Wissenschaft und Forschung 23.11.2012
Forscher entdecken unbekannte Proteine des Herpesvirus
Über
80 Prozent der Weltbevölkerung sind mit dem Herpesvirus infiziert. Bei
Neugeborenen und Personen mit geschwächtem Immunsystem kann dies schwere
Erkrankungen auslösen. Bereits vor 20 Jahren entschlüsselten Forscher
sein Genom und glaubten somit alle Proteine, die das Virus produziert
(Virus-Proteom), vorhersagen zu können. Die Wissenschaftler aus der
Forschungsabteilung von Matthias Mann, Direktor am MPI für Biochemie,
analysierten mit ihren amerikanischen Kollegen den Informationsgehalt
des Erbgutes jetzt genauer.
Klein, aber hochkomplex
Für ihre Studie ließen die Wissenschaftler Herpesviren in Zellen
eindringen und beobachteten über einen Zeitraum von 72 Stunden, welche
Proteine das Virus im Inneren der Zelle herstellte. Damit Proteine
überhaupt entstehen können, bildet die Zellmaschinerie zuerst Kopien des
Erbguts als Zwischenprodukte (RNA). Bei der Untersuchung der
Zwischenprodukte des Herpesvirus entdeckten die amerikanischen
Kollaborationspartner viele bisher unbekannte RNA-Moleküle, von denen
der Großteil überraschend kurz war. Außerdem zeigte sich, wie komplex
die Informationen für die Proteinherstellung im Virusgenom organisiert
sind. Annette Michalski, Wissenschaftlerin in der Abteilung „Proteomics
und Signaltransduktion“ am MPI für Biochemie, konnte dann mit Hilfe der
Massenspektrometrie die neu vorhergesagten Proteinmoleküle des Virus
direkt nachweisen. Diese am MPI für Biochemie etablierte Methode
ermöglicht die Gesamtansicht des Proteoms der Virus-infizierten Zelle.
Die Ergebnisse der amerikanischen und deutschen Forscher geben einen
detaillierten Einblick in die komplexen Mechanismen, mit denen der
Erreger arbeitet. „Wir konnten zeigen, dass es nicht ausreicht, nur das
Virusgenom genau zu kennen, um die Biologie des Herpesvirus zu
verstehen“ meint Annette Michalski. „Es ist wichtig, sich die Produkte
anzuschauen, die tatsächlich aus dem Genom entstehen.“ Auch die
menschlichen Erbanlagen könnten wesentlich komplexer sein, als der
Bauplan zunächst glauben lässt, so die Forscher. Matthias Mann und seine
Mitarbeiter haben sich zum Ziel gesetzt, diese Frage in den nächsten
Jahren weiter zu untersuchen.
Originalpublikation:
N. Stern-Ginossar, B. Weisburd, A. Michalski, V. T. Khanh Le, M. Y.
Hein, S.-X. Huang, M. Ma, B. Shen, S.-B. Qian, H. Hengel, M. Mann, N. T.
Ingolia, J. S. Weissmann: Decoding Human Cytomegalovirus, Science,
November 23, 2012.
DOI:10.1126/science.1227919
Quelle: Max-Planck-Institut für Biochemie