Branchenmeldungen 22.02.2022
Ausbildung verstärken und die Zukunft der Zahnmedizin sichern
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Die Portale sind voll mit Stellenanzeigen für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFAs) und (fast) jede Praxisleitung klagt darüber, dass sie mehr Patienten versorgen könnte, wenn sie denn mehr Personal hätte. Oft taucht der Begriff Fachkräftemangel in Gesprächen zu diesem Thema auf und manch eine Praxisleitung sieht sich dem Ganzen ausgeliefert. Geht das auch anders? Gibt es Alternativen? Der nachfolgende Beitrag soll die große Wichtigkeit einer qualifizierten Ausbildung hervorheben.
Das Zauberwort für eine gesicherte Zukunft in der Zahnmedizin heißt Ausbildung. Da kann jeder von uns einiges dazu beitragen. Schauen wir uns zunächst einmal an, welche Situation derzeit besteht. Ausbildungsverträge, gute Tendenzen bei Abschlüssen: Die Zahlen der Ausbildungsverträge für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFAs) sind 2021 erfreulicherweise wieder gestiegen, aber nur gegenüber 2020.1 Im ersten Coronajahr sind es oft die Azubis gewesen, die gehen mussten.
Nun haben in 2021 wieder 14.221 junge Menschen den Einstieg in die Welt der Zahnmedizin gewagt.1 Klingt beeindruckend? Leider ist das gerade einmal das Niveau von 2018. Positiv ist allerdings, dass die vielen Bemühungen der Kammern an Öffentlichkeitsarbeit in den letzten Jahren offenbar Erfolg haben, denn die Zahlen steigen seit 2006 (11.332 Verträge) kontinuierlich an.1 Auch gehört der ZFA-Beruf seit Jahren zu den beliebtesten Ausbildungsberufen.1
Mit der Realität kommt der Wandel
Das klingt doch erst mal alles ziemlich gut. Die Wende kommt aber in der Ausbildung selbst: Leider beenden bei Weitem nicht alle diese jungen Menschen ihre Ausbildung. So waren es in 2018 gerade mal 8.283 bestandene Abschlussprüfungen bundesweit. Dabei haben aber ca. 14.000 angefangen.2 Ja, die Differenz ist bittere Realität. Wir verlieren jedes Jahr ca. ein Drittel an Auszubildenden. Einige wechseln zwar die Praxis, aber die meisten verlassen uns für immer. Eine ungemein traurige Tatsache, da kann nur noch die (Un-)Attraktivität des Berufs des Kochs mithalten.
Nach der Ausbildung geht es leider oft nicht weiter
Können wir denn nun wenigstens die 8.200 halten? Ich würde gerne sagen ja, aber die Realität ist auch an diesem Punkt nur schwer zu ertragen. Es gibt Abschlussklassen, wo ein Viertel die Branche verlässt. Meist gehen diese jungen Menschen in die Industrie oder den Einzelhandel.
Ausblick: Die Bayboomer gehen als Angestellte und kommen als Patienten
In den nächsten Jahren wird sich die Lage auf dem gesamten Arbeitsmarkt noch weiter verschärfen, da es seit 2017 eine bemerkenswerte Entwicklung gibt. Es treten mehr Menschen aus dem Erwerbsleben aus, als junge Menschen eintreten.3 Bei uns heißt das, die geburtenstarken Jahrgänge der Zahnarzthelferinnen gehen in den nächsten Jahren verstärkt in Rente und deren Stellen müssen zusätzlich besetzt werden. Gleichzeitig ist diese Generation als Patient weiterhin Gast in unseren Praxen. Gesundheitsbewusst, finanziell potent und an freiwillige Leistungen gewöhnt, sind sie die Wunschpatienten. Nur wer soll sie behandeln? Dieses Missverhältnis ist in den meisten Industrienationen eine Herausforderung.
