Kieferorthopädie 28.06.2023

Aligner und Brackets: Hybride Behandlung komplexer Fehlstellungen



Aligner und Brackets: Hybride Behandlung komplexer Fehlstellungen

Foto: Dr. Alexander Gebhardt

Den Wunsch nach einer unauffälligen, praktisch „unsichtbaren“ Zahnkorrektur haben viele Menschen mit einer Zahnfehlstellung. Eine moderne Aligner-Therapie erfüllt diese hohen Erwartungen und ist heute in der Lage, auch komplexere Fehlstellungen zu korrigieren. Dabei gilt es jedoch, den Aufwand abzuwägen. Je nach Befund können viele Schienen und damit viel Zeit nötig werden, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Des Weiteren steigt die Wahrscheinlichkeit eines benötigten Refinements mit der Anzahl der verwendeten Aligner deutlich. Dies führt unweigerlich zu einer Verlängerung der Behandlungszeit. Eine Lösung stellen hybride Behandlungsmodelle dar. Dr. Alexander Gebhardt aus Bad Wildungen stellt einen Fall vor, in dem mit einer Kombination aus Brackets und SureSmile® Alignern von Dentsply Sirona eine komplexe Korrektur in kurzer Zeit gelungen ist.

Erfahrungsbericht

In unserer Praxis sind wir auf funktionelle sowie ästhetisch hochwertige Zahnkorrekturen mithilfe der Lingualtechnik und/oder von Alignern spezialisiert. In der Regel kommen Aligner für die Korrektur von geringfügigen Malokklusionen zum Einsatz, denn die Therapiemöglichkeiten sind bei den meisten Systemen begrenzt. Wünschen sich Personen mit komplexeren Fehlstellungen der Angle-Klassen II und III eine unauffällige und gleichzeitig effiziente Korrektur, setzen wir auf eine Kombination verschiedener Lösungen. Ein etabliertes System, welches uns alle Behandlungsoptionen ermöglicht, ist SureSmile® von Dentsply Sirona. Wir können damit sowohl ausschließlich mit Alignern arbeiten, in der Version SureSmile® Ortho und Advanced aber auch von Anfang an Brackets mit einplanen. Als Option stehen auch Transfertrays für das indirekte Bonding zur Verfügung.

Die Effizienz von zwei Systemen optimal nutzen

Diese hybride Form der Behandlung erlaubt Zahnbewegungen, die mit Alignern entweder allein nicht optimal zu bewältigen wären oder unverhältnismäßig mehr Aligner und Attachments benötigen würden. Und je mehr Aligner, umso größer die Wahrscheinlichkeit, ein Refinement vornehmen zu müssen. Dann wären weitere Aligner zum Nacharbeiten nötig und die Behandlungszeit würde sich verlängern. Zudem bedeuten mehr Attachments meist auch eine Minderung der Ästhetik und einen schlechteren Tragekomfort, denn die Aligner lassen sich im Alltag schwerer herausnehmen und wieder einsetzen. Kombiniert man hingegen Aligner- und Bracket-Therapie, kann man die Effizienz beider Systeme nutzen.

Ein weiterer Vorteil von SureSmile® ist, dass das System eine ganzheitliche Therapieplanung ermöglicht, in die sowohl 2D- als auch 3D-Röntgendaten miteinbezogen werden können. Ich kann die Planung vorab erstellen und dadurch den Umfang der Bewegungen sehen, wodurch sich der Behandlungsaufwand und auch die Anzahl der Aligner sowie der benötigten Attachments bereits vor Therapiebeginn einschätzen lassen. Dies und die 3D-Visualisierung in der Software unterstützen eine optimale Patientenberatung. Dabei lässt sich abklären, ob das geplante Ergebnis den Vorstellungen des Patienten entspricht.

Kontrolle bleibt stets beim Behandler

Inwieweit die verschiedenen Leistungen von SureSmile® im weiteren Behandlungsverlauf genutzt werden, bleibt mir als Behandler selbst überlassen. Eine Möglichkeit ist die Full-Service-Option. Dabei unterstützt SureSmile® bei jedem Schritt von der Planung bis zur Herstellung der Aligner und der Attachments Transfers Schienen (Template-Schienen). Alternativ können auch nur Teile des Gesamtprozesses ausgewählt werden, etwa nur die Planung oder nur die Herstellung. Der Fall kann natürlich auch komplett selbstständig umgesetzt werden. Darüber hinaus stehen dem Behandler mit SureSmile® hilfreiche Anwendungen zur Verfügung, wie beispielsweise Diagnose-Tools, Smile-Design oder die digitale Positionierung von Brackets.

Was für uns auch wichtig ist: Der Workflow mit SureSmile® lässt sich ganz einfach in unsere Praxis integrieren. Die Software ist cloudbasiert und erfordert keine lokale Installation. Darüber hinaus akzeptiert das SureSmile® Digital Lab Daten aller gängigen intraoralen Scanner.

