Branchenmeldungen 05.03.2011
Artikel 19 MepV - Gute Praxis oder Paragraphenreiterei?
Normen und Leitfäden sind keine Gesetze. Aber wer sich nicht daran hält, hat das Nachsehen.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre wiederaufbereiteten Medizinprodukte steril sind, verhält sich proportional dazu, wie viel Sie über Sterilität wissen“. Mit diesem Satz schloss Markus Weiss, Inspektor in der Abteilung für Medizinprodukte bei der Swissmedic seinen Vortrag. Eingeladen hatte PD Dr. Till Mutzbauer zu einem Seminar „Update Hygiene – Desinfektion, Reinigung und Sterilisation in der zahnärztlichen Praxis“ ins Hotel Sedartis, Thalwil.
Über die praktische Umsetzung in der Praxis sprachen Daniel Badstuber, Geschäftsführer von W&H und Hygienespezialist sowie Matthias Stadler, Geschäftsführer von Martin Engineering, der die Schnittstelle zur Praxissoftware darstellte.
Pragmatischer Ansatz in der Schweiz
Die Diskussion um Artikel 19 der Medizinprodukteverordnung (MepV) bezüglich der Anforderungen an die Wiederaufbereitung ist in vollem Gang. „Schade“, so der Vertreter der Swissmedic, „dass dieses Thema oft als Paragraphenreiterei empfunden wird“. Dabei bietet der Leitfaden „Gute Praxis zur Aufbereitung von Medizinprodukten in Arzt- und Zahnarztpraxen, Empfehlungen 2010“ einen pragmatischen Ansatz. Er betonte auch: Normen und Leitfäden sind keine Gesetze. Wer diese jedoch nicht anwendet, muss belegen können, dass die Arbeitsweise den Stand von Technik und Wissenschaft berücksichtigt, und dass die gesetzlich geforderten Sicherheitsziele im gleichen Ausmass erfüllt sind. Ziel des Leitfadens ist das Erlangen und Erhalten grösstmöglicher Sicherheit für Patienten, Anwender und Prozesse. Wer sich danach richtet, erfüllt die gesetzlichen Anforderungen und setzt die qualitätssichernden Massnahmen um. Der Leitfaden eignet sich auch sehr gut für die Schulung und Fortbildung und ist den drei Landessprachen d/f/i erhältlich.
Anschaulich und auch für Nichtjuristen nachvollziehbar erklärte der Referent die Regularien und praktische Umsetzung der Aufbereitung von Medizinprodukten. Was sind überhaupt Medizinprodukte? Per Definition sind dies Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe, die der Hersteller zur Anwendung beim Menschen bestimmt hat und deren Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper nicht durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Mittel erreicht, deren Wirkungseise durch solche Mittel aber unterstützt wird. Die physikalische Wirkung ist das Hauptkriterium.
Wie so oft – billig ist am Ende teuer
Bevor Sie ein Medizinprodukt wie zum Beispiel einen Sterilisator kaufen, sollten Sie darauf achten ob es das Konformitätszeichen (CE-Kennzeichnung) trägt. Ein Sterilisator muss ausserdem der Norm SN EN 13060 entsprechen, was bei Geräten ab 2004 normalerweise der Fall ist. Das CE-Kennzeichen allein ist jedoch noch kein Qualitätssiegel. Zum sicheren Betrieb, gehört die regelmässige Validierung. Bei typengleichen Kleinsterilisatoren kommt das alternative Validierungsverfahren zur Anwendung. Voraussetzung ist der Nachweis des Herstellers, dass die Sterilisationsprogramme für ausgewählte Referenzbeladungen geeignet und äquivalent zu den im Routinebetrieb vorgesehenen Praxis-Beladungen sind.
Wer eventuelle Probleme vermeiden will, kauft nur bei einem anerkannten Hersteller, der die geforderten Kennzeichnungen und Validierungsprozesse gewährleisten kann. Billigimporte und mögen sie noch so verlockend sein, lohnen sich nie, denn verantwortlich für die Sicherheit der Prozesse ist und bleibt der Praxisinhaber. Unabdingbar ist die Ausbildung des Personals um das Gerät sicher anzuwenden.
