Branchenmeldungen 30.08.2023
Diskussionen den Zahn ziehen – Kommunikation in dentalen Berufen
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Wer heute einen „guten Zahnarzt“ gefunden hat, macht dies nicht selten zum Thema in Diskussionen mit Freunden oder Kollegen. Es scheint nicht leicht zu sein, einen Behandler zu finden, der nach heutigem Verständnis mehr mitbringen kann als die hohe Kunst des dentalen Handwerks. Es gilt, für Kinder oder Angstpatienten besondere Angebote bereitzustellen, für neueste Technologien, z. B. bei Zahnersatz, auf dem aktuellen Stand zu sein oder ästhetische Korrekturen vornehmen zu können. Dass dann auch noch die Praxisräume modern, farblich ansprechend und lichtdurchflutet gestaltet sein sollten, versteht sich von selbst. Das Spektrum hat sich deutlich ausgedehnt und ist mit einer gleichzeitigen Erweiterung der Kompetenz für die Assistenzkräfte einhergegangen, die sich mittlerweile als Spezialisten für Dentalhygiene oder Prophylaxe um die Patienten kümmern.
Bei den Patienten trifft das medizinische Personal häufig auf ein Gegenüber, das bestens „gegoogelt“ und belesen in die Praxis kommt, um nach einem Gespräch auf Augenhöhe zu suchen. Die Zeit der „Halbgötter“ in Weiß scheint zumindest in der jüngeren Generation der Vergangenheit anzugehören. Diese verschiedenen Komponenten haben einen immensen Einfluss auf die gesamte Kommunikation in der Praxis. Wie kann sich also das Praxisteam vorbereiten, um eine entspannte und dennoch kompetente Atmosphäre zu verbreiten und Spannungen innerhalb des Teams vorzubeugen?
Der Patient im Mittelpunkt
Heute gilt es mehr denn je, als Zahnarztpraxis vor allem die Beziehung zu den Patienten im Blick zu behalten und dafür zu sorgen, dass die Stimmung im Team dementsprechend positiv bleibt. Insbesondere in den dentalen Berufen ist das gute Verhältnis unter dem medizinischen Personal entscheidend. Es ist immer noch ein „Live-Geschäft“, in dem sich die Patienten in einer gewissen Ausnahmesituation befinden, da man sich während der Behandlung sehr nahekommt. Von Patientenseite wird häufig ein Gefühl der Hilflosigkeit oder des Ausgeliefertseins beschrieben. Dies führt zu einer kurzzeitigen Situation von Kontrollverlust, dem nur über ein gut begleitendes Team beizukommen ist. Also bedarf es vor der Behandlung einer kompetenten und empathischen Beratung, die Ängste nimmt und Spannungen abbaut. Während des Eingriffs gilt es, die Dialoge möglichst kurz zu halten. Nach der Behandlung geht es um eine klare Perspektive. Vielfach ziehen sich dentale Behandlungen über einen längeren Zeitraum hin und sind mit enormen Kosten verbunden. Zudem schüren umfangreiche Heilkostenpläne oder begleitende Dokumentationen zwischen der Zahnarztpraxis und der Krankenkasse eine große Unsicherheit. Umso mehr brauchen die Betroffenen eine gut verständliche Beschreibung des Vorgehens und ein Gefühl von Wertschätzung und des Bemühens, in den individuellen Anliegen ernst genommen zu werden.
Die räumliche Nähe zu den Patienten ist mehr denn je eine große Herausforderung. Während der Zahnarzt gemeinsam mit einer assistierenden Fachkraft die orale Baustelle bearbeitet, erwartet die Person auf dem Behandlungsstuhl, ab und an in das Geschehen involviert zu werden. Aufmerksam wird das verbale Pingpong zwischen den Agierenden verfolgt, womit auch jede noch so kleine Schwingung im Gesprächsverlauf spürbar wird. Vielfach beschränkt sich der Dialog auf einen rein fachlichen Austausch. Merklich entspannter wirken die Patienten, wenn sie hin und wieder eine Information zur Behandlung oder zum zeitlichen Ablauf erhalten.
