Branchenmeldungen 03.09.2012
Engpässe bei Krebsmedikamenten – auch in Deutschland
Onkologen fordern die Länder auf zu handeln
In den kommenden Wochen entscheidet der Bundesrat über das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Nun gilt es für die Länder, Engpässe bei Krebsmedikamenten durch entsprechende gesetzliche Regelungen vorzubeugen. Die aktuelle Marktrücknahmen und Lieferschwierigkeiten bei essentiellen und überlebensnotwendigen Krebsmedikamenten zeigen den dringenden politischen Handlungsbedarf.
Die
Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit fortgeschrittenem Krebs haben
sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. „Aus akut
lebensbedrohlichen, oft hoffnungslosen Situationen sind chronische
Krankheiten geworden“, sagt Prof. Ehninger, Vorsitzender der DGHO
Deutsche Gesellschaft für Hämatolgie und Onkologie e.V. anlässlich der
aktuellen Debatte um die Marktrücknahme des Leukämiemedikaments
MabCampath® (Alemtuzumab). „Vor allem neue und gezielte Medikamente
haben zu diesem Erfolg beigetragen“, so Ehninger weiter. Die
Fachgesellschaft weist jetzt daraufhin, dass dieser Standard der
Versorgung von Krebspatienten gefährdet ist.
Mitte August hatte das pharmazeutische Unternehmen Genzyme, eine
Tochterfirma von Sanofi Aventis, das Leukämie-Medikament MabCampath®
(Alemtuzumab) aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen.
Hintergrund ist die gute Wirkung von Alemtuzumab bei Patienten mit
Multipler Sklerose, allerdings in einer fast 20fach niedrigeren
Dosierung als bei Patienten mit Chro¬nischer Lymphatischer Leukämie. Bei
der Übernahme von Genzyme durch Sanofi Aventis war den Aktionären eine
Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg von Alemtuzumab bei Patienten mit
Multipler Sklerose (MS) vertraglich zugesichert worden. Um bei der
Zulassung von Alemtuzumab als MS Medikament einen besseren Preis
erzielen zu können, wurde das Präparat als Leukämie-Medikament vom Markt
genommen. Sanofi bietet nun einen speziellen Zugang zum wichtigen
Arzneimittel an, doch Prof. Wörmann, medizinischer Leiter der DGHO
schränkt ein: „Selbst wenn das Medikament gratis importiert wird, haben
Patient und Arzt nicht die Sicherheit eines zugelassenen und auch in den
Neben¬wirkungen regelmäßig überwachten Präparates. Bislang existieren
keine Regelungen zur Produkthaftung“.
Dieser Vorgang reiht sich in die Lieferausfälle für lebenswichtige
Medikamente in der Onkologie und Hämatologie ein: Melphalan, Caelyx,
Etoposid, Actinomycin D, Depocyte. Auch die USA waren im Jahr 2011
erheblich von derartigen Engpässen, auch bei Krebsmedikamenten,
betroffen. Die Behörden erhielten daraufhin im Oktober 2011 durch
Präsident Obama größere Vollmachten zur Überwachung der
Arzneimittelversorgung, gegebenenfalls auch zum Import essenzieller
Medikamente aus dem Ausland.
In Deutschland fehlen juristische Instrumente. Ein entsprechender
Absatz, der die Versorgung mit Arzneimitteln bei schwerwiegenden
Erkrankungen sicher stellen und Versorgungsengpässe verhindert sollte,
wurde durch den Bundestag aus dem im Juni verabschiedeten ‚Zweiten
Gesetz zur Änderung arzneimittel¬rechtlicher und anderer Vorschriften‘
(§52b, Absatz 5) gestrichen. In den kommenden Wochen muss das Gesetz im
Bundesrat verabschiedet werden.
Die DGHO fordert die Länder auf, den Vermittlungsausschuss anzurufen und
den gestrichenen Passus wieder aufzunehmen. Für die willkürliche
Marktrücknahme essentieller Medikamente muss darüber hinaus dringend
eine sachdienliche gesetzliche Regelung gefunden werden, um die
Versorgung der Patienten sicherzustellen „Pharmazeutische Hersteller und
politisch Verantwortliche dürfen den guten Standard der medikamentösen
Versorgung von Krebspatienten in Deutschland nicht leichtfertig aufs
Spiel zu setzen.“, betont Prof. Freund Sekretär und Schatzmeister der
DGHO.
DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V.
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V.
besteht seit über 70 Jahren und hat heute mehr als 2.700 Mitglieder, die
in der Erforschung und Behandlung hämatologischer und onkologischer
Erkrankungen tätig sind. Mit der Ausarbeitung von Aus-, Fort- und
Weiterbildungscurricula, der Erstellung von Behandlungsleitlinien und
Behandlungsempfehlungen sowie mit der Durchführung von Fachtagungen und
Fortbildungsseminaren fördert die Fachgesellschaft die hochwertige
Versorgung von Patienten mit hämatologischen und onkologischen
Erkrankungen.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V.