Businessnews 16.08.2022
„Gemeinsam für eine Neuausrichtung des BVD“
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Mitte Juli wurde Jochen G. Linneweh zum neuen Präsidenten des Bundesverbandes Dentalhandel e.V. gewählt und übernahm damit die wichtigste Interessenvertretung des deutschen Dentalfachhandels. Im Interview erläutert er seinen Fokus auf die qualifizierte Ausbildung der Fachkräfte von morgen sowie seine Pläne für ein krisenfestes Wachstum des Fachhandels.
Herr Linneweh, am 12. Juli 2022 wechselten Sie an die Spitze des Bundesverbandes Dentalhandel e.V. Welche Pläne haben Sie als neuer Präsident des BVD?
Wer meinen persönlichen Werdegang im Dentalmarkt kennt, der weiß, wofür ich mich als Unternehmer seit weit mehr als drei Jahrzehnten einsetze: Es sind alle Themen, die sich mit dem Begriff dentaler Fachhandel verbinden – ein zeitaktuell angepasstes, leistungsbezogenes Gleichgewicht zwischen Herstellern und Anwendern in Praxen und zahntechnischen Laboratorien. Denn Fortschritt ist Wandel.
Wie in kaum einer anderen Branche liefern die Entwicklungen in Zahnmedizin und Zahntechnik hierzu herausragende Beispiele. Auch der BVD als ein starker Händlerverband hat sich mit gezieltem Kurs auf die Zukunft neu auszurichten, um die Arbeit seiner Mitgliederfirmen zu erleichtern, deren Interessen zu bündeln und um Mehrwerte zu bieten. Hierfür werde ich mich engagieren und baue fest auf die kreative Unterstützung meiner Präsidiumskollegen wie auch auf die kooperativen Mitglieder aufseiten der handelsorientierten Lieferanten. Uns ist ebenso bewusst, dass es sich hier um keine isolierten länderspezifischen Themen handelt. Der intensive Austausch mit anderen Dentalverbänden in Europa ist einer von vielen Punkten.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für die Zukunft der Dentalbranche und welche Themen stehen gleich zu Beginn ganz oben auf Ihrer Agenda als BVD-Präsident?
Zu unseren großen Themen gehört mehr denn je die Fachkräfte-Nachwuchssuche und das Thema Ausbildung im Speziellen. Hier gilt es, die Kompetenzen möglichst vielfältig zu gestalten, denn die Nachwuchsförderung ist unser gemeinsames erklärtes Ziel. Hierbei setzt der BVD auf die Bildungs- und Serviceangebote seiner Tochtergesellschaft, der DMS GmbH. Zu deren Angeboten zählen das E-Learning für Auszubildende, Compliance-Schulungen sowie der von der IHK zertifizierte Schulungslehrgang „Dentalfachberater IHK / Dentalfachberaterin IHK“. Die DMS verfügt zudem über ein unabhängiges Sachreferat Medizinprodukte, welches die Qualifikationen und Schulungen der Servicetechniker durch den Technikerausweis zertifiziert. Die kontinuierliche technische Weiterentwicklung des Praxis- sowie Laborequipments ordnet dem Beruf Dental-Servicetechniker eine hochgradige Bedeutung zu und läuft parallel mit seiner zusätzlichen Spezialisierung.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit zwischen dem Dentalfachhandel und der Industrie?
Eine zunehmend bedeutende Frage! Die Definition der Rahmenbedingungen und die Form des gegenseitigen Umgangs verbleibt ausschließlich in der Verantwortung eines jeden Händlers und Lieferanten, sprich der Industrie. Allerdings sieht sich der BVD sehr wohl als das gebündelte Sprachrohr seiner Mitglieder und fühlt sich angesprochen, wenn es um die Optimierung von gemeinsamer Kommunikation geht. Denn auch in unserem Business ist der gegenseitige Respekt und die Begegnung auf Augenhöhe einer der Schlüssel zum Erfolg. Ein erfolgreicher Fachhandel hat sich für ein marktkonformes, innovatives Sortiment zu entscheiden. Zugleich muss sich der jeweilige Lieferant der zuverlässigen Leistung seines Handelspartners bewusst sein. Der Gewinner aus diesem funktionierenden Zusammenspiel ist letztlich der Anwender in Praxis und Labor. Nur das kann von uns allen gewollt sein.