Neben der rein verbalen Kommunikation hat auch die nonverbale Körpersprache während der Sitzung eine enorme Wirkung. Aus der besonderen Perspektive der Patienten wirkt jedes kleine Stirnrunzeln, Liften der Augenbraue oder Zusammenpressen der Lippen aus nächster Nähe betrachtet sehr intensiv, wobei Letzteres durch den Mundschutz verdeckt bleibt. Andererseits geben sie auch über viele körpersprachliche Signale Auskunft über ihr Befinden. In Erwartung kleiner Schmerzblitze zeigt sich somit die Anspannung durch geballte Fäuste, verkrampfte Finger, Arme oder Beine. Das Repertoire mag individuell noch mehr Nuancen bereithalten. Deutlich entspannter wird für alle die Situation, wenn die einzelnen Schritte nicht nur unter den Behandelnden, sondern auch für deren Gegenüber verständlich erklärt werden. Eine kurze Aussage wie: „Alles gut, ich muss hier nur etwas genauer hinsehen“ oder „Da werden wir jetzt etwas vorsichtiger arbeiten, sind aber gleich fertig, alles läuft wie geplant“ kann für den Patienten schon Berge versetzen und wesentlich zur Entspannung beitragen.
Abb. 1: Ein offenes und kompetentes Auftreten als Praxisleitung kann Spannung sowohl in der Kommunikation mit den Patienten als auch innerhalb des Praxisteams vorbeugen. © Svitlana Hulko
Konflikte mit einem starken Team rechtzeitig erkennen
Bei den vielen Aufgaben, die allesamt ein hohes Maß an Konzentration erfordern, ist es nicht selten, dass sich Konflikte entwickeln. Es ist nur natürlich, dass es „menschelt“, und grundsätzlich bietet jeder Konflikt die Chance auf ein neues, besseres Miteinander. Je eher ein Konflikt entdeckt und entlarvt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer konstruktiven Lösung. Hier ist vor allen Dingen die Förderung des Teamgeistes hilfreich. Wenn generell das Vertrauen innerhalb des Teams so stark ist, dass alltägliche, oft stressbedingte Meinungsverschiedenheiten gar nicht erst auf fruchtbaren Boden fallen können, ist schon viel gewonnen. Nur weil ein Fehler passiert oder man anderer Meinung ist, wird nicht gleich die gesamte Beziehung infrage gestellt. Dies ist in einer hitzigen Situation leichter gesagt als getan. Eine unbeteiligte dritte Person kann hier Wunder wirken. Gedanklich lässt sich das Gespräch dorthin zurückverfolgen, als es „noch gut war“ und der Konflikt noch keine Rolle gespielt hat. Oft liegen völlig andere Beweggründe zugrunde, die erst in einem sachlichen Gespräch zum Vorschein kommen. Sei es eine missratene Urlaubsplanung, eine abfällige Bemerkung oder private Umstände.
Auch im Umgang mit unzufriedenen Patienten wirkt ein ruhiges, sachliches Gespräch Wunder. Manchmal ist Patienten gar nicht bewusst, aus welchem Grund eine bestimmte Maßnahme durchgeführt werden musste. Das Geflecht hinter einer Behandlung ist heute zu komplex, um jeden einzelnen Aspekt zu erklären. Dennoch schafft ein größtmögliches Maß an Transparenz viel Klarheit und stärkt das Vertrauen, was für eine dauerhafte dentale Begleitung von enormer Bedeutung ist.
