Oralchirurgie 16.03.2017
Lippenbandexzision unter Infiltrations- und intraligamentärer Anästhesie
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In Medizin wie Zahnmedizin gilt es gleichermaßen, genau das Anästhetikum und die Injektionstechnik auszuwählen, die am besten zur klinischen Situation und zu den spezifischen Erfordernissen des Patienten passen.1 Wie sich hierbei die Lokalanästhesie differenziert einsetzen lässt, soll im Folgenden anhand der Entfernung des Oberlippenbändchens mittels CO2- Laser zur Korrektur eines Diastemas bei einem Kind gezeigt werden.
Der reduzierte Adrenalinzusatz des 4 %igen Articains 1 : 200’000 (Ultracain® DS, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH) wird in diesem Fall der körperlichen Konstitution des zehnjährigen Patienten und dem blutarmen Eingriff gerecht. Zusammen mit der Infiltrations- und intraligamentären Anästhesie gelingt eine zuverlässige Schmerzausschaltung im begrenzten Weichteilgebiet.
Fallbeispiel
Ein zehnjähriger Junge in gutem Allgemeinzustand wurde von der behandelnden Kieferorthopädin zur Exzision des Oberlippenbändchens in unsere mund-, kiefer- und gesichtschirurgische Fachpraxis überwiesen. Sie diagnostizierte ein Diastema bei tief ansetzendem, verdicktem Frenulum und riet zu einer chirurgischen Korrektur (Abb. 1). Wir konnten den Befund bestätigen und empfahlen eine operative Korrektur in Lokalanästhesie, zu der sowohl die Eltern als auch der junge Patient bereit waren. Bei der Aufklärung legten wir besonders auf die Gegenüberstellung der konventionellen Lippenbandplastik (Z-Plastik) mittels Skalpell und der Exzision mittels eines CO2-Lasers Wert. Die Wahl fiel auf die laserunterstützte Operation.
CO2-Laser zur Lippenbandexzision
Die Lippenbandexzision (Frenektomie) mit dem Kohlendioxid-(CO2-)Laser ist eine nicht sehr häufig durchgeführte Operationsmethode, die jedoch in der wissenschaftlichen Literatur auch im Vergleich zur konventionellen Skalpellmethode und zu
anderen Lasersystemen sehr gute Ergebnisse zeigt.2, 3, 4 Der Verschluss von Diastemata nach lasergestützter Frenektomie wurde bereits im Rahmen einer grösseren retrospektiven Studie untersucht.5 Als Lasersystem wurde in diesem Fall ein supergepulster CO2-
Laser (LX-20SP Novapulse, LuxarCare, Bothell, Washington, USA) eingesetzt (Abb. 4). Besondere Vorteile bietet der CO2-Laser durch:
Blutleere im Operationsgebiet,Verzicht auf Wundnähte aufgrund der guten Sekundärheilung undgeringe postoperative Schmerz- und Schwellungsintensität.
Differenzierte Lokalanästhesie
Um dem jungen Patienten die Lokalanästhesie in diesem sehr sensiblen Bereich zu erleichtern, wurden die Einstichstellen kurz vor der Applikation mit einem Wattestäbchen betupft, auf dem zuvor ein Oberflächenanästhetikum (Gingicain®, Sanofi- Aventis Deutschland GmbH) aufgetragen worden war. Die positive Wirkung der Oberflächenanästhesie wurde durch eine positive Kommunikation mit „Ich betäube die Oberfläche“ gegenüber dem Patienten zusätzlich verstärkt.1
Die Infiltrationsanästhesie wurde mit 1 ml Ultracain® DS (1 : 200’000) als Lokalanästhetikum vorgenommen. Sie ist für Eingriffe im Oberkiefer gegenüber der Leitungsanästhesie generell zu bevorzugen, da sie:
- technisch einfach ist,
- relativ atraumatisch appliziert werden kann,
- eine kurze Latenzzeit aufweist,
- nur eine geringe Gefahr von Gewebeeinblutungen besteht und
- in 95 Prozent der Fälle erfolgreich ist.
