Branchenmeldungen 17.04.2024
Rentner halten das System am Laufen – jeder sechste Zahnarzt über 64
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Jeder sechste Zahnarzt ist über 64 – Nachwuchs kaum in Sicht
Der demografische Wandel macht vor dem Gesundheitswesen nicht Halt. Jeder vierte bayerische Vertragszahnarzt erreicht bis 2028 das Ruhestandsalter. Bei den Ärzten sieht es nicht besser aus. Schon heute ist die Versorgung nur noch aufrechtzuerhalten, weil viele Praxisinhaber auch nach Erreichen des Renteneintrittsalters weiterarbeiten.
Die Stiftung Gesundheit hat errechnet, dass 16,2 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Deutschland älter als 64 sind. Bei den Zahnärzten sind es sogar 17,8 Prozent, bei den Psychotherapeuten 16,0 Prozent. Die Angaben stammen aus der jährlichen Versorgungsanalyse der Stiftung Gesundheit aus Hamburg. „Jeder sechste benötigt also bald einen Nachfolger oder muss die Praxis schließen“, so Christoph Dippe von der Stiftung Gesundheit.
Besonders dramatisch ist die Situation in Bremen, Thüringen und dem Saarland. Dort ist bereits ein knappes Viertel der Ärzte im Rentenalter. Und niederlassungswilliger Nachwuchs ist nach wie vor kaum in Sicht.

Die Gesamtzahl der Niedergelassenen ist bundesweit 2023 erneut gesunken. Am stärksten in Hamburg mit 10,3 Prozent. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland, in dem sie leicht gestiegen ist (ein Plus von 3,4 Prozent). Hinsichtlich der Ärztedichte gibt es in den einzelnen Bundesländern erhebliche Schwankungen. Zählt man die Zahl aller an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten zusammen, ergibt sich in Bayern ein Verhältnis von 1 : 414 Einwohnern. In Stadtstaaten wie Hamburg, Berlin und Bremen liegt die Zahl bei 1 : 300. Ganz anders sieht es in Brandenburg aus. Hier kommen auf jeden ambulanten „Leistungserbringer“ rechnerisch 526 Personen.
Wie die Stiftung Gesundheit ermittelte, waren Ende 2023 in Deutschland rund 156 000 Ärzte in der ambulanten Versorgung tätig. Der Anteil der Niedergelassenen ist innerhalb des Jahres 2023 von 72,6 Prozent auf 70,9 Prozent gesunken. Im Gegenzug stieg der Anteil der angestellten Ärzte von 27,4 auf 29,1 Prozent. Etwa die Hälfte der angestellten Ärzte arbeitet in Praxen, die andere Hälfte in MVZ.

Um einer drohenden Unterversorgung entgegenzuwirken, setzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach unter anderem auf mehr Medizinstudienplätze. Doch dafür könnte es bereits zu spät sein. „Von der politischen Entscheidung, eine neue medizinische Fakultät aufzubauen, dauert es mindestens drei bis vier Jahre, bis die ersten Studierenden ihre Ausbildung aufnehmen“, zitiert das Magazin „WirtschaftsWoche“ Dr. Frank Wissing vom Medizinischen Fakultätentag. Rechne man die übliche Studienzeit von sechs Jahren hinzu, so würden die ersten neuen Ärztinnen und Ärzte jedoch nach zehn Jahren erst einmal ihre Assistenzarztzeit beginnen. Viele der heute noch aktiven Praxen wird es bis dahin schlicht nicht mehr geben.
Was also tun, um dem Praxissterben entgegenzuwirken? Die KZVB hat sich hierzu klar positioniert: Weniger Bürokratie, Abschaffung der Budgetierung und eine Erhöhung des GOZ-Punktwertes – das sind die wichtigsten Voraussetzungen, um wieder mehr junge Mediziner für die Niederlassung zu begeistern. Gleichzeitig braucht es eine strengere Regulierung Medizinischer Versorgungszentren. Aktuell werden von diesen viele Ärzte und Zahnärzte abgeworben, die dringend im ländlichen Raum gebraucht würden.

Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Rentner halten das System am Laufen“ im BZB Bayerisches Zahnärzteblatt erschienen.
Weitere Autorin: Ingrid Scholz