Es wäre zu viel gesagt, dass es – abgeleitet von dem Begriff Mental Coach – nun auch in jeder Praxis einen Dental Coach geben muss, wenngleich eine deutliche Tendenz in diese Richtung zu erkennen ist. Patienten fordern immer mehr ein, in die Entwicklung der Behandlungsstrategie eingebunden zu werden. Dabei die Balance zu beherrschen, zwischen möglichen Optionen nicht nur die bestmögliche zu wählen, sondern diese auch transparent darstellen zu können, setzt schon eine hohe Kommunikationskompetenz voraus. Eine erfolgreiche Möglichkeit bieten hier etwa Themenabende, bei denen die Praxisbesucher außerhalb der Behandlungssituation über neue Entwicklungen in der Zahnmedizin informiert werden. Auch hier wird das Vertrauen in die Kompetenz des Teams enorm gestärkt, und es unterstützt die Bindung zu den Patienten in einer Weise, wie sie im normalen Praxisalltag oft nicht möglich ist.
Abb. 2: Verbale und nonverbale Kommunikation (z. B. Gesten oder Blickkontakt) beeinflussen die Kommunikationen ebenfalls.
© Svitlana Hulko
Der virtuelle Weg
Mittlerweile gibt es auch im dentalen Bereich viele Möglichkeiten, sich online Unterstützung zu holen: Dienstleister, die sich um die Abrechnungen kümmern und gleichzeitig viele Angebote für die Kommunikation innerhalb des Teams und mit der Kundschaft anbieten, Coaching-Angebote für die Praxisleitung zur Mitarbeiterführung oder für die einzelnen Mitarbeitenden bei fachlichen Fragen oder zur Konfliktprävention im täglichen Miteinander. Die Anbietenden dieser Dienstleistungen bemerken häufig, dass die dentale Welt verständlicherweise noch sehr im analogen Live-Modus verhaftet ist und sich Online-Angebote nur langsam durchsetzen. Viele Beratungsprozesse werden heute bereits online abgewickelt, sodass mehr Möglichkeiten bestehen, sich auch für kleinere Anliegen „mal eben“ online zu verknüpfen. Vereinzelte Praxisteams hingegen sind bereits komplett in allen möglichen Belangen virtuell unterwegs und staunen über die Ersparnis von Zeit und Kapazität.
Als Praxisteam erfolgreich
Aus den verschiedenen Komponenten, die sich zu einem komplexen Praxisalltag verflochten haben, ergeben sich diverse Anforderungen an die sozialen Kompetenzen des Praxisteams. Gleichzeitig hat sich durch die zunehmende Professionalisierung der Mitarbeitenden eine Neuordnung der Hierarchien ergeben, die ein modernes Miteinander im täglichen Umgang erfordert. Aus den Gesprächen mit einigen Praxisteams lassen sich folgende Aspekte ableiten:
- Regelmäßige Teambesprechungen fördern den fachlichen Austausch untereinander und reduzieren Missverständnisse in der Kommunikation.
- Führungskräfte wertschätzen die Kompetenz ihres Teams und ermöglichen somit eine Kommunikation auf Augenhöhe.
- Patienten sind sowohl Kundschaft als auch Partner. Sie werden gut informiert und auch während der Behandlung sorgsam durch die einzelnen Schritte geführt.
- Die hohe Spezialisierung der Teammitglieder schafft Entlastung der Zahnmediziner.
- Beratung und gewisse Teile der Weiterbildung können online durchgeführt werden und sparen viel Zeit und Organisation.
- Separate Sequenzen mit den Patienten für Aufklärung und Information sorgen für eine entspanntere Atmosphäre während der Behandlung.
- Themenabende schaffen Patientenbindung und unterstützen den Vertrauensaufbau.
- Rechtzeitige Intervention bei möglichen Konflikten verhindert ein unnötiges Ausweiten von Missverständnissen und fördert ein konfliktarmes Betriebsklima.
So buchstäblich „auf den Zahn gefühlt“ ist es erstaunlich, was man heute alles an verschiedenen Dienstleistungen in einer Zahnarztpraxis finden kann. Umso wichtiger ist es, sich auf diese Entwicklungen einzulassen, um stets am Zahn der Zeit zu bleiben.
Dieser Beitrag ist in der cosmetic dentistry erschienen.