Endodontologie 07.01.2015

Komposite je nach Indikation wählen



Komposite je nach Indikation wählen

Die Anforderungen an Komposite sind in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen. Dabei müssen unter anderem die Stabilität eines Materials und seine Ästhetik dauerhaft gewährleistet sein – unter Aspekten der Werkstoffkunde sind dies eher antagonistische Eigenschaften eines Materials. Deshalb ist es sinnvoll, mit Kompositen zu arbeiten, die hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften zwischen der Anwendung im Seitenzahnbereich und bei großen Restaurationen auf der einen sowie für den Frontzahnbereich auf der anderen Seite unterscheiden. Das bedeutet aber nicht die Negation für Universalkomposite, deren Einsatz auch ihre Berechtigung findet, wie Professor Ilie nachfolgend aufzeigt.

Komposite haben sich in den letzten Jahren hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften stetig und erheblich verbessert, sodass sie heute erfolgreich in der minimalinvasiven direkten Restaurationstherapie eingesetzt werden und in vielen Ländern Amalgam als Füllungswerkstoff verdrängt haben. So zeigen klinische Langzeitstudien (≥ 10 + Jahre), dass Komposite exzellente Restaurationsmaterialien für kleine bis mittelgroße Defekte sind. Es wurden sogar 17- bzw. 22-Jahres-Studien publiziert, die von 75- bzw. 64%igen Erfolgsraten berichten.1, 2 Im Vergleich zum Amalgam zeigten sich Studienergebnissen zufolge3 im Gegensatz zu früheren Untersuchungen gleichwertige oder sogar höhere Erfolgsquoten für Komposite im Seitenzahnbereich, mit der Einschränkung, dass Patienten mit hohem Kariesrisiko aus der Studie ausgeschlossen wurden. Diese Unterschiede zwischen älteren und neueren Studien hängen mit Sicherheit auch mit der Verbesserung der Polymerisationsgeräte und der Sensibilisierung der Zahnärzte für die Bedeutung der materialgerechten Verarbeitung (Dentin- und Schmelzhaftung) und der ausreichenden Polymerisation der Komposite zusammen.

Anforderungen an moderne Komposite

Häufigste Ursachen für das Scheitern von Kompositrestaurationen sind Sekundärkaries, Fraktur oder Verschleiß, wobei Letzterer vermehrt bei Patienten mit Bruxismus zu beobachten ist. Da die Leistung von Kompositen bei Prämolaren besser als bei Molaren zu sein scheint – im Gegensatz zu den obigen Werten wird in größeren Kavitäten z.B. von Überlebensraten von 73 Prozent5 und 70 Prozent4 nach elf Jahren berichtet – und Frakturen hier als Hauptgrund für das Versagen angegeben werden, sind gute mechanische Eigenschaften eines Kompositmaterials nach wie vor für den Langzeiterfolg einer Restauration unabdingbar, insbesondere im Seitenzahnbereich und für große Restaurationen. Die wichtigsten Anforderungen an Komposite als Restaurationsmaterialien sind demnach gute mechanische Eigenschaften (insbesondere ein hoher Elastizitätsmodul), hohe Monomer-Umsatzraten, eine geringe Schrumpfspannung und gemäß dem Patientenwunsch an eine moderne zahnfarbene Versorgung natürlich eine gute Ästhetik. Dies sind jedoch antagonistische Eigenschaften, die in einem Material zu einem Optimum ausbalanciert werden müssen. Der Schwerpunkt sollte für den Seitenzahnbereich und große Restaurationen auf die mechanischen Eigenschaften gelegt werden, für den Frontzahnbereich kann die Ästhetik eine markantere Rolle spielen. Wie eingangs erwähnt, darf dabei nicht vergessen werden, dass gute Materialeigenschaften und ein Langzeiterfolg nur bei einer adäquaten Polymerisation der Komposite möglich sind.

Abb. 1: Evaluierung der mechanischen Eigenschaften von G-ænial Anterior für die drei verschiedenen Shades – JE (Junior), AE (adult) und SE (Senior): G-ænial Anterior JE weist im Vergleich zum Nanohybrid-Komposit Kalore eine statistisch vergleichbare Biegefestigkeit auf. Die Biegefestigkeit ist für Kalore und G-ænial Anterior JE geringfügig höher als für G-ænial Anterior AE und G-ænial Anterior SE. – Abb. 2: Der E-Modul von G-ænial Anterior weist keine Unterschiede zwischen den drei Varianten G-ænial Anterior JE, AE und SE auf, die alle statistisch signifikant geringer sind als die für Kalore gemessenen Werte.

