Parodontologie 01.04.2014

Lokalantibiotika: ergänzendes Hilfsmittel gegen Taschen



Lokalantibiotika: ergänzendes Hilfsmittel gegen Taschen

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Lokale Antibiotika in der Parodontologie können das klinische Ergebnis mechanischer Parodontitistherapien verbessern. Das zeigen aktuelle Studienergebnisse ebenso wie die praktische Anwendung von Präparaten in der zahnärztlichen Praxis.

Der Einsatz lokaler Antibiotika stellt ein ergänzendes Therapiemittel zur nicht chirurgischen mechanischen Parodontitistherapie dar, das vor allem im Rahmen der unterstützenden Parodontitistherapie (Recall) zur Anwendung kommt. Liegen nach Abschluss der nicht chirurgischen oder auch chirurgischen Parodontitistherapie noch persistierende pathologisch vertiefte Taschen vor (Sondierungstiefe ≥ 5 mm und Bluten nach Sondieren), ist eine Weiterbehandlung dieser Bereiche indiziert. Die mechanische Bearbeitung der Wurzeloberfläche zur Entfernung des mikrobiellen Biofilms reicht oftmals alleine nicht aus. Auch um eine chirurgische Intervention zu umgehen, kann in Fällen lokaler Resttaschen oder Rezidive eine unterstützende lokale Antibiotikatherapie sinnvoll sein. Die Vorteile lokaler Antibiotika liegen in der geringen systemischen Belastung, der kontrollierten Compliance und der hohen Wirkstoffkonzentration, die lokal erreicht werden kann. In der lokalen Therapie werden heute Chlorhexidin, Metronidazol, Minozyklin und Doxycyclin eingesetzt, die sich bei der Anwendung vor allem in Applikationsform und Wirkdauer unterscheiden.

In einem kürzlich erschienenen Review wurde die Wirksamkeit von lokalen Antibiotika/Antimikrobiotika bei der Behandlung chronischer Parodontitis untersucht (Matesanz-Pérez et al. 2013). Auf der Basis von 52 Studien kommen die Autoren zu der Schlussfolgerung, dass lokale Antibiotika/Antimikrobiotika in Kombination mit mechanischer Therapie eine signifikante klinische Wirksamkeit zeigen, insbesondere bei tiefen oder Resttaschen. Im Rahmen einer deutschlandweiten Anwenderbeobachtung (AWB) zu Ligosan® Slow Release von Heraeus Kulzer wurde getestet, ob sich die positiven Ergebnisse klinischer Wirksamkeitsstudien auch auf die Anwendung in der täglichen Praxis übertragen lassen und durch die zusätzliche lokale Gabe von Ligosan® Slow Release deutliche klinische parodontale Verbesserungen erreicht werden können. Dafür setzten über 150 Zahnärzte das Präparat in der adjuvanten Parodontitistherapie bei Patienten mit chronischer oder aggressiver Parodontitis ein. Insgesamt umfasste die Analyse 1.189 Zähne mit einer Ausgangstaschentiefe von ≥ 5 mm bei 451 Patienten. Recall-Untersuchungen fanden nach drei, sechs und zwölf Monaten statt. Dokumentiert wurden der Approximalraum-Plaque-Index (API), der Sulkus-Blutungs-Index (SBI), die Sondierungstiefe (ST), der Attachment-Loss (AL), unerwünschte Ereignisse (UE) sowie die Handhabung des Präparats.

Die Resultate: API und SBI verbesserten sich durchschnittlich um 22 Prozent bzw. 40 Prozent. Zum Baseline-Zeitpunkt betrug die durchschnittliche Sondierungstiefe 6,1 mm. Insgesamt wurde nach zwölf Monaten eine Verringerung der Sondierungstiefe um durchschnittlich 2,1 mm beobachtet. Hohe Sondierungswerte (Baseline-ST ≥ 7 mm) reduzierten sich durchschnittlich um 3,2 mm. Im Mittel kam es zu einer signifikanten Reduktion des Attachment-Loss von 1,6 mm nach zwölf Monaten im Vergleich zu Baseline (p < 0,0001). In 48,5 Prozent der Fälle konnte eine „Heilung“ der Tasche, das heißt eine Reduzierung der Sondierungstiefe auf ≤ 4 mm, erreicht werden. Die Mehrheit der teilnehmenden Zahnärzte bezeichnete die Applikation als einfach (66 Prozent) bzw. schnell (78 Prozent).

