Marketing 19.05.2022
Marketing für die Praxis – Zeit für die eigene Community
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Wie Mitarbeitende und Patienten zu Markenbotschaftern werden.
Empfehlen Patienten eine Praxis weiter, weil sie mit der Qualität der Behandlung zufrieden sind oder weil das Ergebnis sie überzeugt? Oder ist es das Serviceerlebnis, das Patienten an diversen digitalen und analogen Berührungspunkten (Touchpoints) mit der Praxis und deren Team erfahren? Keine Marketingmaßnahme ist so effektiv wie die Empfehlung der Patienten selbst, denn sie vermittelt ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Damit Empfehlungsmarketing funktioniert, bedarf es begeisterter Patienten. Dafür sorgt man nur, wenn das Gesamtkonzept der Praxis als Marke überzeugt – eine Marke, die sich aus Expertise, überragender Qualität, außergewöhnlichen Serviceleistungen und kompetenten, freundlichen Mitarbeitern zusammensetzt. Die Investition in den Aufbau einer Marke mit individueller Corporate Identity und Corporate Design ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. Um den Markenaufbau effizient zu gestalten und nicht unnötig Geld zum Fenster herauszuwerfen, bedarf es im Vorfeld der richtigen Strategie.
Was sind Markenbotschafter?
Markenbotschafter oder Brand Ambassadors sind Menschen, die einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung einer Marke oder eines Unternehmens haben. Sie sind von der Marke, den Produkten, Leistungen und Botschaften begeistert und wollen ihre positiven Erfahrungen teilen. Eine Marke oder ein Produkt soll sich in den Köpfen der potenziellen Kunden oder Bewerber positiv festsetzen. Durch Brand Ambassadors wird eine persönliche Verbindung hergestellt. Mit ihrem Enthusiasmus motivieren sie andere Menschen, der Marke (z.B. auf Social Media) zu folgen oder zum Kauf von Produkten oder Dienstleistungen.
Bekannte Beispiele für Global Player, die auf Markenbotschafter setzen, sind Apple und Tesla. Sie haben erkannt, wie sie durch echte Kundenbegeisterung ihre Werbebotschaften glaubhaft untermauern können. Wenn Apple neue Produkte launcht, werden diese sofort vorbestellt und zum endgültigen Launch sind sie bereits ausverkauft. Jeder kennt die langen Schlangen von treuen Apple-Fans vor den Apple Stores, wenn neue Produkte in die Geschäfte kommen. Außerdem rief Apple 2014 die Kampagne „Shot on iPhone“ ins Leben und ließ dafür Künstler zeigen, was mit der Apple-Kamera möglich ist. Die aus einer einfachen Idee entstandene Kampagne ist zu einer der wichtigsten Werbemaßnahmen für Apple geworden – Stars wie Selena Gomez oder Lady Gaga wirkten neben vielen anderen Usern als Brand Ambassadors daran mit.
Auch Tesla weiß um die Wichtigkeit von Markenbotschaftern und belohnt Weiterempfehlungen mit 1.000 Dollar Rabatt auf die nächste Bestellung. Im Gegensatz zu bezahltem Influencer-Marketing, bei dem Schauspieler oder bekannte Gesichter für Produkte werben, entwickeln sich echte Markenbotschafter aus besonderen Kundenerlebnissen – das gilt genauso für Patienten. Wenn Ihre Patienten in Ihrer Praxis eine außergewöhnliche Customer Experience erfahren und sie das Behandlungsergebnis überzeugt, werden sie diese Erfahrung mit anderen teilen wollen: ganz klassisch im Gespräch als persönliche Weiterempfehlung, über Bewertungsportale oder über Social Media.
Wie werden Patienten für Praxen aktiv?
Wie motivieren Sie Ihre Patienten, für Sie als Markenbotschafter zu agieren? Markenbotschafter werden entweder aktiv von Ihnen ausgewählt oder treten von allein als Fürsprecher Ihrer Praxis auf. Da sich nicht alle Patienten als Botschafter eignen, ist es wichtig, die idealen „Kandidaten“ zu identifizieren. Das größte Potenzial haben die Patienten, die am ehesten Ihrem Wunschpatienten (Buyer Persona bzw. Patient Persona) entsprechen.
Kreieren Sie fiktive Personen, die Ihre Wunschpatienten repräsentieren. Es können durchaus mehrere Patient Personas festgelegt werden. Für jede Persona werden ganz konkret Geschlecht, Alter, Einkommen, soziale Zugehörigkeit, Beruf, Erreichbarkeit etc. definiert. Kurzum: Sie geben Ihrem Wunschpatienten ein Gesicht und gehen damit einen Schritt weiter, als es bei der allgemeinen Zielgruppendefinition der Fall ist (Abb. 1 und 2).