Differenzierung von Kompositen in anterior und posterior sinnvoll

Die ästhetischen Anforderungen an ein modernes Komposit wurden in der Vergangenheit entwicklungstechnisch durch die Minimierung der Partikelgröße durchaus erreicht. Aus Sicht der mechanischen Stabilität muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Verkleinerung der Partikel sich meist negativ auf die mechanischen Eigenschaften auswirkte. Moderne Komposite sind somit im Vergleich zu Materialien, die in den 1970er- und 1980er-Jahren eingesetzt wurden, deutlich schwächer und weniger frakturresistent. Nicht zu vergessen ist, dass die mikromechanischen Eigenschaften wie Oberflächenhärte oder Indentierungsmodul der meisten Kompositmaterialien zwar vergleichbar mit denen des Dentins sind, jedoch deutlich geringer als die des menschlichen Schmelzes ausfallen. Als ausreichend für das Einsetzen eines Komposits im kaulasttragenden Bereich wird laut ISO 4049 eine Biegefestigkeit ≥ 80 MPa angestrebt. Diese Anforderung wird von vielen Materialien erfüllt, sogar von einigen flowable Kompositen, was berechtigte Kritik an der oben genannten Norm hervorruft. Vielmehr muss hier der Elastizitätsmodul berücksichtigt und seine minimale Grenze definiert werden. Auch ist eine klare Differenzierung zwischen „anterioren“ und „posterioren“ Kompositen notwendig, da ein Universalkomposit nicht alle Anforderungen erfüllen kann. Die Variabilität der mechanischen Eigenschaften ist nämlich sogar innerhalb einer Kompositkategorie so groß, dass es nicht möglich ist, die Leistung eines einzigen Materials von seiner Zugehörigkeit zu einer Materialgruppe abzuleiten. Ein Beispiel dazu: Aus einer Datenbank, die ich in den letzten zwölf Jahren aufgebaut habe und die derzeit über 100 Komposite umfasst, geht hervor, dass für die Klasse der Mikrohybrid-Komposite die Biegefestigkeit zwischen 73,3 MPa und 160,8 MPa und der E-Modul zwischen 2,4 GPa und 11,3 GPa variieren.

Dies stellt eine unglaublich große Bandbreite dar, und es macht verständlich, dass nicht all diese Materialien sowohl im Seitenzahnbereich als auch im Frontzahn einzusetzen sind, obwohl die meisten als Universalkomposite ausgewiesen werden. Vielmehr ist es erforderlich, Kriterien festzulegen, die für die Langlebigkeit einer Restauration notwendig sind, um die Materialauswahl daran anzupassen.

Beispiel G-ænial

Aus den dargestellten Zusammenhängen heraus ist es sinnvoll, die Materialauswahl entsprechend den Anforderungen und den Größen, wie Lokalisationen der Kavitäten, zu treffen. Die Hersteller sind bei ihren Entwicklungsbemühungen darauf eingegangen und bieten wie z.B. GC mit seinen G-ænial-Produkten ein breites Spektrum an Kompositmaterialien an. Hier wird unter anderem folgerichtig zwischen G-ænial Anterior und Posterior unterschieden. Eine komplexe Evaluierung der mechanischen Eigenschaften liegt in unserer Datenbank für G-ænial Anterior für die drei verschiedenen Shades – JE (Junior), AE (adult) und SE (Senior) – vor. Der Vergleich zum Nanohybrid-Komposit Kalore (GC) weist G-ænial Anterior JE eine statistisch vergleichbare Biegefestigkeit (103,9 vs. 103,3 MPa) zu, die für beide Materialien geringfügig höher als für G-ænial Anterior AE (95,8 MPa) und G-ænial Anterior SE (94,8 MPa) ist (Abb. 1). Der E-Modul von G-ænial Anterior weist keine Unterschiede zwischen den drei Varianten auf (3,6 bis 3,8 GPa), die alle statistisch signifikant geringer sind als die für Kalore gemessenen Werte (4,9 GPa) (Abb. 2). Gleiches gilt auch für die Vickershärte (56,9 bis 57,2 N/mm² für G-ænial Anterior und 73 N/mm² für Kalore). Somit ist die Bezeichnung „anterior“ für die klinische Indikation wichtig, da hier der Fokus auf die Ästhetik gelegt wurde und die Werte für die mechanischen Eigenschaften tendenziell geringer im Vergleich zum Universalkomposit Kalore einzustufen sind. Das hochvisköse, fließfähige Mikrofeinhybrid-Komposit Universal Flo aus der G-ænial-Reihe weist besondere mechanische Eigenschaften innerhalb der GC-Komposite auf: Die Drei-Punkt-Biegefestigkeit (154,9 MPa) ist signifikant höher im Vergleich zu allen anderen Kompositen der Firma GC, die wir bislang evaluiert haben (Kalore, G-ænial Anterior SE, G-ænial Anterior AE, G-ænial Anterior JE, Gradia Direct Anterior, Gradia Direct X). Viele flowable Komposite zeigen hohe Biegefestigkeiten, da sie sehr flexibel sind, jedoch gleichzeitig auch einen geringeren Elastizitätsmodul, bedingt durch den geringen anorganischen Füllkörperanteil. Dies ist bei G-ænial Universal Flo nicht der Fall, da hierfür der E-Modul bei einem Wert von 5,2 GPa mit dem von Kalore (Nanohybrid-Komposit, GC, mit 5,0 GPa) praktisch gleichzusetzen ist und beide Materialien damit einen signifikant höheren E-Modul als die restlichen oben erwähnten Materialien (3,4 bis 3,9 GPa) aufweisen.

