Endodontologie 21.06.2016
Faserverstärkte Komposite optimal kombiniert mit Verstärkungsfasern
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In der modernen Zahnheilkunde werden Glasfaser bzw. faserverstärkte Komposite vielseitig benutzt und bieten dank ihrer werkstoffbedingten Eigenschaften eine Reihe an Vorteilen. Mit ihrer Hilfe sind kosteneffiziente, minimalinvasive Behandlungen, die auch ästhetischen und mechanischen Ansprüchen gerecht werden, möglich.
In seiner Kölner Praxis arbeitet Dr. Jörg Weiler bereits seit über zwölf Jahren mit glasfaserverstärkten Materialien und kombiniert dabei Verstärkungsfasern der Linie everStick (GC) mit dem faserverstärkten Komposit everX Posterior (GC). Anhand eines Patientenfalls erläutert er Vorgehen und Vorteile dieser Kombination bei der Versorgung endodontisch behandelter Zähne.
Für die Versorgung großer Kavitäten im Seitenzahnbereich bevorzuge ich in meiner Praxis Komposite. Bei großen Kavitäten im posterioren Bereich bietet sich in diesem Zusammenhang der Füllungswerkstoff everX Posterior an. Er kann aufgrund seiner speziellen Materialstruktur als Verstärkungsmaterial eingesetzt und mit einem lichthärtenden Kompositmaterial abgedeckt werden. Bei everX Posterior handelt es sich um ein durch Beimischung kurzer Glasfasern verstärktes Komposit. Auch die Produktlinie everStick ermöglicht mit ihren Verstärkungsfasern (vorimprägnierte Glasfasern zur Verstärkung aller Kunststoffe) die Unterstützung einer kosteneffizienten minimalinvasiven Behandlung, die ästhetischen und mechanischen Ansprüchen gerecht wird. Das liegt daran, dass Glasfasern in der Lage sind, die physikalischen Eigenschaften der Komposite positiv zu verändern. Dies betrifft sowohl die Zugfestigkeit als auch die Scherstabilität. Diese Eigenschaften treffen meiner Erfahrung nach insbesondere auf die everStick-Materialien zu. Auch bei everX Posterior wird aktuellen Untersuchungen zufolge die Schrumpfung durch die Glasfasern reduziert.1 Die Bruchfestigkeit liegt den Angaben des Herstellers zufolge hier um circa 25 Prozent höher als die des natürlichen Dentins.
Die Einsatzmöglichkeiten von everStick sind vielfältig, denn das Sortiment stellt verschiedene Fasern für verschiedene Einsatzbereiche zur Verfügung (z.B. everStick ORTHO, everStick PERIO, everStick C&B, everStick POST).
everStick POST nutze ich für alle Stiftversorgungen, wobei ich hier durchaus verschiedene Strangstärken miteinander kombiniere (everStick POST ist erhältlich mit 0,9 mm, 1,2 mm oder 1,5 mm Durchmesser des Faserbündels). Ferner gebrauche ich everStick C&B für (Langzeit-)Provisorien, insbesondere wenn diese semipermanent verwendet werden, wie beispielsweise bei der Versorgung einer Lücke während der Einheilzeit bei Implantationen. everX Posterior kommt mittlerweile in meiner Praxis regelmäßig bei großen Kavitäten – besonders bei geschwächten Höckern vitaler Zähne – zum Einsatz. Als zweites Anwendungsgebiet steht natürlich der Aufbau eines Zahnes nach der Versorgung mit einem (everStick-)Stift im Mittelpunkt, wobei ich hier durchaus auch „Ministifte“ aus everX Posterior in die Kanaleingänge forme. Gerade bei großem Kanalvolumen bedeutet die Kombination beider Materialien einen hohen Stabilitätsgewinn.
Anwendungserfahrungen
Beide Materialien zeichnen sich durch ein gutes Handling aus. Sie sind kompatibel mit allen Kompositen und Adhäsiven, eignen sich ästhetisch auch für anspruchsvolle Versorgungen und verbessern die Eigenschaften der Komposite.
Der Umgang mit everStick ist einfach, auch für die Mitarbeiterinnen, da sich das Material von der Arbeitsvorbereitung her nicht wesentlich von einer Kompositfüllung unterscheidet – schließlich benötigt man die gleichen Adhäsive und Komposite. Das einzige, worauf man sich einstellen sollte, ist, dass everStick immer lichtgeschützt gelagert sein muss. Sowohl everStick als auch everX Posterior sind etwas klebrig in der Verarbeitung; daran gewöhnt man sich in der Anwendung aber sehr schnell. Bei beiden Materialien kann man sich mit einer Benetzung des Instruments mit etwas Flow-Material gut behelfen, wenn es nötig sein sollte.