Sind die Patient Personas bestimmt, ist es viel einfacher, gezielt auf Patienten zuzugehen, um sie um ein Testimonial für Ihre Website oder eine Bewertung auf einem Ärzteportal zu bitten. Dabei fühlen sich Patienten oft sogar geehrt, weil sie explizit ausgewählt wurden, was ganz automatisch für einen positiven und authentischen Werbeeffekt sorgt. Sind alle Mitarbeitenden über die Zuordnung der Patienten zu den Patient Personas informiert, können sie bei der aktiven Ansprache unterstützen.
Für nachhaltige Begeisterung Ihrer Patienten sorgen
Doch das ist kein Automatismus. Bevor Patienten zu Markenbotschaftern bzw. begeisterten Fans werden, müssen Sie nachhaltige Begeisterung erzeugen. Das funktioniert nur, wenn Sie deren Bedürfnisse kennen. Dazu lohnt sich ein Blick auf das Kano-Modell (Abb.3), das die Anforderungen von Patienten an Praxen aufzeigt. Es geht auf den Japaner Noriaki Kano zurück, der darin den Zusammenhang zwischen der Erfüllung von Kundenanforderungen und -zufriedenheit beschreibt.
Kano erkannte, dass Kundenanforderungen fünf verschiedene Merkmale besitzen können. Basismerkmale gelten als selbstverständlich, werden also stillschweigend vorausgesetzt. Sie werden den Kunden/Patienten erst dann bewusst, wenn sie fehlen. Damit führen sie bei Anwesenheit nicht zu zusätzlicher Zufriedenheit, bei Abwesenheit allerdings zu Unzufriedenheit. So setzt der Kunde voraus, dass in Ihrer Praxis der Strom funktioniert oder der Arzt anwesend ist.
Leistungsmerkmale werden vom Patienten explizit verlangt und haben Einfluss auf die Zufriedenheit. Werden die manchmal auch als Qualitätsmerkmale beschriebenen Kriterien nicht erfüllt, entsteht Unzufriedenheit. Werden sie übertroffen, steigt die Patientenzufriedenheit, aber der Kunde flippt nicht vor Begeisterung aus. Deshalb ist es das Ziel, überdurchschnittlich zu sein, da mehr als 100 Prozent notwendig sind, um Kunden zu begeistern.
Erst durch Begeisterungsmerkmale kann echte Kundenbegeisterung erreicht werden, da der Kunde diese nicht erwartet. Dadurch können sie zu einem überproportionalen Nutzen werden. Fehlen sie, schaffen sie aber auch keine Unzufriedenheit. Was sorgt in Ihrer Praxis für den Überraschungsmoment? Ist es der kostenlose Parkplatz mit Aufladestation für das E-Auto, die handgeschriebene Dankeskarte, wenn die Behandlung erfolgreich beendet wird, einfach nur ein nettes persönliches Wort der Wertschätzung oder das ganzheitliche Behandlungskonzept? Auf jeden Fall sollte der Patient emotional berührt sein, damit der Wow-Effekt eintritt. Das ist der Moment, an dem Ihr Patient ganz automatisch zum Markenbotschafter wird. Nutzen Sie die Gelegenheit und fangen Sie die Emotionen auf einem Foto oder in einem Video ein, das die mit Einverständnis des Patienten auf Ihren Social-Media-Kanälen teilen.
Machen Sie Ihre Patienten zu Followern
Der schwierigste Punkt ist es, die Patienten wirklich zu motivieren, Ihnen aktiv auf den Social-Media-Kanälen zu folgen. Auch wenn sie begeistert sind, fehlt oft der entscheidende Schritt, um auf Social Media aktiv zu werden oder eine Bewertung zu schreiben. Deshalb machen Sie es Ihren Patienten so einfach wie möglich, beziehen Sie sie spielerisch mit ein oder belohnen Sie sie für eine Bewertung. Fordern Sie Ihre Patienten auf, Ihnen zu folgen. Mit einem QR-Code-Generator können sie einen QR-Code erstellen, auf dem alle Social-Media-Kanäle hinterlegt sind. Den QR-Code kann sich der Patient abscannen und auf einfachem Wege all Ihren Profilen folgen.