Abb. 1 und 2: Vorher-Nachher-Vergleich: Restauration mit G-ænial Anterior im sichtbaren Frontzahnbereich (Quelle: GC).

Ähnliche Tendenzen sind auch für die mikromechanischen Eigenschaften – Indentierungsmodul, Vickershärte und Kriechen – zu erkennen, was Rückschlüsse auf eine ähnlich gute Stabilität der beiden zuletzt erwähnten Materialien erlaubt. Abgesehen von den mechanischen Eigenschaften ist das Fließverhalten einer unpolymerisierten Kompositpaste für die Formgebung und Verarbeitung von größter Bedeutung. Es wird zum einen von der Temperatur beeinflusst, zum anderen von stofflichen Größen (Konzentration, Form, Größe und Größenverteilung der Füllkörper, organische Matrix, Wechselwirkungen zwischen den Partikeln und Wechselwirkungen zwischen den Partikeln und der organischen Matrix). Die Fließfähigkeit wird meist durch die Reduktion der Füllkörper verbessert, was sich aber auch negativ auf die mechanischen Eigenschaften auswirkt. Im Allgemeinen sind Komposite thixotrope Materialien; das bedeutet, dass sie unter mechanischer Beanspruchung dünnflüssiger werden, um nach beendigter Beanspruchung in die Ausgangsviskosität zurückzukehren. Dieses Verhalten beruht auf Veränderungen der Struktur der Monomerpaste unter Krafteinwirkung, sodass kleinere Wechselwirkungen zwischen den Partikeln auftreten, die sich nach der Einwirkung der Scherkraft mehr oder weniger schnell zurückbilden. Gute mechanische Eigenschaften bei guten Fließeigenschaften in einem Material zu erreichen, ist das Ziel bei der Herstellung eines flowable Komposits. Für den Praktiker lässt sich damit schon aus materialtechnischen Gründen die Anwendung von G-ænial Anterior und G-ænial Universal Flo zu G-ænial Posterior sinnvoll abgrenzen: die Anwendung von G-ænial Posterior ist zweifelsohne durch die höhere mechanische Stabilität eines posterioren Komposits definiert und somit in der Anwendung für Kavitäten im kaudruckbelasteten Bereich oder für größere Kavitäten vorgesehen. Da G-ænial Universal Flo vergleichbare oder gar tendenziell bessere mechanische Eigenschaften als G-ænial Anterior aufweist, ist eine Indikation der beiden von den im zu versorgenden Gebiet gewünschten ästhetischen Eigenschaften und Schrumpfungsverhalten abhängig.

Abb. 3 und 4: Vorher-Nachher-Vergleich: Seitenzahnrestauration mit G-aenial Posterior (Quelle: GC).

Klinische Bedeutung von fließfähigen Kompositen

Das gute Anfließverhalten von fließfähigen Kompositen besonders im approximalen Bereich oder schwer zugänglichen Bereichen spricht ihnen ihre Eignung als Liner unter normalviskösen Kompositen zu. Man geht hier von dem Prinzip aus, dass ein flexibleres Material lokale Spannungskonzentrationen partiell puffern könne. Diese entstehen entweder bei der Polymerisation des Komposits oder durch thermisch-mechanische Belastung der auspolymerisierten Restauration. Es wurde bislang oft gezeigt, dass das Einsetzen von flowable Kompositen den Randschluss einer Kompositrestauration verbessert und das Microleakage vermindert. Die Rolle eines flowable Komposite als Stress Breaker wird jedoch von vielen Praktikern kontrovers diskutiert. Die Indikationen für fließfähige Komposite, neben deren Rolle als Liner, liegen in der Versorgung kleiner Klasse V-Kavitäten, kleiner Füllungen oder Reparaturen alter Restaurationen, aber auch in erweiterten Fissurenversiegelungen.

Literatur

1 Da Rosa Rodolpho PA, Cenci MS, Donassollo TA, Loguérico AD, Demarco FF: A clinical evaluation of posterior composite restorations: 17-year findings. Journal of Dentistry 2006; 34:427–35
2 Da Rosa Rodolpho PA, Donassollo TA, Cenci MS, Loguérico AD, Moraes RR, Bronkhorst EM et al.: 22-Year clinical evaluation of the performance of two posterior composites with different filler characteristics. Dental Materials 2011, 27:955–63
3 Opdam NJ, Bronkhorst EM, Loomans BA, Huysmans MC: 12-year survival of composite vs. amalgam restorations. Journal of Dental Research 2010; 89:1063–7
4 Pallesen U, Qvist V: Composite resin fillings and inlays. An 11-year evaluation. Clinical Oral Investigations 2003; 7:71–9
5 Van Dijken JWV: Direct resin composite inlays/onlays: an 11 year follow-up. Journal of Dentistry 2000; 28:299–306

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