Endodontologie 18.08.2014

Vorteile von Glasfasern zum Schließen großer Kavitäten



Vorteile von Glasfasern zum Schließen großer Kavitäten

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Für die Füllungstherapie kleiner wie auch großer Kavitäten gilt, dass die Versorgung unter anderem den Anforderungen an Haltbarkeit und Funktion gerecht wird, sowie auch den ästhetischen Ansprüchen genügen muss. In der Versorgung von Kavitäten haben sich deshalb seit Jahren nicht zuletzt dank der zahlreichen Entwicklungsbemühungen in Wissenschaft und Forschung die Komposite etabliert, welche dem Wunsch der Patienten nach zahnfarbenen Restaurationen nachkommen, gleichzeitig langlebig und funktionell sind und im Vergleich zur Amalgamfüllung nur eines minimalinvasiven Vorgehens bedürfen.

Insbesondere bei großen und kaudruckbelasteten Füllungen im Molarenbereich stoßen aber auch diese Komposite immer noch an ihre Grenzen – uns allen sind die Probleme hinsichtlich Polymerisationsschrumpfung und Rissbildung bzw. Risswachstum in Kompositen bekannt. Hier treten moderne Glasfaserprodukte auf den Plan, welche dank ihrer werkstoffbedingten Eigenschaften die Polymerisationsschrumpfung reduzieren und eine hohe Bruchzähigkeit erreichen können.17

In der modernen ästhetischen Zahnmedizin werden die Vorteile von Glasfasern auf vielfältige Weise genutzt. Glasfasern beziehungsweise faserverstärkte Komposite (Fiber Reinforces Composites [FRC]) kommen dabei in direkter und indirekter Technik zum Einsatz; z.B. für die Verstärkung von kieferorthopädischen Geräten und die unsichtbare Retention nach KFO-Behandlungen, bei herausnehmbaren Prothesen, bei zahn- und implantatgetragenen Brücken, zur Schienung von parodontalen Läsionen und nach einem Zahntrauma, für Wurzelkanalstifte, in parapulpären Stiftaufbauten mit Miniglaspins, bei Aufbissschienen in der Funktionstherapie, als Füllmaterial sowie zur Reparatur von Veneers und festsitzenden Brücken oder Prothesen.2,15 Ein Beispiel für ein glasfaserverstärktes Füllmaterial ist everX Posterior, das neue Möglichkeiten bei der Versorgung ausgedehnter Restaurationen im Seitenzahnbereich eröffnen soll. Um zu verstehen, welche Vorteile Glasfaserprodukte bei der Versorgung großer Kavitäten bieten können, werden im Folgenden die materialimmanenten Probleme von Kompositen sowie die Werkstoffeigenschaften von faserverstärkten Kompositen näher betrachtet.

 

Abb. 1–4: Eine große Amalgamfüllung wird mit everX Posterior und einem Universalkomposit ersetzt (Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Prof. Marleen Peumans, KUL, Leuven/Belgien und GC Europe).

Komposite: Polymerisationsschrumpfung bleibt Grundproblem

Trotz der stetigen Weiterentwicklungen von Kompositen und der damit verbundenen Verwendung von besonderen Füllkörpern und entsprechenden Adhäsivsystemen können moderne Komposite die Probleme in Hinsicht auf die Rissbildung bzw. das Risswachstum in diesen Füllungen und die isotrope Polymeris

ationsschrumpfung nicht vollständig lösen. In der Folge können Frakturen eben so auftreten, wie durch die Randspalten Sekundärkaries entstehen kann.14 Als Ursache für das Problem der Polymerisationsschrumpfung wird die lineare Struktur des BisGMA-Moleküls angegeben, von dem angenommen wird, dass es in 90 Prozent aller Komposite enthalten ist. Da der intermolekulare Abstand der nicht polymerisierten Moleküle größer ist als der interatomare Abstand im polymerisierten Verbund, kommt es zu einer Kettenverkürzung und damit zur Schrumpfung mit den bekannten Konsequenzen.4 Eine wichtige Größe, die verantwortlich für die Abrisse an den Kavitätenwänden ist, stellt die Polymerisationsschrumpfungskraft dar. Ihr Einfluss ist besonders bei großen Kavitäten nicht zu unterschätzen. Insbesondere bei diesen spielt auch die Mechanik der Restaurationsmaterialien eine bedeutende Rolle, da eine deutlich höhere Belastung mit einer höheren Anforderung gerade an die Biegebruchfestigkeit und natürlich an die Abrasionsfestigkeit besteht.4 Das Problem der Spannung, die im Werkstoff entsteht, wenn das Material schrumpfen möchte, aber an den Kavitätenwänden aufgrund der Adhäsivtechnik haftet, ist erst jüngst wieder formuliert worden (und wird mit der Verwendung verschiedener Kopolymere oder neuer Katalysatoren angegangen).13 Diese Erkenntnisse bezüglich der Problematik – auch von modernen Kompositen – hat man sich bei der Entwicklung eines glasfaserbasierten Füllungswerkstoffes zunutze gemacht, wie die unten stehenden Ausführungen zeigen.

