Zahntechnik 21.02.2011

125 Jahre Dentaurum



125 Jahre Dentaurum

Im Interview mit der ZT Zahntechnik Zeitung gibt der Dentaurum-Geschäftsführer, Mark Stephen Pace, Einblicke in die für die Dentalbranche einzigartige 125-jährige Firmengeschichte und erläutert, wie das Unternehmen für die Zukunft gerüstet ist, und warum nicht jeder Trend mitgemacht wird.

ZT: Herr Pace, Dentaurum ist das älteste inhabergeführte Dentalunternehmen der Welt. Es gehört zu den Führenden in dieser Branche. 125 Jahre – herzlichen Glückwunsch!

Vielen Dank.

ZT: Welche Bedeutung spielt diese Firmengeschichte, die ja gleichzeitig eine Familiengeschichte ist, für Sie persönlich und für das Unternehmen im Ganzen?

Sie sehen schon anhand der wechselhaften Firmengeschichte aus den Anfängen, dass die immer wieder auftretende Konstante die Familie war. Ohne dieses familiäre Interesse, das Unternehmen trotz aller widrigen Bedingungen und Rückschläge vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterzuführen, hätte es die Dentaurum-Gruppe in dieser Form, wie es sie heute gibt, wahrscheinlich nicht gegeben. Das prägt und bedeutet gleichzeitig eine besondere Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und unseren Mitarbeitern.

ZT: Können Sie uns ein paar Einzelheiten über diese für die Dentalbranche einzigartige Unternehmenshistorie nennen?

Das Prädikat „ältestes unabhängiges Dentalunternehmen der Welt“ ist schwer zu verdienen. Dahinter steckt eine Firmengeschichte voller Wendungen, Erfolge, aber auch schwierigen Zeiten. Von 1908 bis heute ist die Firma in Familienhand – seither inhabergeführt. Leider sind die meisten Zeugnisse und Urkunden aus den frühen Jahren, die belegen, was zwischen dem Tod von Arnold Biber 1902 und dem Erwerb des Unternehmens durch Dr. Fritz Winkelstroeter 1908 passiert ist, im Krieg verloren gegangen.

ZT: Dr. Fritz Winkelstroeter spielt eine herausragende Rolle für die Anfänge von Dentaurum. Was wissen Sie über ihn?

Dr. Fritz Winkelstroeter war ein erfolgreicher Ingenieur, ein intelligenter und erfinderischer Mensch, der die Expansion stark vorangetrieben hat. Zeitweise waren bis zu 3.000 Mitarbeiter unter ihm beschäftigt. Dr. Fritz Winkelstroeter war ein sehr umtriebiger und abenteuerlustiger Mensch, der die Möglichkeiten seiner Zeit voll ausschöpfte. Er war auf Safari in Afrika und hat im sogenannten Wilden Westen Amerikas Buffalo Bill kennengelernt. Er hatte sogar eine Kutsche mit sechs weißen Pferden. Er war ein Lebemann, aber auch erfolgreich im Geschäft, er hat das Unternehmen groß gemacht. Durch die Weltwirtschaftskrise 1929 kam es zur Teilfusion mit der Firma Ritter. 1934 war durch den Geldwertverfall letztlich fast alles zerstört. Die Schwiegertochter Liselotte Winkelstroeter hat dann mit der finanziellen Unterstützung ihrer Mutter die restlichen Anteile aufgekauft und zusammen mit Hans-Peter Winkelstroeter, dem Sohn von Fritz Winkelstroeter, das Unternehmen neu aufgebaut. Im Zweiten Weltkrieg gingen dann alle Produktionsanlagen abermals verloren. Pforzheim war ja wie einige andere Städte komplett zerbombt. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste von vorne begonnen werden. Heute hat die Dentaurum-Gruppe ca. 650 Mitarbeiter weltweit.

ZT: Ihr Unternehmen ist in zahlreichen Ländern vertreten, Sie stehen im internationalen Wettbewerb, dennoch setzen Sie auf „made in Germany?“. Wie kommt das?


