Parodontologie 28.02.2011

Die Wundheilung nach plastischer Parodontalchirurgie



Die Wundheilung nach plastischer Parodontalchirurgie

Die Dauer der Wundheilung nach plastischer Parodontalchirurgie ist für den optimalen Zeitpunkt der nachfolgenden Behandlung, z.B. prothetischer Versorgung, von Bedeutung. Umgekehrt spiegeln sich Aspekte des Eingriffs in der Heilung und damit im Resultat der Behandlung wider. 

Die Wundheilung kann durch vielerlei Faktoren beeinträchtigt werden, z.B. Rauchen, unbehandelter Diabetes mellitus, Cortisontherapie, systemische Erkrankungen und Infektionen. Eine erhebliche Behinderung der Heilung entsteht bei der Ansammlung bakterieller Plaque. Dabei kann eine adäquate Epithelheilung ganz ausbleiben (Abb. 1), eine optimale Reinigung der Zahn-/ Implantatoberflächen durch die Dentalhygienikerin in der postoperativen Phase ist daher mit entscheidend für das Ergebnis.

Heilung einer Inzision

Mittelman verfolgte in den 1950er-Jahren die Heilung einer ­Inzision in keratinisierter Gingiva. Nach 24 Stunden waren die ersten Epithelverbindungen histologisch nachzuweisen, nach drei Tagen war die 5 mm lange Inzision von Epithel verschlossen, während die Heilung des darunterliegenden Bindegewebes noch anhielt.

In einer Untersuchung menschlicher Gingivektomiewunden dauerte der epitheliale Verschluss sieben bis vierzehn Tage, während die bindegewebige Organisation nach vier Wochen noch nicht abgeschlossen war. Das heißt, die epitheliale Wunde wird mit einer Geschwindigkeit von circa 1mm pro Tag verschlossen. Daraus ergibt sich je nach Wundgröße der ideale Zeitpunkt der Nahtentfernung.


Inzisionen führen häufig zu bleibenden Einziehungen, im schlimms­ten Fall hinterbleiben Narben (Abb. 2). Kon et al. verglichen die Heilung von senkrecht geführten und abgeschrägten Inzisionen, beide endeten nach der Heilung in mehr oder weniger ausgeprägten Furchen. Die Vermeidung von solchen postoperativen Furchen oder Narben ist ein wichtiger Aspekt der plastischen Chirurgie.

Im Rahmen der plastischen ­Parodontal-/Periimplantärchirurgie wird je nach Defektmorphologie die entsprechende Methode gewählt. Die am häufigsten durchgeführte und am umfangreichsten dokumentierte Methode ist die ­koronale Verschiebung. Ein entscheidender Nachteil liegt jedoch in der notwendigen Schnittführung. Inzisionen, auch wenn sie mikrochirurgisch durchgeführt werden, unterliegen immer der Gefahr, sekundär mit Narbenbildung zu heilen (Abb. 1 und 2).

Ein Zugang zum Gewebedefekt über einen Tunnel verzichtet auf vertikale Inzisionen in der Gingiva, Inzisionen verlaufen nur intrasulkär. Die Mobilisation wird über eine subperiostale Spaltung erreicht (Abb. 3 und 4). Durch den Verzicht auf Inzisionen in der keratinisierten Gingiva läuft die Heilung deutlich angenehmer für den Patienten ab, da die Blutzufuhr und damit Ernährung sowohl für ein Transplantat als auch für die Verschiebelappen optimiert ist (Abb. 5 bis 8). Die mögliche Verschiebung der Mukogingivalgrenze nach koronal kann vernachlässigt werden, da die Verschiebung zum einen minimal ist, zum anderen eine Wiedereinstellung auf originärer Höhe aufgrund der genetischen Determination zu erwarten ist.

Heilung eines ­Verschiebelappens

In einer Tierstudie wurde die Heilung eines Verschiebelappens zur Rezessionsdeckung histologisch untersucht. In den ersten Tagen lagert sich eine Fibrinschicht auf der Wurzeloberfläche ab und bis zur dritten Woche zeigen sich einwachsende Bindegewebsfasern. Gleichzeitig kommt es zu einer apikalen Proliferation von Saum­epithel und desmodontale Fibro­blasten mehren sich auf der Wurzeloberfläche. Diese können später zu Zementoblasten differenzieren und neues Wurzelzement bilden.

Bis zur zwölften Woche ma­turiert das Gewebe, Bündel von Kollagenfasern inserieren in der Zementschicht der früher exponier­ten Wurzeloberfläche. Am Ende der Heilung ist ein epitheliales und bindegewebiges Attachment entstanden. Es bildet sich also keine ­Tasche bis auf Höhe der ursprünglichen Rezession, sondern ein epitheliales und bindegewebiges Attachment, das eher als Reparation denn als echte Regeneration betrachtet werden muss. Innerhalb dieser drei bis vier Monate sollte nicht sondiert werden. Die Heilung der Weich­gewebe nach Verschiebung läuft ­klinisch häufig unschön ab, d.h. im Voraus muss der Patient über seine eingeschränkte Gesellschaftsfähigkeit aufgeklärt werden.

