Businessnews 26.09.2019

„Niemand wird in zehn Jahren noch analog bohren“



„Niemand wird in zehn Jahren noch analog bohren“

Seit Juli diesen Jahres ist Rainer Wagner als General Manager Deutschland und Österreich für die ACTEON® Group tätig. Im Rahmen der Leipziger Fachdental sprach die Redaktion mit ihm über die großen Trends in der Zahnheilkunde und wie ACTEON diese künftig begleiten und vorantreiben möchte.

Herr Wagner, seit Kurzem sind Sie General Manager Deutschland und Österreich für die ACTEON® Group. Wo lag Ihr bisheriges Berufsfeld? 

Rainer Wagner: Ich komme aus der digitalisierten Medizintechnik im Bereich der Krankenhauskommunikation und der Softwarelösung. Ich war also lange Jahre daran beteiligt, diese Transformation im Gesundheitswesen mit voranzutreiben, von der analogen Akte hin zur digitalen und an allem, was damit zusammenhängt. Danach war ich in der Kieferorthopädie bei einem Unternehmen beschäftigt, das hochdigitalisierte Prozesse verinnerlicht hat und lebt. Für mich als jemand, der nun in der Dentalbranche angekommen ist, ist es sehr spannend, die Entwicklung in diesem Bereich zu beobachten und welche Herausforderungen es zu bewältigen gilt. Die sind mir aus meinen früheren Tätigkeitsbereichen durchaus bekannt. Der zahnmedizinische Markt befindet sich in einer Transformation, kann man sagen – und in solchen Märkten fühle ich mich wohl.

Welche Ideen bringen Sie persönlich in die ACTEON Group mit ein?

Es ist manchmal gar nicht schlecht, wenn man aus einem anderen Bereich kommt, so dass man nicht unbedingt die Regeln, Gesetzmäßigkeiten oder ausgetretenen Pfade der Branche mitgehen muss und kann. Dabei möchte ich die früheren Erfahrungen nutzen, um neue Wege zu gehen.

Ich war immer wieder in Positionen, die gewisse Herausforderungen mit sich gebracht haben. Das liegt mir sehr nahe. Und von daher glaube ich, dass ich jemand bin, der sich schnell an neue Bedingungen anpassen kann, der Trends erkennt, aber auch neue Trends einleitet und begleitet. Dabei schwimme ich vielleicht mal gegen den Strom. Aber ich bin auch ein großer Freund der Kooperation. Denn ich bin überzeugt davon, dass man sehr viele Dinge viel besser gestalten kann, indem man sie gemeinsam angeht und dafür auch Freunde und Unterstützer sucht und findet.

Durch meine Erfahrung kann ich die digitale Transformation, in der sich die Dentalbranche momentan befindet, gut verstehen und weiß, wohin sie führt. Und dadurch kann ich natürlich auch planen und strategische Impulse setzen, die zum Erfolg führen.

Sie sprechen von Trends. Welche Ziele und Strategien verfolgen Sie in naher Zukunft?

In den vergangenen Monaten habe ich festgestellt, dass es in der Dentalbranche Innovationen gibt, die noch gar nicht so präsent und marktdurchdringend sind, wie sie eigentlich sein sollten. Ich nenne da beispielsweise die Piezochirurgie als eines der großen Themen, in denen wir einer der Innovationsführer sind. Diese Bereiche sind noch unglaublich ausbaufähig. Das sind Technologien, die wir im Zuge der Patientenzufriedenheit, aber auch der neuen Umsatzmöglichkeiten für den Zahnarzt, noch fokussierter angehen können.

So ist man vor 30 Jahren zum Zahnarzt gegangen, weil man Schmerzen hatte. Heute geht man meist zum Zahnarzt, weil man ein ästhetisches Problem oder Bedürfnis hat. Und wenn man das mit einer typischen Verhaltensweise des Patienten, der gewünschten sofortigen Bedürfnisbefriedigung, kombiniert, ist man bei der Direktverfügbarkeit von bestimmten Lösungen, um entsprechend der Wünsche agieren zu können. Dieser Ansatz, dem hohen ästhetischen Anspruch des Patienten sofort genügen zu können und gleichzeitig mit so wenig Aufwand, Schmerz und Leid wie möglich Zahnmedizin zu betreiben, das ist eine große Herausforderung, der sich alle stellen müssen – sowohl die Hersteller als auch die Depots. Wir müssen uns auf die veränderten Bedürfnisse einstellen. Und da sind wir noch nicht da, wo wir hinwollen.

Wo würden Sie in diesem Zusammenhang die ACTEON Group konkret verorten? 