Als ältestes Dentalunternehmen der Welt haben wir Erfahrung in der Entwicklung, Fertigung und Vermarktung von hochwertigen Dentalprodukten. Unseren Markterfolg verdanken wir der konsequenten Umsetzung von Kunden- und Markterfordernissen. Wir wollen unsere Position im Markt und unsere Wettbewerbsfähigkeit festigen und weiter ausbauen. Deshalb verpflichten wir uns zur ständigen Weiterentwicklung des Unternehmens und einer kontinuierlichen Verbesserung der Qualität unserer Prozesse und Produkte. Mit unseren Fachleuten vor Ort, der Logistik und Innovationsfreude der Mitarbeiter und Kunden haben wir einen optimalen Standort. So etwas können Sie nicht alles auf andere Länder übertragen. Dahinter stecken gewachsene, aber sich immer auch neu ausrichtende, innovationsfähige Strukturen. Dennoch: Die Dentaurum-Gruppe entwickelt, produziert und vertreibt weltweit Produkte für Zahnärzte und Zahntechniker. Die Vielfalt an Produkten für die Zahntechnik, Kieferorthopädie und Implantologie ist in der dentalen Welt einzigartig. Dies und die weit überdurchschnittliche Zuverlässigkeit und Qualität sowie die großen Investitionen in innovative Technologien wird die führende Position von Dentaurum im globalen Wettbewerb weiterhin festigen. Ebenso wird die überdurchschnittliche Kundenorientierung in Zukunft ein noch wichtigerer Baustein unseres Erfolges sein.

ZT: Der deutsche Mittelstand ist ein internationaler Mythos, den auch Sie leben und um den uns viele Länder beneiden. Im Zuge der Wirtschaftskrise wurde einmal mehr deutlich, dass der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaft ist. Worin drückt sich Ihre Unternehmenskultur aus?

Die Geschichte und Zukunft der Dentaurum-Gruppe gründen sich auf unternehmerische Weitsicht und langfristige Handlungsperspektiven. Wir wollen den Unternehmenswert nachhaltig steigern, um kontinuierliches Wachstum zu ermöglichen und Gewinn erwirtschaften zu können. Die Zusammenarbeit innerhalb unseres Unternehmens sowie mit externen Partnern, Kunden und Lieferanten basiert auf den Prinzipien der Ethik, Gleichbehandlung, Toleranz und des respektvollen Umgangs im täglichen Miteinander.

Als Familienunternehmen tragen wir eine selbstverständliche Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Dazu gehöre auch ein Ressourcen schonender Umgang mit der Umwelt, was ja gleichzeitig immer auch wichtige technologische Neuerungen bedeutet. Und diese Innovationskraft ist Teil der wirtschaftlichen Sicherung unseres Unternehmens. Auf diese Weise kann der Generationenvertrag erfüllt werden.

Ob Zahntechnik, Implantologie oder Kieferorthopädie – ihre Produktpalette ist beeindruckend groß und umfasst ein breites Spektrum moderner Zahnmedizin. Wir sind sehr stolz darauf, ein solch breites Spektrum zu bedienen. Vielfach können Synergien sinnvoll eingesetzt werden. Auf der anderen Seite muss man jedoch auch abwägen, ob es sinnvoll ist, alles anzubieten.

ZT: In der Zahntechnik sind Sie breit aufgestellt: Einbettmassen, Legierungen, Keramiken, Fräsen, Gusstechnik, Oberflächenbearbeitung etc. Worin sehen Sie die zahntechnischen Trends der Zukunft und wie positionieren Sie sich diesbezüglich?

Dentaurum sieht den Trend in der Zahntechnik einerseits besonders hin zum Einsatz kostengünstiger Versorgungen für den Patienten, andererseits aber auch zum Einsatz von Hightech-Werkstoffen wie Zirkoniumdioxid. Als traditioneller Werkstofflieferant von hoch biokompatiblen Werkstoffen wie Titan oder Superlegierungen aus CoCr wird Dentaurum diese Werkstoffe auch künftig für alle Verarbeitungstechnologien zur Verfügung stellen. Dies bedeutet für den Kunden einerseits Sicherheit, um auf langzeiterprobte Legierungen zurückgreifen zu können. Andererseits setzen wir nicht nur auf traditionelle Gießtechnik, sondern auch auf die neuen Fertigungsverfahren mit CAD/CAM – dies sowohl mit Frässcheiben als auch mit feinstem Pulver für das Laserschmelzverfahren. Auf metallische Werkstoffe werden prothetische Versorgungen noch lange nicht verzichten können.