Heilung eines freien ­Schleimhauttransplantats

Sullivan und Atkins untersuchten klinisch und human-histologisch die Heilung von freien Schleimhauttransplantaten. Zu Beginn wird das Transplantat per Diffusion aus dem Empfängerbett ernährt. Nach circa zwölf Stunden beginnt die Proliferation von Blutgefäßen, diese erreichen in den folgenden Tagen das Transplantat, Anastomosen entstehen. Nach circa acht Tagen ist eine adäquate Blut­zufuhr gewährleistet.

Die Verbindung von ortsstän­digem und transplantierten Bin­de­gewebe startet am vierten/fünften Tag und ist circa nach zehn ­Tagen erreicht. Eine stark blutende Empfängerstelle kann zu einem separierenden Hämatom zwischen Transplantat und Bett führen, genauso hilft die postoperative Druck­applikation, dieses zu vermeiden. Ein Hämatom beeinträchtigt die Diffusion aus den ortsständigen Geweben zum angebrachten Transplantat.

Des Weiteren ist eine Immobi­lisation des Transplantats sicher­zustellen, da die einwandernden Gefäße sonst gezerrt werden. Dies resultiert wiederum in einer Hämatombildung und Unterernährung. Im Zusammenhang mit freien Schleimhauttransplantaten wird häufig das Phänomen des „creeping attachment“ beschrieben. Dabei kommt es über Jahre zur koronalen Migration von Gingiva. Die Proliferation wird vermutlich über das Parodont angeregt.
 
Die Entnahmestelle am Gaumen heilt epithelial abhängig von der Größe der Wunde nach durchschnittlich zwei bis vier Wochen über sekundäre Wundheilung. Dabei kann die Applikation von Hämostyptika die Heilung beschleunigen. Bis die Maturation des darunterliegenden Bindegewebes abgeschlossen ist, vergehen mindestens neun Wochen. Nach drei Monaten ist die ehe­malige Wundregion wieder vollständig her­gestellt.

Heilung eines ­Bindegewebstransplantats

Die Vaskularisation und Heilung eines Bindegewebstransplantats (BGT) wurde im Tiermodell untersucht. Die ersten Tage findet eine Ernährung durch Diffusion aus den umgebenden ortsständigen Geweben statt. Am siebten Tag sind histologisch eingewanderte Gefäße innerhalb des Transplantats zu finden, d.h. der Anschluss an das Gefäßsystem hat stattgefunden. Die Gefäße sind dilatiert und gestaut, was auf eine hohe Aktivität hindeutet.

Nach vierzehn Tagen ist das Transplantat vollständig vaskula­risiert und es kann nicht mehr zwischen Transplantat und ortsständigem Gewebe unterschieden werden. In einigen Fällen zeigen sich jedoch Demarkationslinien, die auf eine nicht optimale Adaptation hinweisen. Ist dies der Fall, trennen kleine Hämatome die Gewebe. In diesen Fällen kam es klinisch zu verzögerten Heilungs-und Gewebeverlusten. Darum ist die Druck­applikation nach Abschluss der Operation entscheidend. Das Ereignis von „creeping attachment“ wurde auch bei doppelten Spalt­lappen und BGT gesehen. In 95 % der Fälle mit Rezessionsdeckung kam es zu einem zusätzlichen koronalen Wachstum mit einem durchschnittlichen zusätzlichen Gewinn von 0,8 mm.

Die Heilung der Entnahmestelle am Gaumen hängt von der Entnahmetechnik (single-incision, trap-door) ab. Während der epitheliale Wundverschluss abhängig von der Länge der Inzision ist, dauert die Heilung und Regeneration von Bindegewebe mindestens neun ­Wochen, abhängig von der entnommenen Menge. Histologisch wurde bis zu diesem Zeitpunkt eine Remodellierung der Gewebe fest­gestellt, sodass frühestens nach neun Wochen wieder Bindegewebe an derselben Stelle entnommen werden kann.

Prinzipien und klinische Relevanz

Müller und Mitarbeiter teilen in einen dicken und einen dünnen parodontalen Phänotyp ein. Diese genetische Komponente hat Einfluss auf die Wundheilung. Der dicke Gingivatypus heilt aufgrund seiner dichten Kollagenstruktur eher narbig ab, während der dünne, meist skallopierend verlaufende Gingivatyp eher mit Rezessionsbildung heilt. Aus diesem Grund muss eine bukkale Schnittführung vor allem bei dickem Phänotyp vermieden oder in nicht sichtbare Bereiche gelegt werden.

