Branchenmeldungen 31.10.2016

Masterstudiengang „Orale Medizin und Alterszahnheilkunde, M.Sc.“



Masterstudiengang „Orale Medizin und Alterszahnheilkunde, M.Sc.“

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Die Herausforderungen der Zukunft für ein sicheres Praktizieren unter den demografischen Veränderungen meistern – so lautet das Ziel des neuen Masterstudiengangs „Orale Medizin und Alterszahnheilkunde, M.Sc.“ der Dresden International University (DIU). Das berufsbegleitende Studium ermöglicht Zahnärzten eine disziplinübergreifende Einordnung von Zahnheilkunde und altersbedingten Erkrankungen. Die Studenten, die wir heute ausbilden, werden noch 2055 tätig sein!

Leider versteht sich die Alterszahnmedizin immer noch als ein Fach, das sich hauptsächlich mit der Betreuung betagter Menschen im vierten Lebensalter befasst. Dieses vierte Lebensalter wird durch eine fortgeschrittene Hilfs-und Pflegebedürftigkeit geprägt, in aller Regel verbunden mit einem Leben in einer Institution. Der orale Gesundheitszustand dieser Menschen hat sich bis heute nicht verbessert. Demgegenüber zeigen aktuelle Untersuchungsergebnisse eine Zunahme der Anzahl verbliebener natürlicher Zähne in der Erwachsenen- und auch in der Seniorenpopulation. Mit dem „Mehr“ an Zahnerhalt geht auf der anderen Seite ein „Mehr“ an Risiko und Erkrankung und folglich Behandlungsnotwendigkeit einher.

Die Belastung des Gesamtorganismus im Alter durch orale Entzündungen ist somit in den vergangenen Jahrzehnten deutlich größer geworden. Die Zahl der von diesem Sachverhalt betroffenen, pflegebedürftigen älteren Menschen hat deutlich zugenommen und wird sich weiter erhöhen. Weiter treten diese Menschen immer später, also immer älter in Institutionen ein.1 Der Bedarf an zahnärztlicher Betreuung für Betagte im vierten Lebensalter, dem wir bereits zum jetzigen Zeitpunkt in keiner Weise gewachsen sind, wird sich in Zukunft noch wesentlich erhöhen.

Wir müssen uns ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit die Fokussierung der Alterszahnmedizin auf das vierte Lebensalter und damit mehrheitlich auf ein rein palliatives Betreuungskonzept richtig war. Wer sich mit dieser Fragestellung eingehender befasst, wird schnell erkennen, dass die Ursachen der oralen Problemstellungen im vierten Lebensalter bereits in der dritten Lebensphase zu suchen sind. Sie stehen in engem Zusammenhang mit der Zunahme chronischer gesundheitlicher und sozialer Herausforderungen, die das aktive und selbstständige Seniorenalter deutlich beeinträchtigen. Orale Erkrankungen sind Teil der Multimorbidität im Alter. In diesem Zusammenhang drängt sich die unbequeme Frage auf, inwieweit die im jüngeren Erwachsenenalter erfolgreich eingesetzten diagnostischen, präventiven und therapeutischen Konzepte auch für das dritte und vierte Lebensalter ihre Wirksamkeit haben.2, 3

Multimorbidität – Risiko für die orale Gesundheit

In einer deutschen Studie wurden für rund zehn Prozent einer Stichprobe von 394 der 61-Jährigen und Älteren mindestens sieben gleichzeitig bestehende Diagnosen nachgewiesen.4 In einer Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums5 wurde festgestellt, dass – gemäß Selbstauskunft – 69 Prozent der zu Hause lebenden Frauen und 59 Prozent der Männer über 65 Jahren an zwei oder mehr chronischen Erkrankungen litten. Mit steigendem Alter nahm der Anteil der Personen, die ihre Gesundheit als schlecht bewerteten, deutlich zu: von 15 Prozent der 65- bis 74-Jährigen auf 33 Prozent der über 85-Jährigen.

Die Anzahl gleichzeitig bestehender Erkrankungen bestimmte in der deutschen Studie4 als bedeutendste Variable über die Inanspruchnahme von Ärzten sowie den Medikamentenkonsum. 88 Prozent der Befragten suchten mindestens einmal pro Jahr einen Allgemeinarzt auf, 97 Prozent waren mindestens bei einem Arzt, gleich welcher Fachrichtung. Von 55,8 Prozent der Personen wurde täglich mindestens ein Medikament eingenommen. In der Schweizer Studie5 betrug der Anteil der Personen, die fünf oder mehr verschreibungspflichtige Medikamente einnahmen, 17 Prozent bei den Frauen und 16 Prozent bei den Männern.

Gesundheitszustand und Polypharmakotherapie können zu funktionellen Einschränkungen, also zu Schwierigkeiten oder Hilfebedarf in instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens oder zu Einschränkungen der Mobilität führen.5 22 Prozent der zu Hause lebenden älteren Menschen berichteten über Einschränkungen beispielweise beim Einkaufen oder Zubereiten von Mahlzeiten. 34 Prozent gaben Einschränkungen beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel an.

Mit steigendem Alter geht eine starke Zunahme der Häufigkeit funktioneller Einschränkungen einher. Der Anteil an Personen, die Einschränkungen in instrumentellen Aktivitäten (z.B. Einkaufen) angaben, wuchs von 16 Prozent bei den 65- bis 74-Jährigen auf 54 Prozent bei den über 85-Jährigen an. Der Anteil der Menschen über 85, die Einschränkungen in der Mobilität (z.B. Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel) aufwiesen, war mit 62 Prozent etwa um das Doppelte höher als bei den 65- bis 74-Jährigen.

