Branchenmeldungen 23.04.2013
Materialverlust schützt Zähne gegen Ermüdungsbruch
Unsere Zähne sind uns wichtig und teuer. Dabei stehen heute oft
ästhetische Aspekte im Vordergrund. Ein gesundes Gebiss soll strahlend
weiße Zahnkronen und möglichst keine Zahnabnutzung aufweisen. Die
evolutionäre Geschichte unseres Gebisses lehrt uns allerdings etwas
anderes. Eine natürliche Zahnabnutzung als unvermeidbare Folge der
Nahrungszerkleinerung und des Lebensraumes begleitet seit Urzeiten die
Evolution der Menschen.
„In unseren industrialisierten
Gesellschaften finden wir an den Zähnen einen deutlichen Anstieg von
Zahnhalsdefekten“, erklärt Ottmar Kullmer vom Senckenberg
Forschungsinstitut: „Aufgrund unserer Berechnungen der Kaubelastung
gehen wir davon aus, dass regelmäßig wiederkehrende Zugkräfte besonders
im Zahnhalsbereich die Ursache für viele der heutigen
Schmelzabsprengungen sein könnte.“
Die Forscher benutzten
Methoden aus der Ingenieurwissenschaft (Finite-Elemente-Analyse, FEA),
nachdem zuvor mit Hilfe einer im Senckenberg Forschungsinstitut
entwickelten Software (Occlusal Fingerprint Analyser) die genauen
Zahn-zu-Zahn Kontakte bestimmt wurden. „Die individuellen Zahnkontakte
dienten zur möglichst realitätsnahen Computersimulation der
Belastungsverteilung beim Zubeißen“, erörtert Stefano Benazzi vom
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, der die
Finite-Elemente-Analysen durchführte. Um die Veränderung des
Belastungsmusters in ein und derselben Zahnkrone in unterschiedlichem
Abnutzungsalter zu untersuchen, wurden zwei der kleineren
Vorbackenzähne, der Prämolaren, mit Hilfe ihrer ermittelten
Bewegungsdaten im Labor künstlich abgeschliffen. Damit wurde die
natürliche Abnutzung nachgestellt und so konnte berechnet werden, wie
sich das Belastungsmuster mit dem kontinuierlichen Abrieb von
Zahnsubstanz verändert.
In den stärker abgenutzten Zähnen
verteilt sich die Belastung wesentlich besser über die gesamte
Zahnkrone, sodass die Zugspannungen deutlich reduziert werden. „Die
Evolution scheint hier eine durchaus erfolgreiche Kompromisslösung
zwischen Materialverlust und möglichst langem Funktionserhalt gefunden
zu haben“, so Benazzi. Die Verlängerung unserer Lebensspanne, und die
Verringerung der Zahnabnutzung stellen die moderne Zahnmedizin vor die
große Herausforderung die biologische Anpassung und unsere schnelle
kulturelle Entwicklung in der Zahnheilkunde zu berücksichtigen, so die
Wissenschaftler.
Quelle: Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology