Branchenmeldungen 30.05.2023

Sechs Hinweise zur restaurativen Zahnheilkunde



Sechs Hinweise zur restaurativen Zahnheilkunde

Foto: Drazen – stock.adobe.com

Prof. Dr. Roland Frankenberger ist Direktor der Abteilung für Zahnerhaltungskunde am UKGM in Marburg. Im Q&A geht er kurz und bündig auf sechs Aspekte seines Fachgebietes ein.

Restaurative Kariologie

Prof. Frankenberger, im vergangenen Jahr sind Sie von der International Association for Dental Research mit dem Ryge-Mahler-Award 2022 für Ihr Wirken in der Restaurativen Kariologie ausgezeichnet worden. Wie kamen Sie auf das Fachgebiet und was hat sich hier in den vergangenen Jahrzehnten getan?

Ich habe mir anfangs dieses Forschungsgebiet ausgesucht, weil ich es spannend fand. Und heute, 30 Jahre später, muss ich sagen, dass es fantastisch ist, wohin sich die minimalinvasive Zahnerhaltung entwickelt hat. Denn in genau diesen drei Jahrzehnten hat die Anzahl der jährlich gelegten Füllungen in Deutschland um ganze 48 Prozent abgenommen. Was für ein Erfolg in der Prophylaxe! Somit ist die Kariologie tatsächlich das erfolgreichste präventive Medizinfach überhaupt – und es ist schön, ein Teil davon zu sein. Somit wurde die Mundgesundheit insgesamt verbessert und gleichzeitig verstanden, dass Restaurieren minimalinvasiv vonstattengehen kann. Das kostet den Patienten weniger Zahnhartsubstanz und sieht am Ende trotzdem hübsch und unsichtbar aus. Von daher empfinde ich die Entwicklungen der letzten 30 Jahre als sehr gut.

Bulk-Fill- Komposite

Wie sieht der Status quo bei Zahnfüllungsmaterialien aus?

Vernünftig mit Augenmaß angewendete Bulk-Fill-Komposite, sowohl in der flüssigen als auch in der modellierbaren Variante, stellen derzeit die beste Möglichkeit dar, Zähne dauerhaft direkt zu restaurieren. Es geht dabei gar nicht so sehr um Zeitersparnis oder Wirtschaftlichkeit, sondern vielmehr um Handling und die Sicherheit der Anwendung, im Sinne von Fehlervermeidung. Daher wird der Einsatz dieser Komposite auch immer mehr zunehmen, entweder alleine oder in Kombination mit bereits etablierten Kompositen.

Flowables

Bei endodontischen Versorgungen im Zahnhalsbereich oder bei sehr tiefen Kavitäten kommen immer mehr Flow-Komposite zur Anwendung, obwohl manche skeptisch sind. Warum eigentlich?

Flow-Komposite galten lange als verpönt, weil früher im Prinzip hochvisköse Komposite einfach verdünnt wurden. Damals wiesen „Flowables“ viel mehr Schrumpfung und Abrasion auf, aber das hat sich inzwischen dramatisch verbessert. Ich sage immer „keine Angst vor Flow“, denn es ergeben sich im Handling mit Flow-Kompositen einfach Vorteile, und sie sind tatsächlich eine sehr gute Ergänzung bei vielen Anwendungen.

Licht- bzw. Polymerisationsgeräte

Was können Licht- bzw. Polymerisationsgeräte 2023?

Lichtgeräte haben sich in ihrer Effektivität ungefähr so rasant entwickelt wie Computer. Was man um die Jahrtausendwende an Computern zur Verfügung hatte, wäre heute nicht mehr denkbar – darauf würde kein Programm mehr laufen. Bei den LED-Polymerisationsleuchten ist es ähnlich. Die waren vor 20 Jahren auch noch wie ein Atari-Computer – sehr schlecht und wenig leistungsfähig. Heute sprechen wir von ganz anderen Dimensionen. Das heißt, in einer vernünftigen Zeit vernünftig lichtzuhärten, sollte überhaupt kein Problem sein – sofern das Handling stimmt.

Zahnersatz

Wie gehen Sie bei Defektpräparationen vor – mit Krone, Teilkrone oder weniger invasiven Table Tops?

Ein Table Top bietet sich eigentlich nur an, wenn vom Zahn noch relativ viel steht. Wenn Sie zum Beispiel eine Bisserhöhung machen und Sie möchten Keramik benutzen, dann machen Sie damit einen dünnen Deckel auf den Defekt – dafür sind Table Tops sehr gut geeignet. Aber bei tief zerstörten Zähnen, vor allem nach endodontischen Behandlungen, sehe ich die Teilkrone, aber manchmal auch die Krone, immer noch deutlich im Vorteil. Da wäre das Table Top keine Alternative.

Ästhetische Zahnmedizin

Viele junge Leute greifen vermehrt zu Veneers, um ein schönes, weißes Lächeln zu erzielen. Wie stehen Sie zu dieser Versorgung?

Ich rate jungen Menschen, die eine objektive Beratung wollen, fast ausschließlich zu ABC: Aligner – Bleaching – Composite. Das ist die ideale Herangehensweise in der Ästhetischen Zahnmedizin, gerade bei Fehlstellungen und zu dunklen Zähnen. Aber auch das Bleaching funktioniert nur mit Augenmaß und nicht bis zur Farbe „Kühlschrankweiß“. Im Restaurationsfall ist mein Credo „Composite first, ceramic second“. Nicht, weil Komposit besser ist, sondern weil es, chronologisch im Leben des Patienten, immer besser ist, so minimalinvasiv wie möglich mit Komposit zu starten. Erst später – frühestens ab dem 25. Lebensjahr – sollte man mit Keramik arbeiten. Leider fangen viele junge Menschen – verleitet von Influencern, die ja bekanntlich für Geld alles behaupten und keinerlei Skrupel haben – viel zu früh an, sich Keramikveneers oder gar Kronen auf gesunde Zähne machen zu lassen und laufen damit auf direktem Wege in ein ästhetisches und oft auch endodontologisches Desaster.

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Praxis Wirtschaft erschienen.

Mehr News aus Branchenmeldungen

ePaper