Im vorliegenden Fall wurde besonders auf ein langsames Injizieren (1 ml/30 Sekunden) unter Aspirationskontrolle geachtet, um den Injektionsdruck zu minimieren.1 Sowohl das Frenulum selbst als auch die vestibuläre Schleimhaut wurden bis in Regio 11/12 beziehungsweise 21/22 betäubt. In den verdickten Gewebestrang im Interdentalbereich 11/21 wurde 0,2 ml Lokalanästhetikum als intraligamentäre Anästhesie mit einer besonders kurzen Kanüle (10 mm, 30 Gauge extrakurz) appliziert, da hier das Zahnfleisch einen besonders hohen Anteil fibröser Fasern aufweist und deshalb mit einer Infiltration nur schwer zu betäuben ist. Vorteile der intraligamentären Anästhesie sind der geringere Einstichschmerz und die niedrige Anästhesiedosis. Dabei ist auf eine langsame und druckbegrenzte Injektion zu achten, um das parodontale Ligament nicht unnötig zu traumatisieren.1
Reduzierter Einsatz von Adrenalin
Da die Vasokonstriktoren wesentlich häufiger zu Komplikationen führen als das Lokalanästhetikum selbst,6 sollten generell so geringe Adrenalinkonzentrationen wie möglich verwendet werden. Die konventionelle, chirurgische Therapie der Frenulumplastik mit dem Skalpell erfordert zumeist einen hochkonzentrierten Vasokonstriktorzusatz. Aufgrund der Tatsache, dass die Frenektomie mit dem CO2-Laser durchgeführt wurde, ist primär mit keiner intraoperativen Blutung zu rechnen, da durch die laserinduzierte Gewebenekrose kleinere Blutgefässe von bis zu 0,5 mm Durchmesser sofort koaguliert werden.7 Mit dem Einsatz des Lasers ist es möglich, eine kindgerechte Anästhesielösung mit geringerer Adrenalinkonzentration von 1 : 200’000 zu verwenden.1, 8 Ein weiterer Vorteil der Laseranwendung ist die sehr verlässliche Sterilisation der oberflächlichen Gewebeschichten,9 sodass fast immer auf eine Antibiotikagabe verzichtet werden kann.
Postoperative Behandlung
Zu keinem Zeitpunkt der Operation war eine Lokalanästhetika- Nachinjektion nötig, da der Pa tient keinerlei Schmerzempfindungen äusserte. Nach Abschluss der OP (Abb. 2) wurde eine Adhäsivpaste (Solcoseryl®, Meda Pharma) auf die Wundflächen aufgetragen. Neben dem Schutz der Wunde hat die Paste den Vorteil, dass sie die erneute Verklebung der Wundränder verhindert und damit die Gefahr eines Rezidivs verringert. Als postoperatives Analgetikum wurde Paracetamol rezeptiert und ein Kühlbeutel auf die Oberlippe aufgelegt. Der postoperative Verlauf war bei geringer Schwellung fast völlig schmerzfrei. Die Wunden waren nach etwa zehn Tagen völlig reepithelisiert. Das Kontrollbild nach drei Monaten (Abb. 3) zeigt ein kranial ansetzendes Lippenbändchen ohne interdentale Insertion, der Gingivaverlauf an den Zähnen 11/21 ist harmonisch und das Diastema weitgehend geschlossen.
Fazit
Der Fall zeigt, dass dieser intraorale Weichteileingriff beim Einsatz des CO2-Lasers im Oberkiefer unter Infiltrationsanästhesie mit einer relativ geringen Menge adrenalinreduziertem Articain sicher und patientenadaptiert durchgeführt werden kann. Dies entspricht in vollem Umfang dem Konzept der differenzierten Lokalanästhesie. Es ist deshalb für jeden Zahnarzt zu empfehlen, verstärkt die Vorteile verschiedener Lokalanästhetika und Vasokonstriktordosierungen zu nutzen.
Eine vollständige Literaturliste finden Sie hier.