Implantologie 05.05.2017
Die vereinfachte augmentative Versorgung der Extraktionsaveole
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In dem folgenden Beitrag wird auf eine vereinfachte Socket Preservation-Technik eingegangen, welche die Vorteile eines zügigen und anwenderfreundlichen Vorgehens mit der gleichzeitigen Verbreiterung an befestigter keratinisierter Gingiva vereint. Die verwendeten Materialien beschränken sich auf ein schwer resorbierbares Knochenersatzmaterial und eine Ribose-vernetzte Kollagenmembran porcinen Ursprungs.
Einleitung
Nach Zahnentfernung unterliegt die Extraktionsalveole Schrumpfungsprozessen von bis zu 50 Prozent in den ersten drei Monaten.1 Um den Kollaps und den damit verbundenen Verlust von Hart- und Weichgewebe zu verringern haben sich verschiedene Socket Preservation-Techniken etabliert.2–5
Das Vorgehen ist in allen Fällen ähnlich: Nach der Entfernung des Zahnes wird die Alveole gereinigt und im Anschluss mit einem Knochenersatzmaterial aufgefüllt. Im Anschluss wird ein weichgewebiger Verschluss im Sinne eines freien Schleimhauttransplantats (Punch) oder einer Membran eingebracht. Durch das Auffüllen der Extraktionsalveole kann die Resorption der bukkalen Lamelle nicht vollständig verhindert werden, wohl aber der Kollaps der Alveole. Dieser Vorteil konnte auch in einer Übersichtsarbeit gezeigt werden.6 Neben dem besseren Knochenangebot fehlen die sonst im bukkalen Bereich sichtbaren Einziehungen. Dies führt, speziell im sichtbaren Bereich, zu ästhetisch ansprechenderen Ergebnissen.
Limits der Socket Preservation
Der am häufigsten genannte Nachteil der Socket Preservation-Techniken ist der Kostenfaktor. Durch die Socket Preservation soll eine gegebenenfalls später notwendige Augmentation umgangen werden, jedoch besteht zum Zeitpunkt der Implantation häufig die Notwendigkeit einer chirurgischen Korrektur der keratinisierten Gingiva oder sogar einer Nachaugmentation. Ein weiterer Nachteil ist die längere Operationszeit während der Extraktion und – falls ein weichgewebiger Verschluss mit einem Punch gewählt wird – das zweite Operationsgebiet am Gaumen. Der Autor weist darauf hin, dass durch die Versorgung mit einem Punch störende Narben im bukkalen Bereich, auch nach Kronenversorgung, sichtbar bleiben können.
Wer den Verschluss der Alveole mit einem autologen Weichgewebe-Punch vermeiden will, nimmt in Kauf, dass die Augmentationsmaterialien bei einem minimalinvasiven Vorgehen exponiert gelassen werden müssen. Sowohl die alleinige Verwendung von Knochenersatzmaterial als auch die zusätzliche Verwendung der gängigen Barrieremembranen führen häufig nicht zu dem gewünschten Augmentationsergebnis. Die Gründe hierfür sind Infektion, vorzeitige Resorption und/oder das Einwachsen von Weichgewebe.7–10
Vorteile der minimalinvasiven Socket Preservation
Es ist bekannt, dass die Barrierezeit von Kollagenmembranen durch Vernetzung mithilfe von Ribose bei gleichbleibend hoher Gewebeverträglichkeit signifikant erhöht werden kann.10-13 Dies ermöglicht einen exponierten Einsatz der Membran ohne vollständigen Wundverschluss.
Somit kann durch Verwendung einer derartigen Barrieremembran auf die Verwendung eines Weichgewebe-Punchs verzichtet werden. Dies verkürzt nicht nur die Operationszeit, sondern minimiert zudem die Patientenmorbidität. Durch diesen Schritt kann nicht nur das Hartgewebe gestützt werden, es wird auch für ein breites Band an keratinisierter und befestigter Gingiva gesorgt.
Trotz des etwas höheren Zeitaufwands während der Extraktion ist dieser immer noch deutlich geringer als ein notwendig werdender augmentativer Zweiteingriff zum Zeitpunkt der verzögerten Implantation als alternatives chirurgisches Vorgehen.
Verwendete Materialien
Als Knochenersatzmaterial wird ein schwer resorbierbares Knochenersatzmaterial (Geistlich Bio-Oss®, Geistlich Pharma AG, Wolhusen, Schweiz) verwendet. Die aufgefüllte Alveole wird im Anschluss mit einer langsam resorbierenden Ribose-vernetzten Kollagenmembran porcinen Ursprungs (OSSIX® PLUS, REGEDENT GmbH, Dettelbach, Deutschland) abgedeckt. Als Naht wird Polyvinylidenflourid der Stärke 6-0 verwendet (SERALENE, SERAG-WIESSNER GmbH & Co. KG, Naila, Deutschland).
