Branchenmeldungen 06.05.2013
Neue Präzision bei Gesichtsoperationen
Nach schweren Unfallverletzungen, Entzündungen oder Krebsoperationen im Gesicht müssen Chirurgen manchmal Teile von Unter- oder Oberkiefer ersetzen. Das Ergebnis sollte präzise sein. Denn jede Ungenauigkeit spürt und sieht der Patient. Für die komplexe Operation nutzen Gesichtschirurgen heute zunehmend Computertechnologie aus der Automobilindustrie. Sie ermöglicht es den Ärzten, Knochen aus anderen Körperregionen millimetergenau auszuschneiden und an das Gesicht anzupassen. Das verbessert das Operationsergebnis und verkürzt die Operationszeit. Wie Gesichtschirurgen die neue Technik im Operationssaal einsetzen, um das Gesicht des Patienten so originalgetreu wie möglich wiederherzustellen, erläuterte ein Experte am 1. Mai 2013 auf einer Pressekonferenz in München im Rahmen des 130. Chirurgenkongresses.
„CAD steht für Computer-Aided Design oder zu Deutsch: rechnerunterstütztes Konstruieren“, erläutert Professor Dr. med. Dr. med. dent. Michael Ehrenfeld, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie leitet. Und CAM ist die Abkürzung für Computer-Assisted Manufacturing: rechnerunterstützte Fertigung. „Die Technik wird in der Industrie verwendet, um dreidimensionale Modelle zu zeichnen und daraus dann die entsprechenden Werkstücke herzustellen.“ Doch nicht nur Werkzeuge oder Autoteile lassen sich mittels CAD und CAM erstellen: Gesichtschirurgen können mit deren Hilfe auch Kiefertransplantate fertigen.
Die Arbeit der Chirurgen beginnt bereits vor der Operation: Um sich ein Bild von dem Ausmaß der Schäden zu machen, fertigen die Ärzte zunächst eine Computertomografie des erkrankten Kiefers an. Die Abmessungen werden dann in ein CAD-Programm eingelesen. „Auf dem Bildschirm erhalten wir ein dreidimensionales Modell des erkrankten Knochens, anhand dessen wir eine individuelle, maßstabsgetreue Schablone für den Patienten erstellen können“, sagt Ehrenfeld, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG). Während der Operation nutzen die Chirurgen die Schablone, um ein geeignetes Transplantat aus Beckenkamm, Wadenbein oder Schulterblatt auszuwählen. „Im Gegensatz zu früher entnehmen wir damit nur noch so viel Knochen, wie wir benötigen“, so der Experte.
Das Transplantat wird dann so modelliert, dass es exakt in die Lücke des Kiefers passt, die sich durch die Entfernung des erkrankten Knochens ergibt. Dabei ist es entscheidend, die Transplantate präzise an die spezielle Anatomie des Gesichtsskelettes anzupassen. „Jede Ungenauigkeit würde der Patient nachher beim Kauen oder Sprechen spüren“, erläutert Ehrenfeld. Auch die Metallplatten, mit denen das Knochentransplantat am Kiefer befestigt wird, können die Chirurgen anhand der Schablone bereits vor der Operation in die geeignete Form biegen.
Die Münchner Chirurgen haben die Erfahrung gemacht, dass die Vorplanung am Rechner die Operationszeiten deutlich verkürzt. „Dank der exakten dreidimensionalen Positionierung sind auch die Operationsergebnisse besser“, sagt Ehrenfeld. „Die Patienten haben weniger Probleme beim Kauen und die Veränderungen im Gesichtsbild sind geringer.“ Bislang wird das neue Verfahren in Deutschland erst an wenigen Kliniken angewandt. Ehrenfeld rechnet aber damit, dass es sich in den nächsten Jahren durchsetzen wird: „Die CAD/CAM-Verfahren werden wie in der Automobilindustrie schon bald zum Standard werden.“
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH)