Implantologie 06.11.2013
Zur Anwendung kalten Plasmas in der Prothetik
Von der Versorgung des Implantatlagers über die Nachsorgephase des Implantates im Mund bis hin zur Keimfreihaltung der herausnehmbaren Prothetik – die Plasmamedizin als interdisziplinäres Forschungs- und Anwendungsgebiet schafft nachweislich neue Therapiemöglichkeiten. Im Folgenden soll das Arbeiten mit CAP (Cold Atmospheric Plasma) und COP (Cold Oxygen Plasma) kurz dargelegt werden.
Neben dem Implantatmaterial, der stabilen Verankerung sowie der Erfahrung und Spezialisierung des implantierenden Zahnarztes ist eine wesentliche Bedingung für eine erfolgreiche Osseointegration in der Einheilphase die Keimfreihaltung des Fräskanals. Während der Implantatversorgung werden kontinuierlich Keime durch das Blut aus der Mundhöhle in das Implantatlager gespült; zur Vermeidung von Entzündungen und um eine optimale Osseointegration zu gewährleisten, ist neben der Patientenversorgung mit Antibiotika auch das Anwenden kalten Plasmas sinnvoll. Stellt man der oftmals herangezogenen „Input-Output“-Statistik (> 95 %) die Analyse der Verweildauer des Implantats über einen längeren Beobachtungszeitraum gegenüber, zeigt sich eine Erfolgsquote, zum Beispiel im zahnlosen Oberkiefer, von nur 71 Prozent (DGZMK 4/2000). Die Abnahme der periimplantären Knochenhöhe gilt als ein wichtiges Indiz für eine zu verbessernde Implantatsetzung, denn die Knochenhöhe sollte nach dem zweiten Jahr auf keinen Fall über 2 mm hinausgehen. Auch die primäre oder nachträgliche Stilllegung eines Implantates sollte vermieden werden, da das Implantat, wenn stillgelegt, funktionell wertlos ist.
Beflutung mit CAP und COP
Zur Vermeidung von entzündungs- und periimplantären Osteolysen und zur Sicherung einer optimalen Erfolgsrate der Implantatsetzung sind idealerweise alle Parodontien, einschließlich des Mundraumes und der Zunge mit CAP oder COP, unter der Schutzatmosphäre eines doppelseitigen Mundapplikators, vor, während und nach der OP zu entkeimen. Die Dauer der Entkeimung beträgt dabei nur wenige Minuten. Sie ist nicht kontraindiziert und – nutzt man COP, das heißt kaltes mit reinem Singulettsauerstoff angereichertes Plasma – biologisch. Die Therapie wird vom Patienten als „nicht unangenehm“ empfunden. Die Osseointegration wird zusätzlich durch das Erreichen einer Sauerstoffsättigung im Knochengewebe des Implantatlagers unterstützt und fördert so einen wieder eintretenden Knochenaufbau. Die Beflutung mit kaltem Plasma wird im Rahmen der OP drei Mal empfohlen. Das erste Mal kurz vor der OP, für 15 Minuten, zur Vorentkeimung des Mundraumes und der Parodontien. Ein zweites Mal nach dem Ausfräsen des Implantatlagers für fünf Minuten, um nachträglich eingespülte Keime zu eliminieren (bei einzelnen Implantaten mit der Alveolen-Elektrode für zwei Minuten). Ein drittes und letztes Mal nach dem Setzen des Implantates für 15 Minuten, um eine Blutstillung zu erreichen und den systemischen Prozess durch Sauerstoffsättigung der Gingiva und Osteozyten zu unterstützen.
Abbildung: Weicher Mundeinsatz (links) und OZONYTRON-PD (rechts).
Behandlungsablauf und Nachsorge
Im Rhythmus von zwei zu einer Sekunde wird das Zahnfleisch massiert, Blut und Speichel abgesaugt und hochkonzentriertes Plasma unter einer Unterdruckatmosphäre eingeflutet. Patienten berichteten bereits wenige Stunden danach, dass sie schmerzfrei waren und keinerlei Schwellung verspürten bzw. erkennen konnten. Um eine lange Lebensdauer des eingesetzten Implantates zu sichern, sind jegliche progressive periimplantäre Infektionen auszuschließen. Dies macht einen mindestens halbjährlichen Recall (Wiederholung der Beflutung mit CAP im Rahmen einer zum Beispiel üblichen PZR) notwendig. Für die Beflutungsdauer genügen zur Prophylaxe fünf bis 15 Minuten.
Herausnehmbare Prothetik
Herausnehmbare Prothetik sollte zur Entkeimung nicht im Mund belassen werden. Es wird empfohlen, diese in einer separaten „Dose“ zu entkeimen, wobei die „Dose“ mit einem Deckel versehen ist und eigens im Inneren, mit Strom aus der Steckdose versorgt, hochkonzentriertes CAP zur Desinfektion erzeugt. Diese „Dose“ (OZONYTRON-PD von MIO int. OZONYTRON GmbH) kann vom Patienten über den Zahnarzt auch käuflich erworben werden, um den herausnehmbaren Zahnersatz nach der Reinigung zu entkeimen. Die Dauer einer vollautomatischen Entkeimung mit CAP beträgt zehn Minuten. Die regelmäßige Reinigung und Entkeimung herausnehmbarer Prothetik ist ausgesprochen wichtig, da eine kontinuierliche Zunahme der Keimbesiedelung am prothetischen Ersatz im Mundraum zu diversen Folgeerkrankungen führen kann. Reinigungstabletten, aufgelöst in einem Glas, genügen der Anforderung einer Desinfektion, wie sie mit Plasma gegeben ist, nicht. So lassen sich in dieser „Dose“ auch Implantate in wenigen Minuten vor dem Einsetzen zusätzlich desinfizieren. Gelegenheiten, Implantate zu kontaminieren, sind sie einmal der sterilen Verpackung entnommen, sind genügend vorhanden. Plasma hat eine Halbwertzeit, sodass über den Zeitraum der Versorgung keine Kontamination zu befürchten ist.
Fazit
Anlässlich des Kongresses „Medizin und Gesundheit“ Berlin 2013 waren sich die Vortragenden einig, dass die Plasmamedizin als interdisziplinäres Forschungs- und Anwendungsgebiet neue, effektive Therapiemöglichkeiten schafft und so die Behandlung von Patienten nachhaltig verbessert. Prof. Lademann, Charité Berlin, hob dabei besonders hervor, dass Plasma eine hervorragende Desinfektion bewirkt und damit schon Wunden geschlossen werden konnten, die über Jahre hinweg mit klassischen Methoden nicht zu beeinflussen waren. Prof. Mertelmann, Universität Greifswald, führte dazu ergänzend die Hauptgebiete der Plasmamedizin nach heutiger Sicht auf: 1. Dekontamination von medizinischen Geräten und Oberflächenmodifikationen von Implantaten. 2. Therapie von chronischen Wunden. 3. Behandlung von dermatologischen Erkrankungen, vor allem Infektionen, Pilzerkrankungen, Juckreiz. 4. Tumoren an der Hautoberfläche. 5. Präventionen gegen Karies und Zahnverlust, 6. Therapie von Infektionen und Biofilmen auf natürlichen und künstlichen Zähnen. Darüber hinaus bemerkte Prof. von Woedke, Leibnitz-Institut, dass Plasma die extrazelluläre Matrix verändert und es damit möglich ist, sehr selektiv Zellen zur Apoptose zu bringen. Die Apoptose von Krebszellen wird in Zukunft viele therapeutische Möglichkeiten eröffnen.