Digitale Zahnmedizin 21.04.2011
Der aktuelle Stand der digitalen Diagnostik
Diagnostische Verfahren spielen in unserem Fach eine wesentlich größere Rolle als noch vor einigen Jahren. Dies ist zum einen im rasanten technologischen Fortschritt als auch in der veränderten Kommunikation mit dem Patienten begründet. Zur Beurteilung der beim Patienten vorliegenden Situation und Erläuterung des therapeutischen Vorgehens wird heute mehr und mehr auf die bildgebenden Verfahren zurückgegriffen.
Die digitale Bildgebung liefert bei sehr guter Bildqualität nun die Grundlage für eine bequeme Datenverwaltung, einen sicheren Datentransport und zahllose Möglichkeiten der Weiterverarbeitung. Zur digitalen Bildgebung können folgende technische Modalitäten gezählt werden.
Digitale Projektionsradiografie
Dabei werden in der Zahnheilkunde die direkt und indirekt detektierenden Systeme angewendet. Zu den direkt detektierenden Systemen werden die Speicherfolienradiografie und die röntgenstrahlenempfindlichen Festkörpersensoren gezählt. Bei der indirekten Detektion wird das Strahlenrelief vor der Aufzeichnung in Licht umgewandelt wie bei einer Vielzahl von CCD-Sensoren.
Digitale Volumentomografie
Hierbei wird eine diskrete Zahl von Durchleuchtungsaufnahmen aufgezeichnet und in einem zweiten Schritt in einen Stapel von Schichtbildern umgerechnet. Diese „primäre Rekonstruktion“ kann in unterschiedlich dicken Schichten erfolgen. Basierend auf dieser Rekonstruktion können nun wiederum Darstellungen in allen beliebigen Ebenen oder auch als dreidimensionales Objekt erstellt werden.
Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT)
Diese Techniken sind spezielle radiologische Verfahren, für die Zahnheilkunde bestehen dabei lediglich Schnittstellen. CT-Daten werden ebenso wie DVT-Daten häufig zur Planung von Implantaten eingesetzt. In der MKG-Chirurgie spielen CT-Daten bei durch Navigationsverfahren gestützten Operationen eine zentrale Rolle. Die MRT kommt bei der Frage nach pathologischen Weichteilveränderungen, Pathologien der Kiefergelenke und der Speicheldrüsen zur Anwendung.
Gemeinsam ist diesen beiden Verfahren, dass die Bilddaten in einem speziellen Datenformat (DICOM) abgelegt werden. Dieses Datenformat wird in der Zukunft vermutlich auch in der Zahnheilkunde eine immer größere Bedeutung erlangen.
Inwiefern letztere Verfahren in die Arbeit innerhalb der Praxis einbezogen werden, hängt häufig vom zahnmedizinischen Verständnis des Radiologen ab. Leider führt unser Fachgebiet in der Radiologie nur ein Stiefmütterchendasein, was daher auch frustrane Untersuchungsergebnisse und Verständigungsschwierigkeiten mit dem Radiologen zur Folge hat. Die diagnostische Radiologie wird sich als Fach in der Zukunft jedoch weiter diversifizieren, sodass eine Spezialisierung für den zahnmedizinischen Bereich beziehungsweise für die Kopf-Hals-Region eventuell auch in Deutschland einmal eine anerkannte Gebietsbezeichnung erlangen wird.
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Wechsel von konventioneller zu digitaler Bildgebung – was ist zu tun?
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, diesen Wechsel zu vollziehen:
1. Es wird eine völlig neue Panoramaröntgeneinheit beschafft. Dies ist bekanntermaßen ein recht kostenintensiver Vorgang. Jedoch bieten aktuelle Sensorsysteme, zum Beispiel von Planmeca oder Sirona, eine umfassende Programmvielfalt für die extraorale Diagnostik. Das ProMax von Planmeca ist außerdem auf eine 3-D-Option erweiterbar.
Bei der intraoralen Bildgebung kann der vorhandene Röntgenstrahler weiterverwendet werden. Eventuell müssen zusätzliche Blenden am Tubus angebracht werden, wenn auf ein Sensorsystem mit einer im Vergleich zu konventionellen Zahnfilmen kleineren aktiven Sensorfläche zurückgegriffen wird.
