Kieferorthopädie 23.10.2023

Offener Biss: Abrechnung der therapeutischen Mittel



Offener Biss: Abrechnung der therapeutischen Mittel

Foto: galitskaya – stock.adobe.com

Wird bei einer kieferorthopädischen Beratung bei einem Patienten ein offener Biss diagnostiziert, stehen den behandelnden Kieferorthopäden vielseitige Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Die bekanntesten Therapiemöglichkeiten und deren Abrechnung werden nachfolgend aufgeführt. Als Ursache für einen offenen Biss wird häufig das Daumenlutschen im Baby und Kleinkindalter, das lange Nutzen eines Schnullers oder auch die Fehlfunktion der Zunge (als falsches/infantiles Schluckmuster) festgestellt. Es ist dann in den meisten Fällen sinnvoll, dieses Fehlverhalten (Habits) zu behandeln, um die Fehlentwicklung der Kiefer zu vermeiden. Die Grundlage bietet dafür ein Gespräch zur Beseitigung der Dysfunktion oder auch praktische Übungen und/oder die Eingliederung einer Apparatur. Alle Maßnahmen unterstützen die normale Gebissentwicklung.

Abrechnung des Gespräches zur Beseitigung des Fehlverhaltens

Bei der Abrechnung eines Gespräches zur Beseitigung von Dysfunktionen ist sowohl bei Kassen als auch bei Privatpatienten zu beachten, dass kein aktiver KFO Behandlungsplan mit Gebühren zur Kieferumformung und Bisseinstellung (nach BEMA 119/120 bzw. GOZ 6030/6080) bestehen darf. Beim Kassenpatienten kann dann für die Beseitigung von Habits die BEMA 121 berechnet werden. Allerdings ist dies nur bis zu sechs Mal innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten möglich und gilt ausschließlich bei einer festgestellten KIGEinstufung D5 oder O4. Die KIG-Einstufung D5 steht für eine „sagittale Stufe, distal, über neun Millimeter“ (dabei ragen die oberen Schneidezähne mehr als neun Millimeter vor die unteren Schneidezähne). KIG-Einstufung O4 steht für ein „vertikale Stufe, offen, auch seitlich über vier Millimeter, habituell offen (offener Biss, bei dem der Abstand zwischen oberen und unteren Zahnkanten mehr als vier Millimeter beträgt). Beim Privatpatienten kann die GOZ 6190 je Sitzung für ein beratendes und belehrendes Gespräch mit Anweisungen zur Beseitigung von schädlichen Gewohnheiten und Dysfunktionen berechnet werden.

Verordnung einer „Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie“

Gegebenenfalls können – je nach Alter des Patienten – auch kieferorthopädische Früh- und Hauptbehandlungen stattfinden, wofür ein kieferorthopädischer Behandlungsplan dann notwendig wäre. Neben der kieferorthopädischen Therapie mit Behandlungsapparaturen oder auch außerhalb eines KFO-Behandlungsplanes kann es notwendig werden, parallel eine logopädische Behandlung durchzuführen. Dies ist dann der Fall, wenn zum Beispiel infolge eines falschen Schluckmusters ein offener Biss entsteht, weil sich die Zunge beim Schlucken zwischen die Kiefer schiebt. Das sollte dann therapiert werden. Die Verordnung von logopädischen Maßnahmen, also einer „Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie“ erfolgt über die zahnärztliche Heilmittelverordnung (HeilmittelVO, Abb. 1) und entsprechend nach der Heilmittelrichtlinie (HeilM-RL). Das Ausstellen einer solchen Verordnung von „Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie“ ist weder beim Kassenpatienten noch beim Privatpatienten abrechenbar. Die Ausstellung der Verordnung ist vielmehr mit der Berechnung einer Beratung nach BEMA Ä1 (Kasse) bzw. GOÄ 1 (Privat) abgegolten. Aber Vorsicht beim Kassenpatienten: Dort ist die BEMA Ä1 nicht während einer laufenden KFO-Behandlungen berechnungsfähig, da sie anderen als kieferorthopädischen Zwecken dienen muss. Bei Privatpatienten kann die GOÄ 2 „Ausstellen eines Wiederholungsrezeptes“ berechnet werden, wenn der Patient ohne Behandlungstermin lediglich zur Ausstellung der Verordnung an der Rezeption erscheint.