Da everStick nur eine geringe Radioopazität aufweist, ergibt sich die Röntgensichtbarkeit durch das mitverarbeitete Komposit; everX Posterior ist gut röntgensichtbar. Nach 28 Monaten Anwendungserfahrungen zeigt sich, dass die Restaurationen mit everX Posterior stabiler sind als bei singulärer Verwendung eines Hybridkomposits: Im Gegensatz zu adhäsiven Aufbauten und Füllungen, die allein aus einem Hybridkomposit hergestellt wurden und bei denen in ca. 15 Prozent der Fälle eine Fraktur auftrat, konnten bei Restaurationen mit everX Posterior bisher keine Komplikationen festgestellt werden.
Bezüglich möglicher Anwendungsfehler sei gesagt, dass die Fasern nur aushärten, wenn sie in Komposite eingebettet sind, sei es in ein Flow oder Hybridkomposit. Das praktische Vorgehen der Einbettung sieht dabei wie folgt aus: Man legt den Glasfaserstrang an einer Stelle in das noch unpolymerisierte Komposit ein und polymerisiert einmal kurz an, damit das Material bereits etwas fixiert ist. Dazu verwende ich eine Polymerisationslampe mit einem kleinen Lichtleiter am vorderen Ende. So sind nur ein paar Millimeter Lichtaustritt vorhanden und der restliche Strang ist gegen ein vorzeitiges Aushärten geschützt. Anschließend lege ich das Material weiter und positioniere es entsprechend, bevor ich eine Fixierung mit einer kurzen Polymerisation wiederhole. Am Ende erfolgt die vollständige Polymerisation.
Es gibt aus meiner Sicht einige Komposite, die von der Konsistenz her für die Einbettung des Stick-Materials geeignet sind. Am besten und einfachsten gelingt die Einbettung mit einer dünnen Schicht Flow, die wiederum bei Bedarf mit einem Hybridkomposit abgedeckt werden kann. Ich verwende hier G-ænial Universal Flo (GC), da es im Vergleich zu anderen Flow-Materialien eine relativ hohe Standfestigkeit aufweist – während die Benetzung noch ausreichend ist – und es von
der Materialqualität einem normalen Hybridkomposit recht nahekommt.
Beim everX Posterior ist es wichtig, dass es perfekt an die Kavitätenwände adaptiert wird. Auch hier kann eine ganz geringe Menge Flow hilfreich sein.
Fallbeispiel
Der folgende Patientenfall zeigt die kombinierte Anwendung beider Materialien. Die 21-jährige Patientin stellte sich in der Praxis mit einem provisorisch gefüllten Zahn 46 nach Wurzelfüllung zur Weiterversorgung vor (Abb. 1). Die Therapieplanung sah eine Stiftversorgung mit everStick und den anschließenden Aufbau mit everX Posterior (Deckschicht mit Kalore s.u.) als Langzeitprovisorium in Form einer Kompositfüllung vor der späteren Überkronung vor.
Vor Beginn der Behandlung wurde die Farbauswahl klassisch mit dem VITA-Farbring getroffen, wobei die Farbwahl im vorliegenden Fall aufgrund der erst späteren endgültigen Versorgung mit einer Krone an Bedeutung verliert. Es empfiehlt sich allerdings bei einer geplanten Kompositrestauration mit everX Posterior darauf zu achten, dass es aufgrund der Transluzenz von everX Posterior oft notwendig wird, eine etwas höhere Farbsättigung des abdeckenden Hybridkomposits zu wählen.
Zunächst wurde die provisorische Füllung entfernt (Abb. 2). Anschließend erfolgte mit kleinen Rosenbohrern das Reduzieren der Wurzelfüllung bis ca. 1 bis 2 mm im Kanaleingang und mit Gates- und Peso-Bohrern das Präparieren der Stiftkavität (Abb. 3). An dieser Stelle kommt die Besonderheit von everStick zum Tragen. Das Material passt sich der Kanalgeometrie an und der Kanal muss nicht an einen Stift angepasst werden. Das bedeutet für die Vorbereitung der Kavität, dass nur das Wurzelfüllungsmaterial entfernt und die Dentinoberfläche gereinigt wird. Eine substanzfordernde Präparation dagegen erfolgt nicht. Als weitere vorbereitende Maßnahme fand eine Stufenpräparation unter Berücksichtigung der Anschliffrichtungen der Schmelzprismen für einen optimalen Verbund zwischen Material und Zahn statt (Abb. 4).