2. Die vorhandenen Röntgensysteme sollen weiterverwendet werden. Hier empfiehlt sich eher die Verwendung eines Speicherfoliensystems, da sich im Workflow für die Angestellten nur geringe Veränderungen ergeben. Generell kann man also konstatieren, dass Speicherfoliensysteme intraoral deutliche Vorteile gegenüber den Sensoren aufweisen. Neben dem deutlich größeren Kontrastumfang ist die intraorale Adaptation ein entscheidendes Kaufargument. Etablierte Haltersysteme können weiterverwendet werden, die Umstellung von Film auf Folie gelingt wesentlich leichter als die Einführung eines Festkörpersensors.
Allerdings ist bei der Entscheidung, ob nun digitale Bildgebung in der Praxis eingesetzt werden soll, einiges zu berücksichtigen. Speicherfolien müssen wie „rohe Eier“ behandelt werden. Die Hersteller und Lieferanten geben die Lebensdauer in Zyklen an, das heißt eine bestimmte Anzahl von Aufnahmen (beispielsweise 1.000 oder 1.500) wird bei sachgemäßem Umgang garantiert. Allerdings werden die Speicherfolien durch das Ein- und Auspacken aus der Schutzhülle und auch beim Einführen in den Scanner mechanisch beansprucht, besonders Kratzer durch Fingernägel und kleinere Einrisse an den Folienrändern lassen sich recht häufig beobachten. Dadurch wird die Lebensdauer der Folien reduziert und es müssen in höherer Frequenz neue Folien beschafft werden. Dies erhöht langfristig den kalkulierbaren Preis je Aufnahme. In diesem Jahr sind von einigen Firmen verbesserte Folien mit stärkeren Schutzschichten eingeführt worden. Nach ersten Tests (z.B. an der Universität Leuven) zeigten sich die neuen Folien bezüglich der mechanischen Belastbarkeit deutlich verbessert.
Weiterhin ist auch ein Fading der Folien zu berücksichtigen. Dieses Phänomen beschreibt einen langsamen Verlust des Signals auf der Speicherfolie nach stattgehabter Exposition. Verzögert sich also aus irgendwelchen Gründen das Auslesen der Folie, so kann ein Signalverlust eintreten. Noch problematischer gestaltet sich die Situation, wenn die Folie bereits aus der Hygiene-Hülle ausgepackt wurde. Das Einlesen der Folie sollte dann umgehend erfolgen, da bereits eine Exposition gegenüber Kunstlicht von wenigen Sekunden Dauer zu einem deutlichen Signalverlust führt.
Bei den intraoralen Sensoren ist nach wie vor die Positionierung eine Frage der Übung. Die Umstellung von Film auf Sensor fällt häufig schwer, da Sensoren im Allgemeinen unhandlicher als Filme sind. Gelingt jedoch die Etablierung dieser Technik mit den meist in Kombination angebotenen Haltersystemen, dann kann auf eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit und eine Reihe von nahezu standardisierten Bildbearbeitungsfunktionen zurückgegriffen werden. Ein Wermutstropfen bleibt: bei CCD-Sensoren vor 2004 können je nach Höhe der Belichtungsparameter in Bereichen einer absoluten Schwärzung landkartenartige Artefakte auftreten. Dieses Phänomen wird Blooming genannt (siehe Titelbild) und kann durch eine Anpassung der Belichtungsparameter umgangen werden. Die Hersteller haben ihrerseits mit entsprechenden Anti-Blooming-Vorrichtungen (anti-blooming gates) auf den CCD-Sensoren reagiert.
Wie geht es auf dem 3-D-Sektor weiter?
Nach der letzten IDS haben viele Beobachter für die dentale DVT (Abb. 1) den endgültigen Durchbruch vorhergesagt. Von einer Schwemme neu installierter Geräte kann jedoch keine Rede sein. Allerdings können moderne DVT-Geräte mit einer erheblich verbesserten Ort- und Kontrastauflösung aufwarten, derzeit lassen sich bereits 100 µm kleine Strukturen darstellen. Die Verbesserung der Auflösung muss zumindest bei Flachdetektoren mit einem gewissen Dosisbedarf erkauft werden, sodass eine Steigerung der Auflösung wohl eher kleinen Volumina vorbehalten bleibt. Am 1. März 2006 trat die neue Fachkunde-Richtlinie in Kraft, die unter anderem auch eine Fachkunde DVT vorsieht. Gefordert werden hier die Absolvierung eines achtstündigen Kurses sowie die Anfertigung bzw. Befundung von mindestens 25 Untersuchungen. Für alle zukünftigen Betreiber eines DVT-Gerätes ist dieser Kurs ein Muss, um Konflikten mit den zuständigen Behörden von vornherein aus dem Wege zu gehen.
