Branchenmeldungen 06.02.2025
Neue S2k-Leitlinie: Implantatversorgung im fortgeschrittenen Alter
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Dieses Interview ist unter dem Originaltitel: „Neue S2k-Leitlinie zur Implantatversorgung im fortgeschrittenen Lebensalter“ in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erchienen.
Im letzten Jahr hat die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) vier neue Leitlinien auf den Weg gebracht. Die erste Leitlinie ist nun fertig und widmet sich der Implantatversorgung im fortgeschrittenen Lebensalter. Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas steht uns als Koordinator der Leitlinie dazu Rede und Antwort.
Prof. Al-Nawas, welche wissenschaftlichen und klinischen Erkenntnisse haben den größten Einfluss auf die Entwicklung dieser Leitlinie gehabt?
Die wichtigste Erkenntnis war, dass Implantate unabhängig vom Patientenalter gut funktionieren, d. h. das Implantatüberleben ist auch bei Älteren gut. Die Furcht mancher Kollegen, dass in dieser Patientengruppe bei einer Implantattherapie mehr Komplikationen auftreten, können wir entkräften. Sowohl Evidenz als auch klinische Erfahrung zeigen, dass dies nicht so ist. Natürlich gibt es in einem älteren Patientenklientel mehr Risikofälle aufgrund von Multimorbidität, Polypharmazie oder auch spezifischen Erkrankungen und Therapien (z. B. Bestrahlung aufgrund von Tumorerkrankungen). Die Kernpunkte sind aber die jeweiligen und individuellen Risikoprofile und nicht das Alter. Gleichwohl müssen bei älteren Patienten mehr Aspekte beachtet werden, etwa die individuelle Belastbarkeit. Aber auch diese ist nicht per se altersabhängig.
Die wichtige Botschaft der Leitlinie lautet: Plane die Implantattherapie nicht abhängig vom Alter, sondern bewerte den individuellen Gesundheitszustand. Dieser individuellen Bewertung sollte die gesamte Therapie in all ihren Phasen angepasst folgen.
Welche spezifischen Empfehlungen enthält die neue S2k-Leitlinie?
Risikofaktoren und der allgemeinmedizinische Zustand sollen bei Älteren in allen Abschnitten einer Implantattherapie beachtet werden – angefangen bei der Planung bis zur Nachsorge. Geht es um eine individuelle Risikoabschätzung, sollte Rücksprache mit behandelnden Ärzten gehalten werden. Schon bei der Planung der Therapiesitzungen sollte der allgemeinmedizinische Zustand beachtet werden, im Rahmen der Diagnostik können einfache Tests zum Einsatz kommen, um den kognitiven Zustand einzuschätzen. Eine 3D-Röntgendiagostik erlaubt es, die Invasivität eines Eingriffs besser einzuschätzen und dieser kann durch eine geführte Implantation minimiert werden. Kurze und/oder dünne Implantate sind eine Alternative zu Augmentationen des Kieferkamms. Die prothetische Versorgung sollte die erschwerte Okklusionsfindung der Patienten berücksichtigen. Im Rahmen eines Nachsorgeprogramms sollten die Evaluation der Handhabung und Reinigungsfähigkeit des Zahnersatzes ein fester Bestandteil sein.
Gibt die Leitlinie auch Hinweise auf den besonderen Umgang mit älteren Patienten?
Ja, denn die Berücksichtigung psychosozialer Aspekte ist bei dieser Patientengruppe besonders wichtig. Ein Beispiel ist etwa die Angst vor dem chirurgischen Eingriff und den damit verbundenen Komplikationen. Diese sind ein häufiger Grund, wenn ältere Patienten die Therapie ablehnen. Hinzu kommt das „oral-geriatrische Paradoxon“: Im fortgeschrittenen Alter wird trotz des objektiv steigenden Behandlungsbedarfs die Mundgesundheit durch die Patienten selbst positiver wahrgenommen, als sie eigentlich ist. Hier sind einfühlsame und wertschätzende Gespräche wichtig, in denen auch die mögliche Reduktion der Invasivität und damit das Komplikationsrisiko angesprochen werden.
Weitere Infos zur Leitlinie gibt es direkt bei der DGI: www.dginet.de.