Es besteht stets die Gefahr, dass beim älteren Menschen Erkrankungen noch nicht diagnostiziert sind und entsprechend auch eine adäquate Therapie fehlt. Dies trifft zum Beispiel gerade für Morbus Alzheimer als häufigste Form von Demenz und Morbus Parkinson zu,6 aber auch für die Malnutrition, die häufig als „Altersschwäche“ missverstanden wird.7 Rund 60 Prozent der Menschen mit Demenz leben ohne eine Diagnose und somit ohne adäquate auch oralmedizinische Betreuung.8 Hinzu kommt die Gefahr, dass gerade in der zahnärztlichen Praxis, vor allem bei fehlender gewissenhafter Nachfrage, Beschwerden oder diagnostizierte Erkrankungen aus verschiedenen Gründen nicht genannt werden.2

Drittes Lebensalter: zentrale Herausforderung für die Praxis

Dieser aufgezeigte Sachverhalt zeigt sehr deutlich, dass die allmähliche Beeinträchtigung von Gesundheit und Alltagsfähigkeiten durch Multimorbidität und Polypharmazie die zahnärztliche Betreuungsfähigkeit und damit die orale Gesundheit alternder Menschen negativ beeinflussen. Ohne Berücksichtigung der bereits im dritten Lebensalter auftretenden Gesundheitsrisiken wird es nicht gelingen, die Mundgesundheit sowohl der zu Hause als auch der in Institutionen lebenden älteren Menschen zu verbessern. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass über 90 Prozent der 65-Jährigen und älteren Senioren zu Hause leben.1

Die Notwendigkeit eines systematischen medizinischen und sozialen Screenings alternder Menschen wird auch in der zahnärztlichen Praxis offensichtlich. Des Weiteren ist eine enge interdisziplinäre Vernetzung insbesondere mit Hausärzten und Geriatern dringend angeraten, damit der Zahnarzt nach ärztlicher Diagnosestellung in die Patientenbetreuung mit einbezogen wird. In diesen Prozess müssen auch die sozialpolitischen Partner einbezogen und von zahnmedizinischer Seite genügend Fachpersonen bereitgestellt werden, die eine kompetente Langzeitbetreuung der Senioren auch sicherzustellen vermögen.2, 3 Die Zeit drängt.

Optimale Betreuung bis ins hohe Alter

Wie ist es aus der Praxis heraus zu bewältigen, unsere Patienten bis ins hohe Alter präventiv, professionell und interdisziplinär zu beraten und zu betreuen?

Das Bild einer Alterszahnmedizin, die sich fast ausschließlich in den Alters- und Pflegeheimen abspielt, ist nicht nur längst überholt, sondern in der Praxis auch gescheitert. Es ist weder gelungen, die in Institutionen lebenden Senioren flächendeckend zu betreuen, noch deren orale Gesundheit zu verbessern. Der erste Masterstudiengang in Alterszahnmedizin und oraler Medizin setzt deshalb seinen Fokus konsequenterweise in erster Linie auf das dritte Lebensalter der zu Hause lebenden und durch die zahnärztlichen Praxen betreuten Senioren. Mit 50+ geht er sogar noch einen Schritt weiter in der Fokussierung der Altersgruppe. Hiermit werden endlich die rein reaktiven, palliativen Vorgehensweisen zugunsten antizipierender, auf Prävention ausgerichteter Konzepte aufgegeben.

Diese Verlagerung der Schwerpunkte bietet die Chance, die Mundgesundheit alternder Menschen nachhaltiger zu verbessern und räumt auch weitestgehend die bisherigen Hindernisfaktoren für eine breit gestreute oralmedizinische Betreuung alternder Menschen aus, wie etwa Unzufriedenheit mit der beruflichen Tätigkeit, schlechte Arbeitsbedingungen, ungenügende Vergütung der erbrachten Leistungen, Überforderung mit medizinischen Problemstellungen oder ungünstige Rahmenbedingungen für Prävention und Therapie.9

Grundlagen und Aufbau des Masterstudiengangs

In interaktiven Vorlesungen erarbeiten die praktisch tätigen Zahnärzte theoretische Grundlagen. Die praktische Ausbildung erfolgt einführend an Fallvignetten und wird durch die Dokumentation von acht eigenen Patientenfällen, die von den Studierenden in der Praxis und in Institutionen (Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen) behandelt werden, vertieft. Auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den anderen Berufsgruppen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen wird besonderer Wert gelegt. 

Für die eigene Praxis und die besuchte Institution wird ein auf den älteren Menschen ausgerichtetes nachhaltiges Konzept inklusive Schulung der beteiligten Fachpersonen erarbeitet. Die Masterarbeit zu einem Thema der oralen Medizin für den alternden Menschen rundet dieses synoptische Mastercurriculum zu einem Ganzen ab. Die Absolventen werden zu einer kompetenten und erfolgreichen Betreuung alternder Menschen befähigt.

Orale Medizin und Alterszahnheilkunde, M.Sc.
Der erste deutschsprachige postgraduale Masterstudiengang „Orale Medizin und Alterszahnheilkunde, M. Sc.“ ist an der Dresden International University (DIU) etabliert, ZEvA-akkreditiert und durch die Akademie Praxis und Wissenschaft (APW) der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) unterstützt.

Dieser startet am 19. Oktober 2016. Anmeldungen sind bis zum letzten Tag, besser jedoch bis spätestens vier Wochen vor Beginn möglich.

Weitere Informationen und Möglichkeiten zur Anmeldung gibt es im Internet unter http://www.di-uni.de/index.php?id=667

Eine vollständige Literaturliste finden Sie hier.

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