Wissenschaft und Forschung 28.07.2012
Menschliche Zähne genauso robust wie Haifischzähne
Und der Haifisch, der hat Zähne… – aber was für welche: Wissenschaftler
der UDE und des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) in
Düsseldorf haben die Zahnstrukturen bei Hai und Mensch analysiert und
dabei Erstaunliches festgestellt: Obwohl die Beißer des Raubtiers zu
hundert Prozent Fluoride enthalten, also das Mineral, das niedrigdosiert
in Zahncremes steckt, sind sie nicht härter als unsere.
Dass die Nano- und Werkstoffwissenschaftler ausgerechnet Haien auf
den Zahn fühlen, ist kein Zufall. „Das wollte ich schon lange einmal
tun“, betont Matthias Epple, Professor für Anorganische Chemie. „Wir
beschäftigen uns an der UDE seit Jahren mit der Biomineralisation. Dabei
geht es um die Frage, was anorganische Mineralien in biologischen
Systemen, also Zähnen, Knochen, Muschelschalen, bewirken. Haie besitzen
bekanntlich einen Zahnschmelz aus dem sehr harten Mineral Fluorapatit.
Bislang hat den aber noch kein Forscher mit modernen High-end-Methoden
aus Chemie und Physik analysiert.“ Das haben Epple und sein Düsseldorfer
Kollege Professor Dierk Raabe zusammen mit Dr. Oleg Prymak und Joachim
Enax nun nachgeholt. Den Großteil der Arbeiten führten sie an der UDE
durch. Am Max-Planck-Institut fanden insbesondere die mechanischen
Messungen statt.
Für die Studie nahmen die Forscher die Zähne des Kurzflossen-Mako
und des Tigerhais buchstäblich auseinander – diese Arten fressen ihr
Beutefleisch nämlich unterschiedlich. Mithilfe des
Rasterelektronenmikroskops und der Röntgenbeugung schauten sie sich
Anordnung, Größe und Natur der Fluorapatit-Kristalle an, über die
mechanischen Messungen prüften sie die Härte lokal in kleinen Bereichen.
Obwohl der Mako das Fleisch seiner Beute reißt und der Tigerhai es
schneidet, ist der chemische und kristalline Aufbau ihrer Zähne nahezu
identisch, stellten Epple und seine Kollegen fest. Im Inneren ist
elastisches Dentin, das Äußere ist hochmineralisiert.
So könnte man eigentlich getrost davon ausgehen, dass Haifischzähne
härter sind als unsere. „Der Schmelz beim Menschen besteht aus einem
etwas weicheren Mineral, dem Hydroxylapatit, der übrigens ebenfalls in
Knochen vorkommt.“ Doch zur Überraschung der Forscher ergaben die
Vergleichsuntersuchungen an einem menschlichen Zahn: Er ist genauso
robust wie der des gefürchteten Raubtieres. „Das liegt an der besonderen
Mikro- und Nanostruktur unserer Zähne, in denen Kristallnadeln durch
besondere Anordnung und Verkleben mit Proteinen verhindern, dass ein
Bruch durch den ganzen Kristall läuft“, so der Professor, der auch dem
Center for Nanointegration Duisburg-Essen (CENIDE) der Uni angehört. Die
Natur hat das übrigens bei allen Lebewesen ähnlich eingerichtet: Wären
Zähne nämlich komplett mineralisch, so drohten sie zu zersplittern.
Ihre Arbeiten setzen die Wissenschaftler nun fort, etwa an Haien
unterschiedlichen Alters. Und sie experimentieren damit, die Strukturen
nachzubauen – für den Zahnersatz von morgen. „Es wäre toll, wenn man
irgendwann Zähne mit einem Material restaurieren könnte, das viel
natürlicher ist als die heutigen Behelfslösungen.“
Bis dahin muss sich der Mensch wohl damit abfinden, dass Haie
dennoch die besseren Zähne haben: Diese wachsen immer wieder nach und
bekommen keine Löcher. „Das mag am Fluorapatit liegen, aber auch am
Wechselgebiss, das fortlaufend durch das Meerwasser umspült wird“, sagt
Matthias Epple. „Nicht zu vergessen: Haie futtern keinen Zucker.“
Die Forschungsergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Journal of Structural Biology, 178 (2012), veröffentlicht.
Quelle: Universität Duisburg-Essen