Abb. 1 3-D-Volumen-Rendering einer dentalen DVT (Planmeca ProMax 3D), Mesiodens. Abb. 2 Arztbrief-Interface der Software IBS (On-Lab GmbH, Offenburg).
Wie sollen (Bild-)Daten in Zukunft übertragen werden?
Auch noch fast zwanzig Jahre nach Einführung der digitalen Bildgebung in die Zahnheilkunde werden Bilder ausgedruckt und in dieser Form weitergegeben. In der Röntgenverordnung wird dafür der Ausdruck auf einem transparenten Medium gefordert, was eine „Befundfähigkeit“ zur Folge haben soll. Fakt ist jedoch, dass jede Art von Ausdruck eine Reduktion des Informationsgehaltes zur Folge hat und daher digitale Bilder, wenn möglich, nicht ausgedruckt werden sollten.
Eine digitale Weitergabe sollte unter allen Umständen angestrebt werden. Dabei kann eine Übertragung auf einem beschreibbaren Datenträger (Diskette, CD-ROM) oder unter Nutzung öffentlicher Netze (Internet) erfolgen. Der Versand bzw. die Weitergabe über Datenträger gestaltet sich dabei für die versendende Einrichtung einfach, vorausgesetzt der Datenträger geht nicht verloren bzw. wird nicht unbrauchbar. Bei der Übertragung per E-Mail oder der Nutzung anderer Übertragungsprotokolle ist eine Verschlüsselung gesetzlich vorgeschrieben. Für diese Verschlüsselung werden inzwischen diverse Programme offeriert, meist basieren sie auf der Erzeugung eines Schlüsselpaares, welches zwei Kommunikationspartner nutzen. Steigt die Anzahl der Kommunikationspartner, dann steigt auch automatisch die Anzahl der benötigten Schlüsselpaare. Einerseits wird also die Kommunikation dadurch eventuell unübersichtlich, andererseits setzt dieses System ein ähnlich großes Know-how aller Kommunikationspartner voraus. Gerade letzterer Punkt darf sehr wohl angezweifelt werden. Es existieren deshalb auch Lösungen, die lediglich eine durchschnittliche Computerkenntnis erfordern und deren Verschlüsselungsroutinen im Hintergrund ablaufen. In unserer Einrichtung erprobten wir erfolgreich zusammen mit einer Reihe niedergelassener Kollegen das Integrale Befund-System (IBS) der Firma On-Lab aus Offenburg (Abb. 2). Die Oberfläche ähnelt sehr stark einem Mail-Client, jegliche Dateien können als Anhang versendet werden – die Verschlüsselung läuft im Hintergrund und unsichtbar für den Benutzer ab. Voraussetzung hierbei: alle Kommunikationspartner verwenden die gleiche Software. IBS ist bereits in Praxissoftware integrierbar, leider liegen entsprechende Schnittstellen nur für den medizinischen Bereich vor.
Fazit
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die Verbreitung der digitalen Bildgebung deutlich zugenommen hat. Sicherlich ist dies als Zeichen für das Verantwortungs- aber auch Kostenbewusstsein der deutschen Zahnärzteschaft zu werten. In allererster Linie dürften jedoch technische Aspekte als primärer Grund für einen Wechsel angegeben werden. Hier scheint sich eine Art „duales System“ als Praxislösung herauszukristallisieren: intraoraler Empfänger – Speicherfolie, extraoraler Empfänger – Sensorsystem. Die dreidimensionale Diagnostik wird sich in den nächsten Jahren zu einer entscheidenden Säule entwickeln, die Einführung von neuen Geräten sollte zu einem neuen technologischen Schub beitragen. Lösungen für Datensicherung und Datenübertragung liegen auf der Hand, ihre Umsetzung wird derzeit auch in unserer Einrichtung geprüft, entsprechende Empfehlungen wurden gerade aktuell veröffentlicht.
Autor: Priv.-Doz. Dr. Dirk Schulze