Abrechnung 08.08.2011
Besondere Maßnahmen nach der GOZ-Nr. 203
Eine Entscheidung des LG Düsseldorf wertet die Qualitätsabformungen finanziell auf: Das Legen von Retraktionsfäden der Größe 0 und 1 für Präzisionsabformungen stellt demnach voneinander getrennte „besondere Maßnahmen“ nach GOZ-Nr. 203 dar.
Die
Leistungsbeschreibung der GOZ-Nr. 203 lautet wie folgt: „Besondere Maßnahmen
beim Präparieren oder Füllen von Kavitäten (z.B. Separieren, Beseitigen störenden
Zahnfleisches, Stillung übermäßiger Papillenblutung), je Kieferhälfte oder
Frontzahnbereich.“ Das bedeutet im Klartext, dass besondere Maßnahmen nach
der GOZ-Nr. 203 auch mehrmals pro Sitzung im gleichen Gebiet anfallen und
berechnet werden können, insoweit es sich um eine der
Leistungsbeschreibung adäquate, selbstständige Leistung handelt. Um zu
vermeiden, dass private Krankenversicherungen gebührenrechtlich pauschale
Mengenbegrenzungen durchsetzen, empfiehlt es sich auch nach Auffassung der Bundeszahnärztekammer detailliert „[…] Die Bezeichnung der jeweils
durchgeführten Maßnahme im Leistungstext […]“ zu verankern (Quelle:
BZB/Oktober/ 05/BLZK u. KZVB). Zahlreiche Urteile untermauern diese
Ansicht (beispielhaft Urteil des OLG Düsseldorf vom 14. April 2005, Az.
I-8 U 33/04; AG Fürth vom 17. Februar 1999, Az. 330 C 473/98).
Falldarstellung
Wie wichtig eine ordnungsgemäße und gebührenrechtlich saubere Dokumentation in der Patientenakte nach Art der durchgeführten Maßnahmen je Zahn, aber eben auch eine ordnungsmäßig ausformulierte und mit beidseitigem Einvernehmen unterzeichnete schriftliche Gebührenvereinbarung sein kann, beweist einmal mehr ein Fall, der am 29.07.2010 unter dem Vorsitz des LG Düsseldorf (Az. 3 O 431/02) entschieden wurde.
Folgender Sachverhalt: Am 30. Januar 2002 erstellte der Kläger einen Heil- und Kostenplan über eine langzeitprovisorische Versorgung der Zähne 14 bis 24 mit Zahnersatz nebst zugehöriger Abdingungsvereinbarung gemäß §2 Abs. 1, 2 GOZ (Anlage K1, Bl. 14 ff. GA). Beide wurden von dem Beklagten am 5. Februar 2002 unterschrieben. Die GOZ-Nr. 203 im Speziellen sei anschließend für das Legen von Retraktionsfäden der Größe 0 und 1 an den Zähnen 13, 14, 23 und 24 am 7. Februar 2002 insgesamt achtmal und einmal für die Anwendung des Dentinadhäsivs Scotchbond in Rechnung gestellt worden, was von der Versicherung des Patienten in diesem Umfang nicht akzeptiert und vollumfänglich erstattet wurde. Das Gericht dagegen bejahte den Zahlungsanspruch des Zahnarztes gegenüber seinem Patienten in voller Höhe, da die Parteien für die nach dem Heil- und Kostenplan erbrachten Leistungen eine wirksame, von der GOZ abweichende Honorarvereinbarung geschlossen hatten und ein Gutachten ergab, dass die erwähnten Gebührenziffern zulässigerweise nebeneinander abgerechnet wurden. „[…] laut dem Sachverständigen-gutachten [sei] die Gebührenziffer 203 [an einem Behandlungstag] neunmal abrechenbar gewesen. Der Sachverständige hat detailliert und plausibel erläutert, dass es sich beim Legen von Fäden bei der Nachpräparation und bei der Adhäsivtechnik sowie vor der Abdrucknahme jeweils um verschiedenartige Leistungen bzw. unterschiedliche Behandlungsphasen gehandelt hat, für welche die Ziffer 203 insgesamt fünfmal in Ansatz gebracht werden konnte.
Auch die weitere viermalige Berechnung der Gebührenziffer ist – wie der Sachverständige erläutert hat – im Hinblick auf den zusätzlichen Aufwand, welcher der Steigerung der Qualität und Präzision sowie einer optimalen Passform und einer langen Verweildauer gedient hat, gerechtfertigt gewesen. Insbesondere haben die Parteien wirksam für die Leistungen, die gemäß des Heil- und Kostenplanes […] erbracht worden sind, eine von der Gebührenordnung für Zahnärzte abweichende Höhe der Vergütung vereinbart. Die schriftliche Gebührenvereinbarung der Parteien […] genügt den Anforderungen des § 2 Abs. 2 GOZ. Auch wurde der Heil- und Kostenplan sowie die Gebührenvereinbarung vor dem Beginn der Arbeiten […] erstellt und von dem Beklagten unterzeichnet.“ Es ist anzunehmen, dass die GOZ-Nr. 203 für das Fadenlegen jeweils einmal im Zusammenhang mit der Nachpräparation im I. und II. Quadranten angesetzt wurde – in gleicher Konstellation für das Legen des Retraktionsfadens Größe 1 vor der Abformung.
Warum für das Legen des Fadens Größe 0 offensichtlich ein mehr als zweimaliger Ansatz der GOZ-Nr. 203 (gebührenrechtlich einmal je Quadrant) angesetzt werden konnte, erschließt sich aus abrechnungstechnischer Sicht allerdings nur schwer, spricht aber erstens für die Anerkennung des Qualitätsanspruches des behandelnden Kollegen und zweitens für die grundsätzlich gebührenrechtliche Anerkennung des Legens eines zweiten Retraktionsfadens mit dem Ziel der besseren Abformung gerade im Bereich des Präparationsrands. Denn wird der zweite Retraktionsfaden erst unmittelbar vor der Präzisionsabformung aus dem Sulkus entfernt, dient der erste, darunterliegende Retraktionsfaden einer dauerhaften Verdrängung des Zahnfleischs und wirkt dem schnellen Einschießen von Sulkusfluid und Blut nach Entfernen des Fadens entgegen, wie er zumeist deutlich zutage tritt, wenn man nur einen Retraktionsfaden legt. Gerade im Zusammenhang mit CAD/CAM-Restaurationen ist dieses Vorgehen zu empfehlen – nicht nur, weil es sich nunmehr auch finanziell zu lohnen scheint.
Fazit
Auf der Basis eines neuen rechtmäßigen Urteils zur GOZ-Nr. 203 sollte sich auch seitens privater Krankenkassen mehr Akzeptanz für eine leistungsgerechte Vergütung bei hochwertigen Behandlungen einstellen. Wird gebührenrechtlich korrekt gegenüber dem Patienten und damit seiner Versicherung abgerechnet, dürfen Verzögerungstaktiken und Leistungskürzungen der Versicherungen die Arzt-Patienten-Bindung nicht länger unnötig strapazieren. Hinweis: Die Abrechnungshinweise sind vom Autor nach ausführlicher Recherche erstellt worden. Eine Haftung und Gewähr wird jedoch ausgeschlossen.
Autor: André Staubitz