Branchenmeldungen 28.10.2025
„Uns verbindet mehr, als uns voneinander trennt“
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Ostdeutsche Prägung
In Thüringen und den ostdeutschen Bundesländern ist aus historischen Gründen mehr als die Hälfte der Zahnärzteschaft weiblich. Das westdeutsche Schlagwort von einer „Feminisierung der Zahnmedizin“ war hier schon immer Realität. Natürlich freue ich mich, wenn weiterhin viele junge Frauen unseren tollen Beruf ergreifen wollen. Und natürlich hoffe ich, dass viele davon sich neben Job und Familie auch in unseren Berufsvertretungen engagieren. Vielleicht können Frauen in Kammervorständen dafür tatsächlich Wegbereiter und Türöffner sein.
Frau Dr. Seidler, Sie sind neben Dr. Anne Bauersachs die zweite Frau im Vorstand der Landeszahnärztekammer Thüringen. Was hat Sie motiviert, sich im Vorstand einzubringen?
Mir geht es nicht darum, einen Vorstandsposten zu besetzen. Ich möchte neue Impulse geben und die Thüringer Zahnärzteschaft mit voranbringen.
Nach vielen Jahren angestellt im Universitätsklinikum Jena und in einer Jenaer Zahnarztpraxis habe ich 2018 mit einem männlichen Kollegen eine Gemeinschaftspraxis im schönen Ilmenau übernommen. Außerdem engagiere ich mich schon seit Langem in der praktischen Ausbildung neuer Prophylaxeassistentinnen (ZMP). Daher betrachte ich viele Dinge nicht nur als Praxisinhaberin, sondern habe auch immer ein Ohr für unser Praxispersonal. Aus beiden Welten weiß ich, wie wichtig ein motiviertes und gut ausgebildetes Team für das Arbeitsklima und den Behandlungserfolg, aber eben auch für die wirtschaftliche Bilanz einer Zahnarztpraxis ist.
Was gewinnt Ihrer Meinung nach ein Kammervorstand, der sich in gleicher Gewichtung aus Männern wie Frauen zusammensetzt?
Unser Vorstand ist nicht paritätisch durch Frauen und Männer besetzt, und es geht auch nicht um irgendwelche festgelegten Prozentanteile. Viel wichtiger ist, dass unsere Standespolitik die vielfältigen Lebensentwürfe und Berufswege in der Zahnärzteschaft berücksichtigt.
Dabei bringen Frauen einfach zusätzliche Perspektiven ein. Das muss gar nicht unbedingt eine spezifisch weibliche Sicht sein. Oft reicht ein anderer Blickwinkel, eine ergänzende Erfahrung, vielleicht auch eine neue Herangehensweise an schon lange bestehende Probleme.
Wir stehen gemeinsam vor so gewaltigen Herausforderungen, dass wir Zahnärzt/-innen mit einer Stimme sprechen müssen: Wir wollen unseren zahnärztlichen Nachwuchs ermuntern, den Schritt in die Niederlassung auch im ländlichen Raum zu wagen. Wir wollen zeigen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – auch und gerade für Frauen – in einer eigenen Praxis viel freier gestaltet werden kann als in einer Festanstellung. Wir wollen den bedrohlichen Fachkräftemangel beim Praxispersonal bewältigen, und hierin sehe ich meine ganz besondere Aufgabe. Wir wollen die praxisferne Bürokratie und staatliche Reglementierung eindämmen sowie vieles andere mehr ...
Zu all diesen Themen bringt jeder seine persönlichen Gedanken mit – egal, ob Frau oder Mann, ob jung oder alt, ob Stadtkind oder Landei, ob niedergelassen oder angestellt, ob Generalist oder Spezialist. Diese Vielfalt in der Einheit ist ein unschätzbarer Vorteil. Schließlich verbindet uns alle doch mehr, als uns voneinander trennt, zumal die allermeisten Kolleg/-innen im Praxisalltag völlig problemlos und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Wie soll das von Ihnen besetzte, neue Vorstandsreferat die Thüringer Zahnarztpraxen im Wettbewerb um Fachkräfte stärken, und welche Schwerpunkte setzen Sie dabei?
Das neue Vorstandsressort unterstützt Personal und Praxen gleichermaßen. Unsere Angebote können Entwicklungschancen verwirklichen und Berufsausstiege vermeiden. Vielleicht schaffen wir es sogar, ältere ZFA länger im Beruf zu halten. Dazu sind wir auch ein vertrauter Ansprechpartner für Sorgen und Nöte der ZFA, wenns im Praxisteam mal knirscht.