Glasfasern in Industrie und Zahnmedizin

In den unterschiedlichsten technischen Bereichen wie der Telekommunikation, der Luft- und Raumfahrt, der Medizin, im Bau etc. werden Glasfasern bereits seit Jahrzehnten erfolgreich verwendet und auch in der Zahnmedizin stehen sie inzwischen in einem breiten Anwendungsbereich zur Verfügung.1, 5,12,15 Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied von Glasfasern in der Zahnmedizin zur industriellen Fertigung, da es hier in einigen Fällen genügen kann, die Fasern in die Matrix (z.B. Polyesterharz) einzulaminieren. Wir erinnern uns: Das Prinzip der faserverstärkten Kunststoffe basiert auf der Tatsache, dass ein Faserverbundstoff in der Regel aus zwei Hauptkomponenten besteht – der bettenden Matrix und der verstärkenden Fasern. Durch die Wechselwirkung dieser beiden Komponenten ergeben sich im Verbundstoff drei wirkende Phasen: sehr zugfeste Fasern, eine relativ weiche, sich bettende Matrix und eine beide Komponenten verbindende Grenzschicht. Auf diese Weise erhält der Faserverbundwerkstoff seine ihm immanenten höherwertigen Eigenschaften.1,3,6 Auf die zahnärztliche Füllungstherapie und einen geeigneten Füllungswerkstoff aus Glasfaserbasis ist dieses Verfahren nicht 1:1 zu übertragen, da hier immer wieder punktuell enorme Kräfte auftreten, die zu einer Auflösung der Verbundes führen würden. Um diese punktuell vertikal auftretenden Kräfte, wie sie beim Kauen auf Teile der Füllung ausgeübt werden, aufzufangen und abzuleiten, benötigt man eine horizontale Faserverflechtung.11 Dieser Erkenntnis liegen jahrelange Forschungen der Stick Tech LTD und der Universität Turku/Finnland zugrunde. Hier wurde beobachtet, dass die Festigkeit von FRCs durch die Richtung und die Orientierung der Fasern beeinflusst wird. Zusätzlich bestimmen u. a. die Polymer-Matrix und der grundsätzliche Typ der Faserverbindung die besonderen Eigenschaften von FRCs.15 Wie aber erreicht man eine horizontale Ausrichtung und die Vernetzung der Glasfasern eines entsprechenden Füllungskomposits?

