Branchenmeldungen 09.09.2022

Weiterentwicklungs­möglichkeiten in der Ausbildung zum Oralchirurgen



Weiterentwicklungs­möglichkeiten in der Ausbildung zum Oralchirurgen

Foto: Mariakray – stock.adobe.com

Originaltitel: "Man ist immer so gut wie sein Engagement"

Die Oralchirurgie ist ein überaus wichtiges Teilgebiet der Zahnmedizin. Wo bei kleineren Maßnahmen noch der Zahnarzt helfen kann, ist es unbedingt empfehlenswert, bei komplexen oralchirurgischen Vorgängen, wie der Entfernung schwer verlagerter Zähne, der operativen Zahnerhaltung, Behandlung von Mundschleimhauterkrankungen und Rehabilitation zahnloser Kieferareale durch Implantate, den Oralchirurgen aufzusuchen. Vier Jahre Zusatzausbildung allein, das daraus resultierende umfassendere Fach- und Spezialwissen sowie in einigen Bundesländern mindestens zwei Pflichtjahre in einem Klinikum vermitteln dem Fachzahnarzt für Oralchirurgie weitaus umfangreichere Kenntnisse der chirurgischen Methodik und Technik.

Wie jede medizinische Disziplin baut auch die Oralchirurgie auf umfangreiche und wissenschaftliche fundierte Ausbildung auf. Aber wie steht es um den Nachwuchs dieser speziellen Berufsgattung? Wie ist die Zusammenarbeit der Medizinischen Fakultäten, Universitätskliniken, wissenschaftlichen Einrichtungen und Netzwerke? Wie stark wird sich um den Nachwuchs bemüht? Wie strukturiert ist der Weg zum Fachzahnarzt für Oralchirurgie? Im ersten Part dieses zweiteiligen Interviews gibt Priv.-Doz. Dr. Christian Schmitt, M.Sc., Fachzahnarzt für Oralchirurgie, Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie, Lehrbefugnis für das Fach Oralchirurgie (Vilsbiburg/Erlangen-Nürnberg) und Expert-Council der Osteology Foundation, einen Überblick zum Status quo und zu den Weiterentwicklungsmöglichkeiten in der Ausbildung zum Oralchirurgen.

Herr Dr. Schmitt, was versteht man genau unter dem gesamten Spektrum der Oralchirurgie und was wird im Rahmen dieser Ausbildung hauptsächlich vermittelt?

Das Spektrum der Oralchirurgie umfasst im Großen und Ganzen die chirurgische Behandlung pathologischer Zustände der Kiefer und Zähne und natürlich die Rekonstruktion und Regeneration im dentoalveolären Bereich. Dies spiegelt sich in den modernen Behandlungskonzepten der dentoalveolären Chirurgie, Implantologie und Parodontologie wider und wird Studenten in Theorie und Praxis im Rahmen der Ausbildung vermittelt. Weiterführende Fachkenntnis erlangen die jungen Kollegen natürlich wesentlich fundierter in einer fachspezifischen Weiterbildung nach dem Studium.

Seit knapp zehn Jahren tragen Sie die Gebietsbezeichnung Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Seit nunmehr fünf Jahren haben Sie als Privatdozent auch einen Lehrauftrag. Was können Sie bis dato zu Fortschritten in der Ausbildung, z. B. im Hinblick auf diese Zeitspannen, sagen?

In meiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Klinik der FAU Erlangen-Nürnberg von 2012 bis 2017 haben wir stets versucht, neue technische Innovationen in die Lehre einzubeziehen, um ein bestmögliches Ausbildungsszenario zu schaffen und mit dem schnellen Fortschritt mitzuhalten. Dies wird sehr erfolgreich fortgeführt, um immer auf dem neusten Stand zu sein. In der Zeit, die ich überblicken kann, hat sich somit einiges getan. Die Pandemiezeit hat natürlich auch in der Lehre und Ausbildung Änderungen bewirkt und wir mussten auf die Situation reagieren. Ich sehe es allerdings als positive Entwicklung, die uns besser vernetzt und uns gelehrt hat, digitaler zu werden.

Hier und da werden Stimmen laut, es mangele dem Arbeitsschwerpunkt Oralchirurgie an medizinischem Nachwuchs. Woran könnte das liegen? Wie kann einem solchen Trend entgegengewirkt werden?

Diesen Trend erkenne ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Dozent und Lehrbeauftragter nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die nächste Generation mit großer Freude und Wissbegierde der Thematik nähert. Natürlich ist die Betrachtungs- und Herangehensweise der in der Ausbildung befindlichen Generation anders als die der vorherigen Generationen. Dennoch bin ich überzeugt, dass sie mit großem Erfolg ihren Weg beschreiten wird.

Stichwort Young Scientists in Dentistry: Welchen Stellenwert haben präklinische oder klinische Forschungen und Studien im Rahmen der zahnmedizinischen Ausbildung?

Viele Studenten haben im Rahmen ihrer Dissertation die ersten Berührungspunkte mit der Forschung und dem wissenschaftlichen Arbeiten. Je nach Forschungsprojekt erfolgt hier eine Vertiefung der speziellen Thematik durch den Doktorvater und durch Eigenstudium. Das Erlernen des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens wird durch den zuständigen Doktorvater und gegebenenfalls Betreuer ermöglicht. Manche finden Gefallen an der Forschung und bleiben an der Universität.

Sie sind Mitglied im Osteology Expert Council (Osteology Foundation, Osteology Research Academy): Unter welchen Gesichtspunkten wurden bzw. werden die Preisträger von Forschungspreisen ermittelt?

Zunächst werden durch ein auserwähltes Fachgremium alle eingesendeten Arbeiten gesichtet und von jedem Mitglied des Gremiums objektiv und unabhängig bewertet. Zur besseren Vergleichbarkeit der Einsendungen kategorisieren wir in klinische Forschung und Grundlagenforschung. Die besten Einsendungen jeder Kategorie werden folglich für eine orale Präsentation auf dem stattfindenden Kongress eingeladen. Die Kombination aus dem besten Vortrag mit dem bedeutsamsten Projekt gewinnt.

Welche eigenen Erfahrungen haben Sie während Ihrer Fortbildung mit der Osteology gemacht?

Die Osteology ist im Bereich Fortbildung sehr breit aufgestellt. Sowohl junge als auch erfahrene Kollegen können hier profitieren. Vor allem durch die Involvierung vieler internationaler namhafter Referenten ist die Qualität der Fortbildungsformate absolut einzigartig. Ich freue mich und bin stolz, ein Teil davon zu sein.

Sie waren als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Faculty of Dentistry, Department of Periodontology in Toronto, Kanada. Gibt es in Bezug auf Fortschritt und Weiterbildung deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und dem Ausland?

Die Weiterbildung zum Fachspezialisten in Kanada oder den USA ist im Grunde gleichzusetzen mit einem bei uns erworbenen Facharzt (MKG) oder Fachzahnarzt (KFO oder Oralchirurg). Die Lehrinhalte sind gut vergleichbar, der Ausbildungscharakter etwas unterschiedlich. In Kanada findet die Weiterbildung wie ein aufbauendes Studium inklusive praktischer Tätigkeit mit Supervision statt, in Deutschland wie eine praktische Ausbildung mit theoretischen Bezügen durch Curricula, Fortbildungen und Eigenstudium. Das Ziel ist das gleiche. Am Ende ist man allerdings nur so gut, wie man sich selbst darüber hinaus engagiert. Das gilt wohl für viele Lebenslagen.

Dieser Beitrag erschien im Oralchirurgie Journal.

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