Branchenmeldungen 30.11.2023
Patricia Strimb: „Ästhetik muss Harmonie ausstrahlen“
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Mit gerade einmal 22 Jahren sicherte sich Patricia Strimb aus Augsburg im Oktober den ersten Platz beim internationalen Panthera Master Cup – eine weitere von bereits einigen Auszeichnungen, die die seit Februar 2023 ausgelernte Zahntechnikerin ihrem außerordentlichen handwerklichen Können zu verdanken hat. Wir sprachen mit ihr über Motivation, Support und besondere Herausforderungen – sowohl im Laboralltag als auch bei Wettbewerben.
Warum hast du dich für das Zahntechniker- Handwerk entschieden?
Ich war schon immer auf der Suche nach einem kreativen und abwechslungsreichen Job, der auch handwerkliche Fähigkeiten erfordert, aber bis vor etwa vier Jahren kannte ich den Beruf des Zahntechnikers noch gar nicht. Erst dank Lukas Wichnalek (Zahntechniker) und Norbert Wichnalek (mein Chef und Kollege) erfuhr ich von diesem Beruf und fand ihn bereits während meines ersten Praktikums faszinierend. Es schien genau der Beruf zu sein, nach dem ich gesucht hatte. Mit der Zeit tauchte ich immer tiefer in die Welt der Zahntechnik ein und werde nach wie vor ständig von deren Vielseitigkeit überrascht. Ich hatte das Glück bei Highfield.Design – Zahntechnik Wichnalek, einem weltweit vernetzten Labor, zu lernen, in dem ich jetzt auch weiterhin tätig bin. Somit konnte ich viele talentierte Menschen, national und international, aus der Branche kennenlernen, die die Leidenschaft für diesen Beruf mit mir teilen. Jeden Tag bin ich erstaunt darüber, wie viel Neues ich lernen kann, welche Techniken es gibt, um Zahnersatz herzustellen, und wie schnell sich die Digitalisierung, so wie in anderen Branchen auch, in der Zahntechnik stets weiterentwickelt.
Du konntest dir bereits einige Nominierungen und Preise sichern, u. a. bist du als Azubi im 3. Lehrjahr als Siegerin des Kuraray NoritakeAwards 2022/23 hervorgegangen. Jetzt konntest du unter mehreren 100 Teilnehmenden den prestigeträchtigen Panthera Master Cup für dich entscheiden – herzlichen Glückwunsch!
Danke! Ich bin stolz darauf, all diese Erfolge während meiner Ausbildung beziehungsweise kurz danach erreicht zu haben. Ich hatte das große Glück, auf die volle Unterstützung von meinem Chef, Norbert Wichnalek, und meiner Kollegen aus dem Dentallabor Highfield. Design zählen zu können. Meine Motivation und meine Fähigkeiten wurden in diesem Labor erkannt und ernstgenommen, sodass ich jederzeit Unterstützung bekam. Leider ist solch ein Support anderswo keineswegs selbstverständlich, und ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändern wird. Mein Labor hat viel Zeit und Mühe investiert, um mich an diesen Punkt zu bringen.
Apropos Support aus den eigenen Reihen: Welche konkrete Unterstützung hast du erhalten?
Meine Kollegen haben sich sowohl während meiner Ausbildung als auch jetzt stets Zeit genommen, um mir neue Fähigkeiten beizubringen und alles ausführlich zu erklären. Norbert Wichnalek hat sich engagiert darum gekümmert, uns durch verschiedene Kurse und Fortbildungen weiterzuentwickeln. Die Unterstützung, die ich von verschiedenen Seiten erhalten habe, ist von unschätzbarem Wert. Dieses Vertrauen von Arbeitskollegen und Vorgesetzten ist entscheidend, um das volle Potenzial entfalten zu können.
Woher stammte deine Motivation, an den Wettbewerben teilzunehmen?
Meine Motivation stammt allein aus meiner Leidenschaft und meinem Interesse für diesen Beruf. Er bietet alles, was ich mir gewünscht habe, und noch mehr. Selbst an stressigen Tagen kann ich meine Motivation schnell wiederfinden, weil ich einfach liebe, was ich tue.
Was war das Besondere beim Panthera Dental Master Cup?
Den Panthera Master Cup selbst habe ich erst zu Beginn dieses Jahres kennengelernt, als ich als Teil meines Preises vom Kuraray-Noritake-Wettbewerb die IDS besuchte. Am Stand von Panthera Dental fand ich den Wettbewerb interessant und herausfordernd. Also entschied ich mich, sozusagen in letzter Minute, die Chance wahrzunehmen, und habe meine Bewerbung gerade noch am Stichtag abgegeben. Aus etwa 400 Bewerbungen war meine dann unter den zehn Teilnehmern, die in die nächste Runde durften.
Ab da wurde es ernst – und ich wusste, dass ich mein Bestes geben würde, unabhängig von den Schwierigkeiten. Schon zu Beginn meiner Ausbildung bei Highfield.Design hörte ich immer wieder, dass es in der Zahntechnik keine „schwierigen Arbeiten“ gibt, nur besondere Herausforderungen. Somit war ich auch für diese neue Aufgabe mental gut gewappnet. Der Wettbewerb hat sich als lohnend erwiesen, und ich bin stolz darauf, ihn dank meiner Eigendisziplin, einer hohen Motivation sowie guter Projektplanung gewonnen zu haben! Bei unserer täglichen Laborarbeit gehört die Fotdokumentation automatisch dazu – auch das hat mir sehr weitergeholfen, da neben der Wettbewerbsarbeit auch eine Foto- dokumentation abgegeben werden musste. Die größte Herausforderung bestand für mich darin, gleich nach Erhalt der Wettbewerbsaufgaben einen detaillierten Arbeitsplan zu erstellen. Das ist vergleichbar mit einem Drehbuch in der Filmbranche, bei dem alles detailliert beschrieben ist, was und wie es zu machen ist. Also nicht einfach loslegen und mal sehen, was rauskommt (lacht).
