Wissenschaft und Forschung 08.11.2011
Mit Nanoforschung der Karies auf der Spur
Forscher der Universität Basel und des Paul Scherrer Instituts konnten im Nanomassstab zeigen, wie sich Karies auf die menschlichen Zähne auswirkt. Ihre Studie eröffnet neue Perspektiven für die Behandlung von Zahnschäden, bei denen heute nur der Griff zum Bohrer bleibt. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Nanomedicine» veröffentlicht.
Bei Karies, der häufigsten Zahnerkrankung, greifen von Bakterien
produzierte Säuren die Zähne an und lösen die in Zahnschmelz, Zahnbein
(Dentin) und Wurzelzement vorhandenen Mineralien heraus. Solange der
äussere Zahnschmelz intakt ist, lassen sich erste Schadstellen durch
Fluoridpräparate und durch eine gute Zahnhygiene in begrenztem Mass
remineralisieren. Was beim Zahnschmelz noch teilweise funktioniert, gilt
aber nicht für das Zahnbein: Sind die Bakterien und Säuren einmal
tiefer ins Dentin eingedrungen, muss der Zahnarzt die betroffene Stelle
weiträumig mit dem Bohrer entfernen, bevor der Zahn mit einer Füllung
rekonstruiert werden kann.
Remineralisierung des Dentins angestrebt
Das
Zahnbein besteht nicht nur aus keramischen Komponenten, sondern enthält
etwa zu einem Fünftel auch organisches Material. Bereits früher wurde
vermutet, dass diese organischen Bestandteile – insbesondere bestimmte
Struktureiweisse (Kollagen) – von einer Schädigung unberührt bleiben und
dass ihre Struktur Ausgangspunkte für eine Remineralisierung bieten
könnte. Um diese Hypothese zu überprüfen, nutzten die Forscher um Prof.
Bert Müller vom Biomaterials Science Center der Universität Basel eine
Röntgenstreumethode, um die Kollagendichte von gesunden und kariösen
Zahnstellen miteinander zu vergleichen.
Dazu zersägten die
Forscher gesunde und kariöse Zähne in dünne Scheibchen von 0,2 bis 0,5
Millimeter und untersuchten sie mithilfe eines als ortsaufgelöste
Kleinwinkelröntgenstreuung (Scanning Small-Angle X-ray Scattering, SAXS)
bezeichneten Verfahrens. Bei der Untersuchung stellten sie fest, dass
die Kariesbakterien zunächst nur die keramischen Komponenten des
äusseren Zahnschmelzes und des darunter liegenden Zahnbeins zerstören.
Hingegen bleibt in einem frühen bis mittlerem Kariesstadium ein
erheblicher Teil des kollagenen Grundgerüsts des Zahns erhalten.
Die
Wissenschaftler vermuten deshalb, dass ihr Verfahren künftig nicht nur
die Entwicklung biomimetische Zahnfüllungen ermöglichen wird, sondern
dass auch Kariesbehandlungen entwickelt werden können, welche auf dem
unbeschädigten Kollagengerüst aufbauen und die Remineralisierung des
geschädigten Dentins beispielsweise mit Nanopartikeln erlauben.
Originalbeitrag
Hans Deyhle, Oliver Bunk, Bert Müller
Nanostructure of healthy and caries-affected human teeth
Nanomedicine: Nanotechnology, Biology, and Medicine (in press) | doi: 10.1016/j.nano.2011.09.005