Gewebespezifität

Während der Phase der Maturation entsteht die Spezifität des Gewebes. Gewünscht ist ein keratinisiertes Epithel um Zähne und Implantate, da es ästhetisch an­sprechend wirkt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, woher die Information der Gewebe zur Verhornung kommt. Karring und Mitarbeiter kamen in einer tierexperimentellen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Information aus dem Bindegewebe stammt. Dazu wurde Mukosa als Spaltlappen und Gingiva als Spaltlappen vertauscht vernäht, also keratinisierte Gingiva auf Bindegewebe von Mukosa und umgekehrt. Nach Abschluss der Heilung bildete sich über dem ­jeweiligen Bindegewebe wieder die ursprüngliche Gewebeform zurück, also Mukosa über Mukosa­bindegewebe und keratinisierte Gingiva über Gingivabindegewebe. In einer weiteren Untersuchung wurde im Bereich der Mukosa subepitheliales Bindegewebe von keratinisierter Gingiva in einen Spalttunnel gebracht.

Nach Entfernung der Epithelschicht bildete sich keratinisierte Gingiva, es entstand eine Insel aus keratinisierter Gingiva mitten in Mukosa. Edel transplantierte ­subepitheliale Bindegewebstransplantate aus dem Gaumen, um keratinisierte Gingiva um Zähne zu schaffen. Dieses freie Bindegewebe wurde nicht von einem Lappen ­gedeckt. Es umgab freiliegend den Zahn und bildete keratinisierte Gingiva. Andererseits konnte auch durch apikale Verschiebung um Zähne und Implantate kerati­nisierte Gingiva geschaffen werden. Daher scheint die Infor­mation zur Verhornung aus dem Parodont, aus dem zugrunde­liegenden Bindegewebe und den umgebenden Wundrändern zu stammen.

Mikrochirurgie

Zur Rezessionsdeckung wurde ein makro- mit einem mikrochi­rurgischen Vorgehen verglichen. Ein mikrochirurgisches Vorgehen beinhaltet die Verwendung von Vergrößerungshilfen, Mikronähten und entsprechend filigranen Instrumenten sowie ein schonendes Handling der Gewebe, dessen Prinzipien aus der plastischen Chirurgie stammen.

Die Auswirkung auf die Heilung und ihre klinische Relevanz wurde untersucht. Dabei wurde die Vaskularisation direkt nach der Operation sowie drei und sieben Tage postoperativ verglichen. Der mikrochirurgische Ansatz zeigte dabei statistisch und klinisch relevant bessere Ergebnisse. Die Vas­kularisation der mikrochirurgischen Gruppe erreichte nach drei Tagen 53 % und nur 7,95 % in der makrochirurgischen Gruppe. Nach sieben Tagen erreichte die Mikro-Gruppe 84,8 %, die Makro-Gruppe 64 %. Die erzielte Deckung bei mikrochirurgischem Vorgehen betrug 99,4 % im Vergleich zu 90,8 % bei makrochirurgischem Vorgehen.

Gewebedicke

Die Gewebedicke und Dimension der Lappenbasis hat Einfluss auf die Ernährung. Bei Verschiebelappen und Gewebetransplantaten kommt die erste Ernährung aus der Basis und für die Transplantate aus dem darüberliegenden Lappen. Diese funktioniert umso besser, je breiter die Basis und Dicke des Lappens ist. Dadurch lässt sich leicht der erwiesene Zusammenhang zwischen Gewebedicke und erzielter Deckung im Rahmen der Rezessionsdeckung erklären.

Die Dicke des Transplantats steht in einem gewissen Konflikt von Revaskularisation und Dimensionsstabilität. Vom Standpunkt der Revaskularisation ist ein dünnes Transplantat besser, da es schneller durch das Gefäßsystem erschlossen und damit eigenständig ernährt werden kann. Vom Standpunkt der Dimensionsstabilität ist dicker sicher besser, da aufgrund der Resorption Gewebe verloren ­gehen wird.

Nach Edel beträgt die zu er­wartende Resorption für Bindegewebstransplantate 29 % nach sechs Monaten, danach scheint es stabil zu bleiben. Eine Dicke von 1,5 mm scheint für Rezessionsdeckungen ideal zu sein, für Kieferkammaufbauten werden dickere Transplantate verwendet.

Nahttechnik

Ein zu ausgeprägter Zug auf die Gewebe führt zu einer Strangulation von Gefäßen. Dadurch kommt es sowohl direkt durch die Schädigung der Gefäße als auch indirekt durch die Hämatombildung zu ­einer reduzierten Ernährung. Klinisch zeigt sich dies in Gewebe­verlusten.

Konklusion

• Aufklärung des Patienten über die Heilungsvorgänge und eingeschränkte

   Gesellschaftsfähigkeit

• wenn möglich auf (vertikale) Inzisionen verzichten, v.a. bei dickem Phänotyp
• mikrochirurgisches Konzept
• ausreichende Basis und Gewebedicke der Verschiebelappen
• Transplantate nicht auf stark blutende Empfängerbetten
• Druckapplikation direkt nach der Operation
• Immobilisation von Transplantaten
• kein Zug auf die Gewebe

• Zeitpunkt der Nahtentfernung und Wiederaufnahme der Mundhygiene entsprechend

   der Wundgröße

• Betreuung durch die Hygienikerin, um bakterielle Beläge in der Wundheilung zu

   vermeiden

• keine Sondierung nach plastischer Parodontalchirurgie in den ersten drei bis vier

   Monaten.


Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier


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