Wissenschaft und Forschung 09.04.2013
Ötzi hatte schlechte Zähne
Erstmals haben Forscher vom Zentrum für
Evolutionäre Medizin der Universität Zürich gemeinsam mit
ausländischen Kollegen an der Mumie Ötzi Parodontitis, Karies und
unfallbedingte Zahnverletzungen nachweisen können. Die neusten
wissenschaftlichen Resultate geben interessante Hinweise auf das
Ernährungsverhalten des neolithischen Mannes aus dem Eis und zur
Evolution von medizinisch bedeutenden Zahnkrankheiten.
Die neolithische Mumie Ötzi (ca. 3300
v. Chr) zeigt erstaunlicherweise zahlreiche, auch heutzutage noch
weitverbreitete Erkrankungen an den Zähnen und dem Zahnhalteapparat.
Wie Prof. Frank Rühli, Leiter der Studie, erklärt, litt Ötzi an
einer starken Zahnabschleifung, an mehreren Stellen an teilweiser
ausgeprägter Karies und hatte einen vermutlich unfallbedingten
abgestorbenen Frontzahn.
Obwohl seit über 20 Jahren an dieser
bedeutenden Mumie geforscht wird, waren die Zähne kaum beachtet
worden. Der Zahnarzt Roger Seiler vom Zentrum für Evolutionäre
Medizin der UZH hat nun Ötzis Zähne basierend auf den aktuellsten
computertomografischen Daten untersucht und stellt fest: „Der
Schwund des Zahnhalteapparates war schon immer eine sehr häufige
Erkrankung wie Schädelfunde aus der Steinzeit oder die Untersuchung
ägyptischer Mumien zeigen. Ötzi erlaubt uns einen speziell guten
Einblick in eine solch frühe Form dieser Erkrankung“, erklärt
Seiler. Er ist spezialisiert auf die Untersuchung von
Zahnerkrankungen in früheren Zeiten.
Fortgeschrittene Parodontitis
Die computertomographischen
dreidimensionalen Rekonstruktionen geben einen Einblick in die
Mundhöhle des Eismannes und zeigen, wie sehr er unter einer
fortgeschrittenen Parodontitis litt. Vor allem im Bereich der
hinteren Backenzähne fand Seiler einen Verlust des parodontalen
Stützgewebes, der beinahe die Wurzelspitze erreichte. Zwar hatte
Ötzi wohl kaum seine Zähne geputzt, die abschleifende Nahrung hatte
jedoch viel zur Selbstreinigung beigetragen. Heute wird Parodontitis
mit den Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems in Zusammenhang
gebracht. Interessanterweise zeigt der Eismann auch
Arterienverkalkungen, wofür wie im Falle der Parodontitis in erster
Linie seine genetische Veranlagung verantwortlich war.
Dass der Eismann unter Karies litt, ist
auf die vermehrt stärkehaltige Nahrung wie Brot und Getreidebrei
zurückzuführen, die durch den aufkommenden Ackerbau in der
Jungsteinzeit vermehrt konsumiert werden konnte. Dazu war die Nahrung
durch Verunreinigungen und den Abrieb der Mahlsteine stark
abschleifend, wie die abgeschliffenen Zähne des Eismannes zeigen.
Seine unfallbedingten Zahnschäden zeugen wie seine anderen
Verletzungen vom rauen Leben in jener Zeit. Ein Frontzahn ist durch
einen Schlag abgestorben – die Verfärbung ist noch deutlich
sichtbar und ein Backenzahn hat wohl durch einen Kauunfall,
vielleicht ein Steinchen in Getreidebrei, einen Höcker verloren.
Literatur:
Roger Seiler, Andrew I. Spielman,
Albert Zink, Frank Rühli. Oral pathologies of the Neolithic Iceman,
c.3,300 BC. European Journal of Oral Sciences. April 9, 2013. DOI:
10.1111/eos.12037
Ötzi – die älteste Feuchtmumie
Der Mann aus dem Eis –
umgangssprachlich Ötzi genannt – ist die älteste Feuchtmumie der
Welt. Seit Ihrer Entdeckung im Jahre 1991 haben unzählige
wissenschaftliche Untersuchungen stattgefunden. So wurde
beispielsweise im Jahre 2007 auch unter Mitarbeit von Frank Rühli
die Todesursache von Ötzi, wohl durch inneres Verbluten,
nachgewiesen. Die aktuelle Arbeit fand in Zusammenarbeit mit
Andrew Spielmann (New York University College of Dentistry) und
Albert Zink (EURAC, Bozen) statt. Sie wurde am Zentrum für
Evolutionäre Medizin, Anatomisches Institut der Universität Zürich,
durchgeführt und finanziell von der Mäxi Stiftung Zürich
unterstützt. Das Zentrum erforscht interdisziplinär die Evolution
von bedeutenden menschlichen Erkrankungen.
Quelle: Universität Zürich