Abb. 1 und 2: Ausgangssituation: Sondierungstiefe in Regio 11 distal 7 mm, Blutung und Exsudation nach Sondierung.

Fallbericht: Erfolgreiche Parodontitistherapie

Im folgenden Fall stellte sich ein 75-jähriger Patient mit lokalisiert schwerer Parodontitis zur Therapie vor. Nach zweimaliger Vorbehandlung wurde eine nicht chirurgische Parodontitistherapie (Scaling und Wurzelglättung) aller erkrankten Parodontien unter lokaler Anästhesie durchgeführt. Bei der Reevaluation nach acht Wochen konnte ein deutlicher Rückgang der Sondierungstiefen und des Blutungsindex festgestellt werden. Resttaschen von 4 mm mit Blutung lagen noch im Oberkieferseitenzahnbereich vor. Eine weitere Resttasche von 7 mm zeigte sich im Bereich 11 distal (Abb. 1 und 2, Seite 84).

Abb. 3: Entfernung des Biofilms durch einen Airscaler (KaVo SonicSys). – Abb. 4: Applikation von Ligosan® Slow Release: Unter kontinuierlicher Gelabgabe wird der Applikatortip langsam aus der Tasche zurückgezogen.

Nachdem die mechanische Therapie nur einen Teilerfolg erzielt hatte, wurde dem Patienten ein Nachscaling aller Parodontien mit erhöhten Sondierungstiefen und in Regio 11 eine zusätzliche lokale antibiotische Therapie vorgeschlagen. Zunächst wurde der Biofilm durch einen Airscaler (KaVo SonicSys) entfernt (Abb. 3). Nach der Blutstillung wurde Ligosan® Slow Release, 14%iges Doxycyclingel, in die vertiefte Tasche appliziert. Dabei wurde wie folgt vorgegangen (Abb. 4 und 5):

  • Vorsichtiges Einführen der Applikationskanüle bis zum Boden der parodontalen Tasche. Es ist darauf zu achten, dass das gekühlt gelagerte Material rechtzeitig aus dem Kühlschrank entnommen wird, um eine optimale Viskosität zu erreichen. In den meisten Fällen kann diese Maßnahme ohne lokale Anästhesie vorgenommen werden.
  • Abgabe des Medikaments unter gleichzeitigem Zurückziehen der Kanüle bis zur vollständigen Auffüllung.
  • Entfernung der Überschüsse mit einer Kürette oder einem Wattepellet.
  • Aufklärung des Patienten, dass eine Stunde nicht gegessen, getrunken oder gespült werden sollte.

Nach drei Monaten fand eine weitere Reevaluation statt. Der Patient gab keine Beschwerden an. Das lokale Antibiotikum hatte zu keinen Nebenwirkungen geführt. Die Messung der Sondierungstiefe in Regio 11 ergab einen Wert von 4 mm, es konnte keine Blutung mehr festgestellt werden (Abb. 6). Lediglich im Oberkieferseitenzahnbereich lagen noch drei vertiefte Taschen von 4 mm mit Blutung vor. Bei diesen wurde ein weiteres Mal der Biofilm entfernt. Der Patient wurde in ein halbjährliches Recall aufgenommen.

Abb. 5: Applikation von Ligosan® Slow Release: Überschussentfernung mit feuchtem Wattepellet. – Abb. 6: Bei der Reevaluation nach drei Monaten konnte ein deutlicher Rückgang der Sondierungstiefen und des Blutungsindex festgestellt werden.

Einsatzmöglichkeiten kennen und nutzen

Lokale Antibiotika können das klinische Ergebnis mechanischer Parodontitistherapie verbessern. Der Einsatz ist insbesondere in der unterstützenden Parodontitistherapie bei Patienten sinnvoll, die nach abgeschlossener Parodontitistherapie noch persistierende Resttaschen (Sondierungstiefe ≥ 5 mm und Bluten nach Sondieren) aufweisen.

Literatur

Matesanz-Pérez P., Garcia-Gargallo M., Figuero E., Bascones-Martinez A., Sanz M., Herrera D.: A systematic review on the effects of local antimicrobials as adjuncts to subgingival debridement, compared with subgingival debridement alone, in the treatment of chronic periodontitis. Journal of Clinical Periodontology. 2013, March; 40(3): 227–41. doi: 10. 1111/jcpe. 12026. Epub 2013 January 16.

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