Die Flucht an die Universitäten
Wer heute ausbilden will, der kämpft gegen einen mächtigen und unsichtbaren Feind: die Attraktivität einer akademischen Ausbildung. Bei den Schulabgängern sind Studium und akademische Ausbildung gegenwärtig interessanter als eine klassische Ausbildung. Seit wenigen Jahren gehen daher pro Jahrgang mehr junge Menschen an eine Universität/Hochschule als in eine Ausbildung. Der Boom kommt vor allem bei den dualen Studiengängen an. Wer sich also in diesen Tagen offen dazu bekennt, „nur“ eine Ausbildung zu machen, der muss mehr gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Soweit die nüchterne Betrachtung. Aber was können wir nun tun, um die immer größer werdende Lücke zwischen Bewerberzahl und offenen Stellen auszugleichen? Auch wenn die Entwicklung bei den Babyboomern sicher eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist, können wir alle an der Attraktivität des Ausbildungsberufs der ZFA arbeiten – denn es geht um nichts weniger als unsere Zukunft.
Ausbilden ist das A und O
Die Zahl der Ausbildungsverträge muss deutlich steigen. Wir brauchen mehr junge Menschen, und da ist jeder Einsatz gerechtfertigt. Diese wiederum brauchen Perspektiven, um die Vielfältigkeit des Berufs kennen- und schätzen zu lernen.
Es gibt sie in jeder Praxis: Mitarbeitende, die Lust haben, sich als Mentoren um die kleinen und großen Fragen unseres Nachwuchses zu kümmern. Sie brauchen Anerkennung und Ressourcen, um diesen anspruchsvollen Job auszuführen. Dazu gehören auch Fachliteratur, fest eingeplante Übungseinheiten und mehr Zeit. Es müssen regelmäßig Feedbackgespräche geführt werden und es muss ein offenes Ohr für den Alltag eines Azubis da sein.
Auszubildende sind Menschen, die am Anfang stehen
Azubis sind Menschen, die uns als Praxisleitung anvertraut sind. Sie stehen an einem Scheitelpunkt ihres Lebens. Der Wechsel von der geregelten und behüteten Schulzeit hin zum Berufsalltag, der so ganz anders ist und sich aufregend, aber auch komplett neu anfühlt, ist zu Beginn einer Ausbildung die eigentliche Herausforderung. Erscheine ich immer pünktlich? Wie komme ich mit dem Geld klar? Wie ist mein Fahrweg? Wie kann ich mich erholen? Wann treffe ich mich weiter mit meinen Freunden? Diese Fragen beschäftigen zu Beginn mehr als die fachlichen. Hier helfen Hinweise, Nachsicht und vor allem Unterstützung. Seien Sie Vorbild sowie Mentor zugleich und der junge Mensch dankt es Ihnen.
Auszubildende haben tolle Ideen
Unsere Azubis bereichern unseren Praxisalltag mit tollen Kompetenzen, die manch älterer Kollege nicht hat. Nutzen wir also die unterschiedlichen Kompetenzen, um gemeinsam etwas zu bewegen. Der Social-Media-Auftritt bei Instagram, Filme fürs QM oder ein Blog können tolle Projekte der Azubis sein.
Ausbildung ist eine emotionale Zeit
Es ist das Wesen des Menschen: Wir kommen nicht perfekt auf diese Welt. So wie Eltern viele Jahre in die Erziehung der Kinder investieren, so investieren wir alle viele Jahre in unsere jeweiligen Ausbildungen. Sehen wir es mal aus einer anderen Perspektive: Für die jungen Menschen sind wir Ausbilder in dieser Zeit besondere Bezugspersonen. Gedankt wird es mit intensiven Emotionen und Bindungen. Wir alle denken mit vielen Gefühlen an unsere Ausbildungszeit zurück. Diese Emotionen prägen uns lange. Nutzen wir also diese wunderbare Chance: Investieren wir Zeit, Energie und Vertrauen in die neuen Fachkräfte. Manch einer kehrt gerne später in die Ausbildungspraxis zurück, weil es dort tolle Erinnerungen an die alte Praxisleitung gibt.
Apropos Rückkehr: Lassen Sie Ihren Azubi nach der Ausbildung ziehen, wenn er es will. Bleiben Sie aber mit ihm in Kontakt. Zum Abschied gibt es ein Fest z. B. mit vielen emotionalen Momenten, Geschichten und Bildern. So bleiben Sie als Praxis und als Menschen in Erinnerung. Ausbilden ist eine wunderbare Chance, die wir alle haben, um junge Menschen zu begleiten und uns selbst dabei weiterzuentwickeln.
Hier steht eine Literaturliste zum Download für Sie bereit.
Der Beitrag ist im Prophylaxe Journal erschienen.