Socket Preservation – Vorgehen
Um nach Socket Preservation ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen, im Sinne eines maximalen Volumenerhalts, ist von Beginn an auf ein schonendes und wenig invasives Vorgehen zu achten. So wird nach Möglichkeit der zu extrahierende Zahn mit einem Diamanten geteilt und auf eine Lappenbildung mit Periostschlitzung verzichtet. Im Anschluss wird die Extraktionsalveole gründlich exkochleiert. Die direkt an die Extraktionsalveole grenzende Gingiva wird vorsichtig eleviert, um im späteren Verlauf die Membran in der korrekten Position zu fixieren. Nach der Vorbereitung wird die Extraktionsalveole mit dem Knochenersatzmaterial aufgefüllt und mit der Ribose-vernetzten Kollagenmembran abgedeckt, welche leicht unter die zuvor elevierte Gingiva geschoben wird. Die Membran bleibt dabei exponiert und wird nur mittels einer Kreuznaht in Position gehalten. Die verwendete OSSIX® PLUS Membran hat eine Standzeit von circa vier bis sechs Monaten und bietet in dieser Zeit einen bakteriendichten Verschluss und eine Leitstruktur für die heilende Gingiva, wodurch das Augmentat trotz der exponierten Lage geschützt bleibt. Die Nahtentfernung erfolgt nach sieben Tagen. Nach sechs Monaten erfolgt die Implantation und nach der Phase der Osseointegration die Zahnersatzversorgung.
Fall 1
Die 60 Jahre alte Patientin stellte sich mit einem nicht erhaltungswürdigen Zahn 25 (wurzelkanalbehandelt) vor (Abb. 1 und 2). Neben dem röntgenologischen Befund (apikale Parodontitis) imponierten hohe bukkale Sondierungstiefen bis 12 mm, welche ein Fehlen der bukkalen Lamelle und einen Lockerungsgrad I andeuteten. Der Zahn wurde vorsichtig unter Schonung der umliegenden Gewebe in bukkooraler Richtung geteilt und entfernt (Abb. 3). Es imponierte eine nach bukkal fenestrierte Extraktionsalveole, welche mit langsam resorbierendem Knochenersatzmaterial aufgefüllt und mit einer Ribose-vernetzten Kollagenmembran abgedeckt wurde (Abb. 4 und 5). Die exponierte Membran wurde mit einem monofilen Nahtmaterial fixiert. Nach sieben Tagen wurde die Naht entfernt. Es zeigten sich entzündungsfreie Weichgewebe (Abb. 6). Nach fünf Monaten erfolgte die Implantation. Ausgehend vom initial bestehenden Defekt konnte das Implantat in der korrekten Position in gut ausgeheilten Knochen eingebracht werden (Abb. 7–10). Im Rahmen der Freilegung wurde die bukkale Einziehung mit einer Rolllappentechnik ausgeglichen (Abb. 11), sodass beim Einsetzen der Krone narben- und entzündungsfreies Weichgewebe vorhanden war (Abb. 12–14).
Fall 2
Beim 63-jährigen Patienten konnte trotz Erhaltungsversuch der Zahn 16 nicht erhalten werden (Abb. 15 und 16). Nach Entfernung des Zahnes wurde die Extraktionsalveole exkochleiert, mit langsam resorbierendem Knochenersatzmaterial aufgefüllt und im Anschluss mit einer Ribose-vernetzten Kollagenmembran abgedeckt, die wieder bewusst exponiert gelassen wurde (Abb. 17). Nach sieben Tagen erfolgte die Nahtentfernung (Abb. 18) und weitere sechs Monate später die Implantation (Abb. 19–22). Die Textur der Membran ist in den Randbereichen noch zu erkennen, als Indiz für die lange Standzeit der Membran. Nach der Einheilungsphase erfolgten Freilegung (Abb. 23) und Kronenversorgung (Abb. 24 und 25).
Zusammenfassung
Ribose-vernetzte Kollagenmembranen porcinen Ursprungs zeichnen sich durch eine lange Standzeit und gute Handhabbarkeit aus. Hierdurch kann das Augmentat sicher über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten geschützt werden. Auch in Grenzfällen, wie in Fall 1 beschrieben, kann sie sicher eingesetzt werden. Durch das Vermeiden eines zweiten Operationsgebiets für die Entnahme eines Punchs kann die Operationzeit deutlich verringert werden und es entstehen keine Narben.
Die vollständige Literaturliste gibt es hier.
Der Fachbeitrag ist erstmalig im Implantologie Journal 5/17 erschienen.