor allem da zusätzlich zu beobachten ist, dass zunehmend Arztpraxen mit mehreren Behandlern geführt werden, was wiederum ein Praxislabor noch naheliegender macht. Weiterhin wichtig für die Zukunft: „Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch wirtschaftlich sinnvoll.“

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