ZT: Setzen Sie die Labore nicht mit Ihrem umfangreichen Angebot stark unter Druck?

Dentaurum will nicht in Konkurrenz zu unseren Kunden treten. Wir wollen aber dem Zahntechniker alle Hilfestellungen geben, um selbst innerhalb seiner Laborstruktur die besten und sichersten Alternativen zu finden. Auch aus diesem Grunde hat Dentaurum nicht vergessen, dass immer noch Verbesserungen in konventionellen Techniken möglich sind. Ein Beweis hierfür sind die jüngsten Entwicklungen bei Einbettmassen speziell für die Teleskoptechnik mit edelmetallfreien Legierungen mit rema® TT oder auch im universellen Bereich mit rema® CC. Der Ästhetikbereich wird mit keramischen Verblendmaterialien auch in Zukunft auf modernster Ebene abgedeckt. Hierbei wird eine Harmonisierung angestrebt, die dem Zahntechniker die Arbeit erleichtert, ohne sich bei ästhetischen Gesichtspunkten einschränken zu müssen.

ZT: NEM-Legierungen bieten sich schon länger als Alternative zu Keramik und Gold an. In welchem Maße haben NEM-Legierungen das Geschäft mit Edelmetallen verändert, vor allem in Deutschland?

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Goldknappheit. Da entstanden die ersten Nicht-Edelmetall-Legierungen aus Remanit. Bis heute sind die NEM-Legierungen ein wichtiger Produktpfeiler unseres Unternehmens. Wir produzieren ungefähr 35 Tonnen NEM-Legierungen im Jahr. Diese Legierungen besitzen ca. ein Viertel des spezifischen Gewichtes von zum Beispiel Gold. Würde man das auf den Goldbedarf umrechnen, ersetzten NEM-Legierungen ca. 120 Tonnen Edelmetalllegierungen im Jahr. Der Anteil für Deutschland liegt ungefähr bei der Hälfte. Vor einigen Jahren wurden noch Goldlegierungen im Wert von ca. 600 Millionen Euro allein in Deutschland eingesetzt.

Diesen Bedarf hätte man mit NEM-Legierungen im Wert von ca. 16 Millionen Euro ersetzen können. Volkswirtschaftlich gesehen sind die Geschäfte mit NEM unbedeutend. Heutzutage kostet ein Kilo Gold ca. 30.000 Euro, ein Kilo NEM ca. 300 Euro. Gold ist als Zahnersatzmaterial durch NEM und Zirkon abgelöst worden. Letztere sind die Materialien der Zukunft. Wobei Kobalt-Chrom stark im Kommen ist, vor allem wenn es um die CAD/ CAM-Fertigung geht.

ZT: In Kürze stehen zwei wichtige Ereignisse innerhalb der Dentalbranche an – die Gemeinschaftstagung der Deutschen Zahnmedizin im November in Frankfurt am Main sowie die IDS im Frühjahr in Köln. Können Ihre Kunden mit weiteren Produktneuheiten zu diesen Events rechnen?

Sie werden verstehen, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch sehr ungern über ungelegte Eier sprechen. Dentaurum wird aber sicherlich einiges Neues für den Zahntechniker darstellen können, sowohl im konventionellen Bereich der Gusstechnik als auch bei den ästhetischen Materialien sowie den neuen Fertigungsverfahren.

Aufgrund unseres 125-jährigem Firmenjubiläums werden wir unsere Traditionen nicht vergessen, aber auch die Weichen für die Zukunft stellen. Es sind hier nicht die Produkte allein zu sehen, der Service rund um die große Anzahl an Produkten wird ganz groß geschrieben.

Herr Pace, vielen Dank für das Gespräch.

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