Glasfaserlänge und Ausrichtung beeinflussen Polymerisationsschrumpfung

Im Füllungswerkstoff everX Posterior werden die horizontale Ausrichtung und Vernetzung durch eine bestimmte (im Übrigen auch patentierte) Faserlänge und die Konsistenz des Materials erreicht. Das Material wird aus dem Unitip in die Kavität eingebracht und durch das leichte Stopfen von everX Posterior mit dem Instrument in die Kavität werden die Fasern in eine horizontale Richtung gedrückt. Das gelingt nur aufgrund der optimierten Faserlänge in everX Posterior, da die Fasern sowohl nicht zu kurz (denn dann würden sie z.T. aufrecht stehen bleiben) als auch nicht zu lang sein dürfen (in diesem Fall könnten sie sich in einer kleineren Kavität nicht horizontal legen).11 So minimieren die Fasern aufgrund ihrer Ausrichtung die Polymerisationsschrumpfung in horizontaler Richtung, also von Kavitätenwand zu Kavitätenwand, während in vertikaler Richtung (von basal nach okklusal) das Schrumpfungsverhalten dem eines herkömmlichen modernen Komposits entspricht.8,11 Gleichzeitig simulieren die Glasfasern in everX Posterior die Kollagenfasern des Dentins und sorgen auf diese Weise für eine hohe Bruchspannung und Bruchzähigkeit.9,17 Auch die Matrix spielt bei everX Posterior eine wichtige Rolle. Sie beruht auf dem sogenannten Prinzip des interpenetrierenden Polymernetzwerkes (kurz IPN). Das IPN ist für die Adhäsion des überschichtenden Universal-Komposits an das darunter liegende, bereits polymerisierte everX Posterior verantwortlich: Diese Verbindung kommt durch die Interdiffusion von Monomeren des Universal-Komposits in die Polymerstruktur von everX Posteriors zustande.16 Nachdem auch die Menge von Fasern in der Matrix die Festigkeit eines faserverstärkten Komposits bestimmen15, wird im Falle von everX Posterior dafür gesorgt, dass eine ausreichend hohe Fasermenge in der Matrix angeordnet ist.

Werkstoffvorteile haben Einfluss auf Indikationsbereich

everX Posterior eignet sich durch seine spezielle Struktur als Verstärkungsmaterial für direkte Kompositversorgungen besonders bei großen Kavitäten im posterioren Bereich, da es wie oben beschrieben den Stress auf die Kavitätenwände reduziert und die Randdichtigkeit von Füllungen erhöht. Zu den empfohlenen Indikationen zählen deshalb drei- oder mehrflächige Kavitäten, Kavitäten mit fehlenden Höckern, tiefe Kavitäten (Klasse I/II und endodontisch behandelte Zähne), Kavitäten nach Amalgamsanierung sowie Kavitäten, die für Inlays/Onlays indiziert sind. everX Posterior sollte immer mit einer Schicht lichthärtendem Kompositmaterial abgedeckt werden, also nicht als finale approximale oder okklusale Kompositschicht eingesetzt werden, da ein glasfaserverstärktes Komposit werkstoffimmanent nicht die Oberflächenglätte und ästhetischen Eigenschaften eines Universalkomposits erreichen kann (Schichtstärke des Universal-Komposits von 1 bis 2 mm). Diese Überschichtung ist mit einem Produkt aus der G-ænial-Familie (GC), aber auch mit anderen auf dem Markterhältlichen Kompositen möglich. Wichtig für eine Gewährleistung der optimalen Polymerisation ist, everX Posterior nur in einzelnen Schichtungen bis zu einer Stärke von 4 mm einzubringen.17 Auf diese Weise verhindert das bruchfeste everX Posterior als Substruktur die Ausdehnung von möglicherweise auftretenden Sprüngen und Rissen an der Füllungsoberfläche oder im Schmelz in die Tiefe der Kavität bzw. des Zahnes, was immer mit einer Frakturgefahr verbunden wäre.11 Über erste klinische Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit eines glasfaserverstärkten Komposits mit kurzen Glasfasern als Substruktur und einem Überzug mit einem Universal-Komposit berichteten Garoushi et al.10 Die Autoren kommen anhand der Datenlage zu dem Schluss, dass die ausgewählte Materialkombination gute klinische Leistungen in Bereichen mit höherer Belastung nach einem Jahr zeigte. Mehrere In-vitro-Untersuchungen bestätigten die Bruchfestigkeit des Materials.7, 9,17

Fazit

Die bereits seit Jahren in den meisten Zahnarztpraxen erfolgreich integrierte Glasfasertechnologie verbessert die mechanische Belastbarkeit zahnärztlicher Versorgungen. Diese materialbedingten Vorteile werden auch bei der Verwendung von Glasfaserprodukten in der direkten Füllungstherapie genutzt; wie dies am Beispiel des glasfaserbasierten Komposits everX Posterior deutlich wird (Abb. 1 bis 4). Hier kommt die spezielle Materialstruktur insbesondere der Versorgung großer Kavitäten zugute: Kurze Glasfasern minimieren die Polymerisationsschrumpfung und verhindern aufgrund der hohen Bruchfestigkeit des Materials die Entstehung von Füllungsrissen. Das Potenzial von everX Posterior hinsichtlich der vergrößerten mechanischen Belastbarkeit haben bereits diverse Untersuchungen unter Beweis gestellt.

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