Nach Schmelzätzung mit Ultra-Etch (Abb. 5) für 30 Sekunden wurde die Präparationsfläche gründlich mit Wasser abgespült und anschließend mit ölfreier Luft getrocknet. Im Anschluss wurde das Schmelz-Dentin-Adhäsiv Peak Universal Bond mit dem Micro-brush aufgetragen und zehn Sekunden mit einer Hochleistungs-Mehrbereichs- LED-Lampe bei circa 1.600 mW
im „Highpower Mode“ polymerisiert (Abb. 6 und 7).
Anschließend wurde zum Befestigen der Stifte und zur Homogenisierung der Kavität G-ænial Universal Flo (GC) aufgebracht (Abb. 8). Dessen Schichtstärke sollte mit weniger als 1 mm immer so gering wie möglich gehalten werden. Im vorliegenden Fall wurden die Stifte lichthärtend eingesetzt, da everStick eine sehr gute Lichtleitung aufweist und hier eine Polymerisation auch gut möglich war (Abb. 9). Bei tieferen Stiften oder wenn die Menge des Komposits zur Befestigung größer ist, empfiehlt es sich, stattdessen ein dualhärtendes Komposit zu verwenden.
Um über den Stift aus Glasfasern hinaus den Zahn stabil aufzubauen, kam im nächsten Schritt everX Posterior zum Einsatz (Abb. 10 und 11). Oft wird an dieser Stelle des Restaurationsprozesses ein zu wenig stabiles Material verwendet, das dann im ungünstigsten Fall zum Versagen des Stiftes führen kann. Durch die relativ hohe Transluzenz ist das Material vom Hersteller auch für die Polymerisation von Schichtstärken bis zu 4 mm freigegeben, was ein zügiges Arbeiten ermöglicht. Jede Schichtstärke sollte in Abhängigkeit von der verwendeten Lampe und Leistung vollständig ausgehärtet werden, das heißt im Umkehrschluss, dass in der Praxis jede Schichtstärke so dünn sein sollte, dass die Aushärtung sichergestellt ist.
Nach der Aushärtung wurde die Füllung mit dem Hybridkomposit Kalore (GC) überschichtet (Abb. 12 und 13). Natürlich ist die Überschichtung auch mit anderen lichthärtenden Kompositen wie z.B. G-ænial möglich. Ich persönlich bevorzuge jedoch Kalore, da es etwas fester in der Konsistenz ist und daher nach meinem Ermessen besser modelliert werden kann.
Da nach dem Korrigieren der Höhe immer noch 1 bis 2 mm Schichtstärke des deckenden Komposits vorhanden sein sollte, empfiehlt es sich meines Erachtens, für die Deckschicht das Material etwas dicker aufzutragen, um nach der Okklusionskontrolle am Ende noch genügend Materialstärke übrig zu haben, bevor alles dem Einschleifen zum Opfer fällt (Abb. 14 und 15). Durch die eingangs schon angesprochene Transluzenz des everX Posterior sollte man in ästhetisch relevanten Bereichen den Platz für die Deckschicht/en so kalkulieren, dass man mit einem opakeren Dentin die Transluzenz maskieren kann. Ausarbeitung und Politur schlossen sich an. Dabei erfolgt die Ausarbeitung je nach Bedarf mit roten und/oder gelben Diamanten. Für die Vorpolitur bieten sich weiche Silikonpolierer an und die anschließende Hochglanzpolitur kann mit Okklubrush durchgeführt werden (Abb. 16 bis 18).
Fazit
Die materialbedingten Vorteile von Glasfaserprodukten lassen sich im Rahmen der direkten Füllungstherapie und bei der Versorgung endodontisch behandelter Zähne hervorragend nutzen. Besonders die Kombination eines Glasfaser-Wurzelstiftes mit einem faserverstärkten Komposit bietet ein langzeitstabiles Ergebnis und eignet sich damit unter anderem als Langzeitprovisorium vor Überkronung.
1 Garoushi S., Lassila L.V., Vallittu P.K.: Fracture toughness, compressive strength and load bearing capacity of short glass fiber-reinforced composite resin. Chi J Dent Res 2011, 14 (1): 15–19.