Informieren und dokumentieren
Was gehört zu einem sicheren Betrieb? Das Sterilisationsdossier spielt hier eine zentrale Rolle. Und das sind die Anforderungen: Datum und Chargen-Nummer des Sterilisationszyklus, Beladungsliste, Aufzeichnung des Sterilisationszyklus, Ergebnis der durchgeführten Kontrollen und das unterzeichnete Dokument der Chargenfreigabe. Der Referent empfahl auch dringend zu prüfen: Sind alle Leitfäden und Wegleitungen in der Praxis vorhanden, werden diese Hilfsmittel auch verstanden und sind im Notfall die Auskunftsstellen bekannt? Alle Informationen dazu finden Sie auf der Swissmedic-Homepage. Ein Besuch lohnt sich.
Die lebhafte Diskussion zeigte, dass zwischen Theorie und Praxis Lücken klaffen. Zum Beispiel die Frage, wo genau liegt der Unterschied zwischen kritischen und semikritischen Instrumenten, die nicht maschinell aufbereitet werden müssen? Hat man Kontrollen durch den Kanton zu gewärtigen? Sind Sanktionen zu erwarten? Was kostet die Validierung?
Der Steri ist keine Waschmaschine
Nach der Pause und einer „Zwischenverpflegung“ ging W&H Geschäftsführer Daniel Badstuber auf die Praxis ein und erläuterte auch anhand eines Lisa-Sterilisators die Elemente eines Gerätes „neuster Stand“. Der Hygienespezialist sieht tagtäglich wo in der Praxis noch Defizite herrschen, was man alles falsch machen kann und wo Schulungsbedarf besteht. Einer seiner Kernsätze: „Der Steri ist keine Waschmaschine!“. Nur absolut saubere Instrumente dürfen geladen werden. Zum Beispiel werden Schmutzrückstände durch den Sterilisierungsprozess nicht entfernt sondern lediglich „sterilisiert“ und eingebrannt. Für die Instrumente bedeutet der Prozess auch Stress, darum lohnt es sich auch, beim Kauf von Instrumenten auf Qualität zu achten. Billig-Instrumente werden recht schnell unansehnlich. Damit der Prozess auch wirklich der Norm entspricht, darf die Kammer nicht „vollgestopft“ werden. Lieber einen Zyklus mehr pro Tag laufen lassen und ein zuverlässiges Ergebnis dokumentieren können. Dies dient der Sicherheit und der Lebensdauer der Instrumente und des Sterilisators. Auf keinen Fall dürfen Zyklen abgebrochen werden. Daniel Badstuber erklärte die verschiedenen Programme und die Rückverfolgbarkeit der Chargen mittels des Bordrechners, der den ganzen Prozess steuert und dokumentiert.
Regelmässig Prozesse überprüfen
Um sicher zu sein, dass das Gerät einwandfrei arbeitet und die Charge steril ist, sollte einmal täglich ein Dampfdurchdringungstest durchgeführt werden. Einfach den Prüfling mit zur Ladung geben. Eine Thema war auch der Helix-Test, eine Spindel mit einem Schlauch von 1,5 Millimeter Durchmesser und 1,5 Meter Länge, durch der Dampf hindurch muss.
Zum Schluss erklärte Matthias Stadler, von Martin Engineering, die Schnittstellen zwischen Bordrechner und Praxissoftware zur Dokumentation mit dem Barcode-Leser. Damit lassen sich die Daten zur Sterilisation rückverfolgen und dem Patientendossier zuordnen.
Eines steht danach fest. Die geforderten Massnahmen bedeuten für die meisten Praxen unvermeidbare Anpassungen und nicht zuletzt einen finanziellen und personellen Mehraufwand. Doch ist die Einhaltung der Normen unabdingbar, will man im Schadenfall keine schwerwiegenden Restriktionen auferlegt bekommen. Die Frage an den Swissmedic Vertreter lautete auch: Wird das Prozedere kontrolliert? Die Verantwortung dafür obliegt den Kantonen. Und wie in anderen Fällen auch, wird die Verantwortung durch die Kantone unterschiedlich wahrgenommen. Doch das sollte kein Kriterium dafür sein, sich im Interesse der Sicherheit für Patient, Mitarbeiter und Zahnarzt nicht an die Leitlinien zu halten.
Informationen:
W&H CH AG
8610 Uster
Tel. 043 497 84 84
info.ch@wh.com
www.wh.com
www.swissmedic.ch
PDF zum Runterladen: Medizinprodukte - Berufliche Anwender und Spitäler - Sterilisation in Praxen
Fotos: Johannes Eschmann, Dental Tribune