Marketing 21.02.2011

Inkasso ist auch Marketing

Inkasso ist auch Marketing

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Privatversicherte beziehungsweise Selbstzahler geraten mit ihren Arztrechnungen immer häufiger in Verzug. Fünfstellige Außenstände sind bei den Praxen längst keine Seltenheit mehr. Im Schnitt muss jeder fünfte Betrag zumindest einmal angemahnt werden. Inkassofirmen bieten ihre Dienste an. Aber Vorsicht: Mit einem Nullachtfünfzehn-Inkasso kann sich der Auftraggeber eine Menge Ärger einhandeln. Außerdem droht ein Imageverlust mit der Folge, dass „gute Patienten“ abwandern.

Mit 21,44 Euro vergleichsweise gering war die Forderung, die ein Frankfurter Hautarzt einer sogenannten „Treuhandgesellschaft für Wirtschaftsinkasso“ übergab. Als schwerwiegend erwiesen sich dagegen die dabei gemachten Fehler. Das Mahnschreiben enthielt die komplette Diagnose, ohne dass der Patient jemals seine Einwilligung zur Weitergabe der Daten gegeben hätte. Nun droht dem Mediziner ein schmerzhaftes Bußgeld, womöglich sogar eine Strafverfolgung.

Bei einem Arzt-Inkasso gelten andere Regeln als etwa bei unbezahlten Handyrechnungen oder bei Kaufverträgen. Neben der ärztlichen Schweigepflicht müssen zum Beispiel auch das Vertragsverhältnis mit dem Privatpatienten und dessen Widerspruchsmöglichkeit gegen eine Liquidation berücksichtigt werden. „Wenn der Schuldner bei dem Mitarbeiter des Inkassounternehmens auch nur die geringste Unsicherheit spürt, wird er dies ausnutzen“, so Siegward Tesch, Geschäftsführer der Teschinkasso® Forderungsmanagement GmbH, Wiehl, die eigens eine Abteilung „Medical Services“ mit speziell geschulten Fachkräften eingerichtet hat. Andererseits erfordere der Umgang mit den in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Patienten sehr viel Fingerspitzengefühl. Einer der häufigsten Fehler sei es, dass bei der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Schuldner dessen „persönliches Fehlverhalten“ in den Vordergrund gestellt werde. Die so Angesprochenen reagierten abwehrend. Tesch: „Zielführend ist dagegen eine Objektivierung der Situation. Tenor: Es geht nicht um die Person, sondern um die Sache. Es liegt im beiderseitigen Interesse, eine Lösung zu finden, weil sonst die Probleme nur noch größer werden.“ Ein Entgegenkommen, etwa das Angebot von Teilzahlungen, wirke oft wie ein Licht am Ende des Tunnels. Erkenne der Patient seine Chance, mobilisiere er häufig alle Reserven, um seine Rechnung bezahlen zu können.

Zunehmend haben es die Praxen mit sogenannten „reichen Schuldnern“ zu tun: Personen, die jahrelang über ein hohes Einkommen verfügten beziehungsweise als Selbstständige erfolgreich waren und durch einen Arbeitsplatzverlust oder infolge der Wirtschaftskrise finanziell abgestürzt sind. „Nicht zahlen zu können, ist für diese Gruppe eine völlig neue Erfahrung“, so Dr. Helmut Jungermann, Professor für Allgemeine Psychologie an der TU Berlin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der SCHUFA.

Nicht selten bestünden über das ohnehin sehr persönlich geprägte Arzt-Patienten-Verhältnis hinaus auch Kontakte auf gesellschaftlicher Ebene. Sich sozusagen von Angesicht zu Angesicht finanziell outen zu müssen, sei für die Betreffenden ein Desaster. Aus Scham wechseln Viele den Arzt – und gehen damit als langfristige Umsatzbringer verloren. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass vor allem bei den sogenannten gehobenen Zielgruppen Zahlungsschwierigkeiten nur ein vorübergehendes Ereignis sind. Um eine solche Eskalation zu vermeiden, biete sich eine Entpersonalisierung der Spannungssituation an.

Dazu gehört unter anderen die Auslagerung des Forderungsmanagements an ein spezialisiertes Inkassounternehmen, das den Vorgang routiniert und ohne den Effekt der persönlichen Bloßstellung behandelt und zugleich die nötigen psychologischen „Kniffe“ beherrscht. Experte Siegward Tesch: „Idealerweise erkennt der Patient, dass es für ihn faktisch das Beste ist und er sich auch besser fühlen wird, wenn er die Arztrechnung von allen anderen unbeglichenen Rechnungen als erste bezahlt. Ein zielgerichtetes Telefonat führt oft zu einem zeitnahen Geldeingang.“

Mit der richtigen Strategie wird das Inkasso zum Marketinginstrument. Es bietet die Möglichkeit, den Patienten stärker an die Praxis zu binden. Wer sich in einer schwierigen Lage „gut behandelt“ fühlt, belohnt dies in der Regel mit langjähriger Treue.


Autor: Manfred Godek

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