Eingliederung von Zahnspangen mit zusätzlichen Einzel- oder Abschirmelementen

Wenn der Patient beim „richtigen“ Schlucken – neben der Logopädie - zusätzliche Unterstützung benötigt, kann während einer kieferorthopädischen Behandlung auch das Einarbeiten eines Einzelelements in die herausnehmbare Apparatur von Vorteil sein. Das kann den Patienten dabei unterstützen, seine Zunge beim Schlucken zum Beispiel nicht ständig zwischen die Zähne zu schieben oder auch den richtigen „Ruheplatz“ zu finden. Die Stimulation der Zunge erfolgt dann entweder über eingearbeitete „Einzelelemente“ (wie zum Beispiel eine Perle) oder „Abschirmelemente“ (wie zum Beispiel ein Zungengitter), die in die gestreute herausnehmbare Apparatur eingearbeitet werden. Dabei handelt es sich um selbstständige Laborleistungen, die sowohl bei Kassenpatienten nach BEL II als auch bei Privatpatienten nach BEB im Rahmen der Laborabrechnung abrechenbar sind (Tabelle 1).

Abb. 1a–c: Platte mit Perle (a) (Foto: © KFO- Fachlabor Dr. Klee). Spikes an Multiband-Apparatur gelötet (b) (Foto: © Dentaurum). Zungengitter (c) (Foto: © Dentaurum).

Eingliederung von Spikes: festsitzend oder an herausnehmbaren Apparaturen befestigt

Eine weitere Möglichkeit zur Stimulation der Zunge besteht in der Eingliederung von Spikes. Diese können auf die Zähne (in der Oberkiefer-Front, von palatinal) geklebt oder in herausnehmbare KFO-Geräte eingearbeitet werden. Das ist für Patienten wohlmöglich nicht sehr komfortabel, jedoch zielführend, denn dadurch wird die Zunge trainiert, am Gaumen zu bleiben.Die in eine herausnehmbare Apparatur eingliederten Spikes sind als Laborleistung nach BEL (bei Kassenpatienten) oder nach BEB (bei Privatpatienten) berechnungsfähig (Tabelle 2). Die direkt auf die Zähne geklebten Spikes werden wie Brackets berechnet. Hier wird zwischen der Kassen-Honorarabrechnung nach BEMA und der privaten Honorarabrechnung nach GOZ unterschieden.

Berechnung von Spikes: über Kasse oder privat

Bei Kassenpatienten kann das Kleben von Spikes auf den Zähnen bei nachgewiesener medizinischer Indikation wohlmöglich mit der BEMA 126a je Spike/Zahn berechnet werden. Für die Entfernung von Spikes wäre dann die BEMA 126d berechnungsfähig. Es ist jedoch empfehlenswert, hier Rücksprache mit der zuständigen KZV zu halten. Andernfalls können Spikes bei Kassenpatienten als Privatleistung berechnet werden. Da man bei den Privatleistungen, die am 1.7.2023 neu geregelt wurden, nun zwischen „Mehrleistungen“, „Zusatzleistungen“ und „anderen Leistungen“ unterscheidet, handelt es sich bei Spikes um sogenannte „andere Leistungen“, die mit der GOZ 6100/6110 je Spike privat vereinbart und berechnet werden.Bei Privatpatienten wird eine Vereinbarung und Berechnung der GOZ 6100/6110 je Spike empfohlen. Darüber hinaus sollte die Maßnahme unter „angewendete Therapie“ und „verwendete Geräte“ aufgeführt werden. Selbstverständlich kann der Faktor der GOZ-Leistungen auch mit einer patientenbezogenen Begründung erhöht werden. Diese Möglichkeit sollte – in Zeiten hoher Inflation – auch genutzt werden.

Fazit

Therapeutische Behandlungsmaßnahmen bei Patienten mit offenem Biss sind berechnungsfähig. Lassen Sie sich Ihre Arbeit unbedingt angemessen vergüten. Die Berechnungsmöglichkeiten wurden aufgeführt. Wir unterstützen Sie auch gerne dabei.

Ein Beitrag von Diplom-Kauffrau Ursula Duncker, Geschäftsführerin von KFO-Management Berlin, und ihrem Fachteam Jana Christlbauer und Nadine Teuchert.

Dieser Artikel ist in der KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.

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