Entsprechend der Wettbewerbsaufgabenstellung galt es, die Funktion korrekt umzusetzen, aber dabei auch die Ästhetik nicht aus den Augen zu verlieren. Während sich die Funktion teilweise nachmessen lässt, ist die Ästhetik im Gegenzug eher subjektiv. Ästhetik muss Harmonie ausstrahlen. In unserer zahntechnischen Arbeit ist die Harmonie zwischen Funktion und Ästhetik entscheidend, und das ist eine der Grundphilosophien in unserem Labor. Unser Labormotto lautet: Die Natur funktioniert als Ganzes und weiß nichts von unseren willkürlichen, wissenschaftlichen Einteilungen in unterschiedliche Fachdisziplinen.
Im Rahmen deiner vorherigen Teilnahme beim VITA EXCELLENCE AWARD hast du deine Mutter totalprothetisch neu versorgt. Wie bist du dabei vorgegangen?
Die besondere Herausforderung bestand darin, analoge und digitale Zahntechnik zu kombinieren. Dabei habe ich eine digital angefertigte Basis mit analogen Kunststoffzähnen verwendet. Es erforderte Zeit und einiges Experimentieren, um herauszufinden, wie man beide Technologien effektiv kombinieren kann, um ein sinnvolles und reproduzierbares Ergebnis zu erzielen. Mit dem Resultat ist meine Mama mehr als zufrieden!
Wie meisterst du den hektischen Laboralltag?
Stressige Situationen treten in der Arbeitswelt immer wieder auf. Ich finde es wichtig, dass man diesen Stress weder an anderen auslässt noch ihn in sich selbst hineinfrisst. Es ist entscheidend, Stressmomente als vorübergehend anzusehen, die kommen und gehen. Daher versuche ich, in solchen Momenten einen klaren Kopf zu behalten und die Aufgaben nacheinander anzugehen. Hektik führt selten zu guten Ergebnissen und birgt das Risiko von Fehlern. Es ist auch hilfreich, ein starkes Team zu haben, das sich gegenseitig unterstützt und den Geist des „wir sind zusammen darin“ pflegt. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich ausschließlich auf andere verlassen sollte. Jeder muss selbst reflektieren und überlegen, wie er seine eigenen Reaktionen und Herangehensweisen verbessern kann.
Das Thema Fachkräftemangel ist in aller Munde, auch das Zahntechniker-Handwerk ist betroffen. Welche Maßnahmen könnten deiner Meinung nach Verbesserungen bringen?
Optimierungsmöglichkeiten wären meines Erachtens, so viel wie möglich digital zu arbeiten –unabhängig von Talent oder Tagesverfassung eines Zahntechnikers – und bestimmte Bereiche zu automatisieren sowie eventuell bestimmte Arbeitsbereiche komplett outzusourcen. Ein großer Schritt in diese Richtung ist auch das monolithische Arbeiten. Verblendungen gibts in unserem Labor nur noch in sichtbaren Bereichen, wo wir Non-Funktionsfenster von max. 0,3 mm für die individuelle manuelle Oberflächenveredelung zur Verfügung haben. Wir nennen das in unserem Labor seit Jahren Surface-Ennobling. Alles andere ist immer monolithisch und somit reproduzierbar. Die Industrie bietet uns immer mehr naturidentische Materialien, die in Puncto Farbe und mechanischen Eigenschaften der Natur immer näher kommen. Getreu dem Motto: Die Farbe ist schon im Block.
Digitalisierte Arbeitsabläufe, künstliche Intelligenz, veränderte Auftragslage für Labore: Wie wird sich die Arbeit des Zahntechnikers verändern und wie gehst du persönlich damit um?
Ich hoffe, dass die KI neben der schon fortschreitenden Digitalisierung bald auch in unserer Branche Einzug findet. Da KI selbstlernend ist, muss man nur genügend Daten zu Verfügung stellen, um daraus sinnvoll, effektiv und produktiv etwas entstehen zu lassen. In unserem Arbeitsalltag wäre unsere Vision von KI wie folgt: Eingescannte Arbeiten werden sofort von der KI analysiert und es entsteht gleichzeitig ein fertiger prothetischer Konstruktionsvorschlag, den wir als Fachleute annehmen oder nur minimalst verändern müssten. Alles andere wäre dann eine Sache der Logistik und Automatisierung, diese Konstruktionsdaten in Zahnersatz umzusetzen. Den letzten Schliff, die eventuelle Oberflächenveredelung, wäre dann so etwas wie die persönliche Unterschrift des Zahntechnikers. Das wären nur so ein paar Ideen und Visionen, wie es sich positiv entwickeln könnte. Somit hätten wir mehr Zeit für persönliche Beratungen und den sozialen Umgang mit den Patienten, denn schließlich versorgen wir Menschen. Viele Handwerksberufe haben sich durch Digitalisierung und KI teilweise komplett verändert und weiterentwickelt oder es sind neue Berufsbilder entstanden. Das Schlechteste wäre, an dem traditionellen Zahntechniker-Handwerk, wie es einmal war, stur festzuhalten, denn wie schon ein Zitat von Charles Darwin besagt: „Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.“ In diesem Sinne: Begrüßen wir den Wandel!
Vielen Dank für das Gespräch!
Dieser Beitrag ist in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.