Zum größten Kundenanteil des Fachhandels zählen zahnärztliche Praxen. Wie sehen Sie die Zukunft der Zahnarztpraxis?
Kaum ein anderer Heilberuf bietet ein solches Potenzial an medizinischen Schwerpunkten wie der des Zahnarztes. Ärzte in bestehenden wie auch neu gegründete Praxen verfügen über persönliche Entscheidungsfreiheit, wohin ihre medizinisch-unternehmerische Reise geht.
Wenn Pessimismus daraus entstehen sollte, weil die Statistik belegt, dass sich Füllungen innerhalb von 30 Jahren um über 50 Prozent verringert haben, muss man zugleich sehen, dass ersatzweise wiederum andere Behandlungsmethoden gewachsen sind, die vor Zahnschäden schützen.
Dass die Zukunft in großen Praxisgesellschaften liege und dass die Mehrzahl der jungen Zahnärzte angeblich einer unverhältnismäßigen Work-Life-Balance frönen, entspricht einfach nicht der Realität. Zugegebenermaßen kann auch nicht jede Praxisneugründung oder -übernahme im Zentrum einer attraktiven Großstadt oder in Seelage in Bayern sein. Das eigene Vertrauen des Zahnarztes in sein Können, die Bereitschaft, sich fortzubilden und sich Trends zu öffnen, wird den Fortbestand der zahnärztlichen Einzelpraxis sicherstellen. Aufgrund der Nähe zum Kunden verfügt der Fachhandel hierin über einen Multiplikator an Erfahrungen und zeichnet sich dadurch aus, partnerschaftlich zu beraten.
Welchen Ratschlag hat Ihnen Ihr Vorgänger Lutz Müller, immerhin 13 Jahre im Amt des BVD-Präsidenten, bei der „Staffelstab-Übergabe“ mit auf den Weg gegeben?
Lutz Müller hat während seines langjährigen Engagements wichtige Weichen zur Weiterentwicklung des Dentalfachhandels gestellt und dafür gebührt ihm unser größter Respekt. Eine unmittelbare Empfehlung hat er mir nicht mit auf den Weg gegeben, er sagte nur, ich möge den Grundgedanken eines leistungsstarken BVD in die Zukunft führen – und das, meine ich, ist Aufgabe genug. Schließlich zählt der deutsche Dentalmarkt mit überdurchschnittlich hohem Qualitätsanspruch zu einem der wichtigsten weltweit. Entsprechend steht auch der dazu gehörende Bundesverband der Fachhändler im Fokus.
Was offenbar nur wenigen bewusst ist: Der dentale Fachhandel in Deutschland liefert Praxis- und Laborbetreibern wie in kaum einem anderen Land ein umfangreiches Dienstleistungsangebot, das von kleinen, mittelständischen und großen Fachhändlern erbracht wird. Entsprechend vertritt auch der BVD die Interessen dieser Mitglieder, ganz gezielt und völlig unabhängig von der Unternehmensgröße.
Gibt es auch formulierte Wünsche, die Sie als neu gewählter Präsident nach außen adressieren?
Danke für die Frage. Es wäre wünschenswert, wenn der BVD seinen Austausch mit Interessensvertretern, Verbänden und Arbeitskreisen aus Zahnmedizin und Zahntechnik intensivieren könnte.
Wünschenswert wäre umso mehr, wenn es gelänge, unsere Branche und damit unsere gemeinsamen Belange mehr in die Öffentlichkeit der Politik zu rücken. Ein Beispiel hierfür: Die pauschale Androhung von Praxisschließungen während der Pandemie ließen vermuten, dass man sich auf oberster politischer Ebene nicht so recht über die Bedeutung und gewissenhafte Arbeitsweise einer zahnärztlichen Praxis im Klaren ist. Mit den Augen nach Berlin gerichtet, gilt es hier, Bewusstsein zu schärfen.
Vielen Dank für das Gespräch.