Es gibt das Problem der veränderten Bedürfnisstruktur und auch der Demographie erstens bei den Patientengruppen, aber auch bei den Zahnärzten. Wir haben verstärkt MVZs und Gemeinschaftspraxen, aber auch immer mehr Frauen in der Zahnmedizin etc. Diese Strukturen verlangen ganz neue Ansätze. Gern gebe ich dafür ein Beispiel: Vor kurzem zeigte mir eine Zahnärztin per Video, wie sie eine Molarenextraktion mit den Fingern vorgenommen hat mit unserem Piezotome® Cube. Sie hat dafür vier Minuten gebraucht bei einem 150 Kilogramm schweren Boxer. Er war ein klassischer Trauma-Patient mit großer Angst. Schlussendlich wurde die Situation grandios gemeistert – ohne viel Blut, ohne Schmerzen und Schmerztabletten, an einem Tag. Und wenn man dann noch einen Schritt weiter geht und wiederum eine Sofortimplantation in Betracht zieht, was in der Branche ein Riesenthema ist, und man sofort oder an einem Tag zumindest Implantate setzen kann, dann ist das für mich – neben der Digitalisierung – ein Gesamttrend. Optimierte, minimalinvasive, atraumatische Behandlungsmethoden bekommen aufgrund der neuen Bedürfnisstrukturen der Patienten und Zahnärzte viel mehr Wichtigkeit und Akzeptanz.

Auf der anderen Seite steht natürlich die Digitalisierung von Prozessen. Ganz neu besetzen wir das Thema im Bereich Imaging. Das hat für uns zunehmend Priorität.

In diesem Jahr hat Ihr Unternehmen mit der Weiterentwicklung des X-MIND® Trium und dem neuen X-MIND® Prime für Aufsehen gesorgt. Wie möchten Sie ACTEON weiter in der Bildgebung positionieren?

Bezüglich des Imagings haben wir weltweit sehr ambitionierte Ziele. Es gibt einige Märkte, auf denen wir schon sehr erfolgreich sind. Das ist in Deutschland sicher noch nicht marktdurchdringend, aber in den USA, in Frankreich und anderen europäischen Ländern wie den skandinavischen sind wir in dem Bereich schon recht stark. Durch die diesjährigen Akquisitionen in dem Bereich – wir haben uns anorganisch erweitert und vergrößert – können wir jetzt im intra- wie extraoralen, im Klein- und Großröntgenbereich, die gesamte Range abdecken. Das heißt, wir können das komplette Portfolio abbilden und sind in der Lage, mit einer sich ständig weiter entwickelnden Software-Lösung, der ACTEON Imaging Suite® (AIS) 3.0, die wir letztes Jahr auf den Markt gebracht haben, implantologische und labortechnische Prozesse in der Praxis zu integrieren und sämtliche Schnittstellen zu bedienen. Hier müssen wir uns nicht verstecken. Der Markt ist stark penetriert und es gibt viel Wettbewerb. Aber ich denke, wir haben hier eine Lösung, die wir sehr gut platzieren können.

Noch einmal zurück zur Piezochirurgie. Der Piezotome Cube STAR feierte auf der IDS Premiere. Wo sehen Sie die Ultraschalltechnologie in zehn Jahren und welche Rolle soll ACTEON dabei spielen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Piezochirurgie zu einem Standard in der Zahnmedizin wird. Niemand wird in zehn Jahren noch analog bohren. Die Technologie wird sich rasant weiterentwickeln. Wir sind jetzt in dem Stadium, wo wir sagen, piezotechnisch können wir demnächst bohren, minimalinvasiv und patientenfreundlich. Diese Technologie wird sich durchsetzen, wir werden einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, um diese am Markt zu etablieren. Wir haben in diesem Bereich noch sehr viel vor. Ich verrate sicher nicht zu viel, dass wir Anwendungen, die heute immer noch vieler Hilfsmittel bedürfen, mittelfristig alle über die Piezochirurgie und speziell den Piezotome Cube und weitere Lösungen abbilden können. Bei der minimalinvasiven, atraumatischen Ultraschallchirurgie werden wir maßgeblich an der technologischen Weiterentwicklung teilhaben.

Zusammenfassend: Welche Kernkompetenzen und Produktsparten der ACTEON Group möchten Sie langfristig in den Fokus rücken? 

Es sind die ganzheitlichen vernetzten digitalen Lösungen, die wir zusammen mit anderen Partnern anbieten. Wir wollen unter die Top-Anbieter im Imaging-Bereich vordringen. Auch die minimalinvasive Ultraschallchirurgie ist ein Bereich, in dem wir sehr stark sind. Diesen wollen wir weiter ausbauen. Und ebenso ist die Prophylaxe ein von uns stark besetztes Thema und hart umkämpft. Aber genauso glaube ich hier, dass es künftig ganz neue Ansätze geben wird. ACTEON wird in diesen Bereichen seine Akzente setzen. Da bin ich sehr zuversichtlich.

Herr Wagner, herzlichen Dank und viel Erfolg!

Foto: © OEMUS MEDIA AG

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