Kasuistik

In unserer Praxis stellte sich im April 2021 ein 24-jähriger männlicher Patient mit einer komplexen Fehlstellungssituation vor. Es bestand eine Kiefergelenkproblematik mit tiefem Biss und Abrasionen der retroklinierten Zähne 11 und 12. Zudem lag ein Kopfbiss mit Tendenz zum Scherbiss der Zähne 24 und 34 vor. Die Zähne 13, 14, 23, 24 und 33 wiesen wegen der Fehlstellung bereits starke Abrasionen auf. Zur Korrektur geeignet gewesen wäre eine reine Bracket-Behandlung, der Patient wünschte sich jedoch eine unauffällige Korrektur mit Alignern. Die Möglichkeit einer anschließenden prothetischen Versorgung des Zapfenzahns 22 wurde von ihm in Betracht gezogen. Im Zuge eines ausführlichen Beratungsgesprächs mit Erstellung der diagnostischen Unterlagen für die Therapieplanung wurden dem Patienten die Behandlungsoptionen erläutert. Er entschied sich für den Weg der hybriden Behandlung mit Brackets und SureSmile® Alignern von Dentsply Sirona.

Wir starteten die Behandlung am 8. April 2021 mit dem selbstligierenden Bracket-System Experience mini der Firma GC Orthodontics. Auf diese Weise wollten wir eine schnelle Bisshebung erwirken und die Neigung der Frontzähne, die Rotationen und die Aufrichtung der Zähne korrigieren. Als Bogen setzten wir zunächst je einen .014" Sentalloy-Bogen von Dentsply Sirona Orthodontics im Ober-und Unterkiefer ein. Nach vier Wochen wechselten wir auf .018" Sentalloy-Bögen. Sentalloy-Bögen setzen wir gerne ein, weil sie eine sanfte, kontinuierliche Kraft ausüben und damit die parodontale Belastung minimieren.

Aligner-Therapie mit deutlicher Reduktion der Anzahl an Schienen und Attachments

Nach nur acht Wochen konnten wir die Brackets entfernen. In derselben Sitzung fertigten wir einen Intraoralscan mit Primescan (Dentsply Sirona) für die Planung der Behandlung mit SureSmile® an und versorgten den Patienten bis zur Fertigstellung der ersten Aligner mit Retentionsschienen. Bei der Therapieplanung zeigten sich die Vorteile der hybriden Behandlung in diesem konkreten Fall: Im Unterschied zu einer reinen Aligner-Behandlung benötigten wir dank initialer Korrektur mit Brackets im Oberkiefer sieben Schienen weniger (27 statt 34), im Unterkiefer waren es sogar neun weniger (17 statt 26). Außerdem ließ sich die Anzahl der Attachments reduzieren: Statt 13 waren es nur sechs.

Bereits zwei Tage später konnten wir die Attachments kleben und die im eigenen Labor gefertigten Aligner einsetzen. Nach acht Wochen erfolgte der erste Kontrolltermin, um sicherzustellen, dass der Patient mit den Alignern zurechtkommt und die vorgesehenen Tragezeiten von mindestens 22 Stunden täglich einhält. In Folge kam der Patient zu drei Zwischenkontrollen, bevor wir die Behandlung am 8. September 2022 abschlossen und die Attachments entfernten. Insgesamt hat die kieferorthopädische Behandlung dieses Patienten – inklusive achtwöchiger Vorbehandlung mit Brackets – 16 Monate gedauert, und damit so lange wie geplant. Sowohl Patient als auch Behandler sind mit dem Ergebnis zufrieden. Die prothetische Versorgung des Zapfenzahnes 22 wird vom Patienten aufgrund des zufriedenstellenden Ergebnisses aktuell nicht als notwendig erachtet, bleibt jedoch als Option offen.

Diskussion

Die Hybrid-Behandlung mit Brackets und SureSmile® Alignern von Dentsply Sirona erwies sich als optimaler Kompromiss für Patient und Behandler. Für den Patienten, weil sich die Behandlungszeit im Vergleich zu einer Therapie ausschließlich mit Alignern verkürzen ließ – für den Behandler, da das gewünschte Ergebnis erreicht wurde. Wegen der reduzierten Anzahl an Attachments war die Anwendung der Aligner für den Patienten einfach, die Mundhygiene wegen der kurzen Tragedauer der Brackets nur vorübergehend erschwert. Für den Kieferorthopäden ist diese Form etwas aufwendiger, da es zwei Phasen gibt. Aber die Bewegungen, die sich mit Alignern allein schwerer bewältigen lassen, wurden initial durch die Bracket-Behandlung erreicht.

Dieser Beitrag ist in den KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.

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