Was früher die klassische Fotowand mit tollen Abschlussbildern oder den „Monthly Heroes“ war, können Sie heute ins Social-Media-Zeitalter transferieren. So wie Sie von Hochzeiten oder Partys eine Photo Booth kennen, können Sie in der Praxis eine Fotostation mit witzigen Accessoires bestücken und Patienten animieren, ein Foto für Ihre Social-Media-Accounts zu machen und natürlich Ihre Praxis entsprechend zu markieren (@). Einige Praxen haben bereits richtige Logowände mit dem Praxislogo wie auf dem Red Carpet oder mit unterschiedlichen Hintergründen installiert. Andere arbeiten mit Belohnungen in Form von Punktekarten oder verschenken elektrische Zahnbürsten für unterstützende Patientenaktivitäten. Ihre Patienten helfen Ihnen, auf Social Media sichtbar zu werden. Erkennen Sie den Wert Ihrer Patienten als authentische Markenbotschafter Ihres Unternehmens. Mithilfe Ihrer Patienten können Sie Ihre Marken-Claims weitergeben.
Nutzergenerierte Inhalte verleihen mehr Glaubwürdigkeit
Damit Ihre Marke im letzten Schritt überzeugt, ist ein professioneller Online-Auftritt unabdingbar. Website und Social-Media-Profile sind das Schaufenster Ihrer Praxis. Hier sollten Sie mit Ihrer Expertise, die Sie z.B. über hochwertige Fachinhalte in Ihrem eigenen Blog oder regelmäßige Social-Media-Posts präsentieren, überzeugen. Diese Fachbeiträge müssen nicht zwingend aus Ihrer Feder stammen, sie können genauso auch eingekauft werden. Wichtig dabei ist allerdings, mit Experten zusammenzuarbeiten, die selbst aus dem kieferorthopädischen Bereich kommen. Für das Management der Kanäle bieten sich Software-Lösungen an, die das automatisierte Ausspielen der Beiträge ermöglichen – idealerweise mit einem einfachen Klick auf allen Kanälen. Hochwertige Inhalte sorgen für Vertrauensaufbau, Glaubwürdigkeit und intensivieren die Bindung zum Patienten.
Auch Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen
Neben Ihren Patienten sind natürlich Ihre Mitarbeiter die wichtigsten Markenbotschafter für Ihre Praxis – und das in zweierlei Hinsicht: Zum einen kommunizieren Ihre Mitarbeiter mit Patienten, Eltern, Überweisern und Dienstleistern. Zum an deren sind Mitarbeiter die wichtigsten Botschafter im Recruiting neuer Teammitglieder und erfüllen damit alle Kriterien eines Brand Ambassadors. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, der Öffentlichkeit Ihre Marke näherzubringen, um eine Vertrauensbasis bei unterschiedlichen Zielgruppen herzustellen. Sie repräsentieren Ihre Praxis als Arbeitgebermarke – nicht zuletzt auch auf ihren eigenen Social-Media-Profilen.
Zur Erinnerung: Im Durchschnitt verbringt jeder Deutsche ca. 5,25 Stunden pro Tag im Netz und ist auf sechs verschiedenen Social-Media-Kanälen aktiv. Mitarbeiter können ihren Arbeitgeber leicht bei Facebook, Instagram, Tik Tok etc. in den eigenen Netzwerken be kannt machen. Dabei ist weder ihnen noch Praxisinhabern immer bewusst, in welcher gläsernen Welt die Praxis präsentiert wird. Motivieren Sie Ihre Mitarbeitenden, mit Patienten in Interaktion zu treten und Beiträge der Praxis zu liken und zu kommentieren.
Nicht nur die Website ist für das Recruiting das Schaufenster Ihrer Praxis. Auch auf Social Media spiegeln sich die Unternehmenskultur und die Werte der Praxis wider: Werden Geburtstage der Mitarbeiter, Praxisjubiläen, Hochzeiten oder tolle Behandlungsergebnisse zelebriert oder nur Mitteilungen über geänderte Praxisöffnungszeiten mitgeteilt? Sieht man in freundliche und lachende Gesichter oder sind auf den Accounts nur Fotos aus Bilddatenbanken zu sehen. Auch hier gilt der Grundsatz: Überlegen Sie sich vorab, welche Zielgruppe Sie erreichen wollen. Aus meiner Erfahrung macht es die Mischung aus Fach-, Team- und Unterhaltungscontent (Abb. 4).
Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass einige Praxen sich gegen eine Social-Media-Präsenz wehren. Ähnlich wie bei einer Hotelbuchung, wo Sie Gästebewertungen heranziehen, um den wahren Zustand des Hotels und die Servicequalität beurteilen zu können, machen sich Patienten und Bewerber im Netz auf die Suche nach Informationen. Deshalb ist Social-Media-Recruiting auch eine erfolgreiche Strategie bei der Suche nach Mitarbeitern oder um auf Ihre Praxis aufmerksam zu machen und Initiativbewerbungen zu erhalten.
Motivierte Mitarbeitende als wichtigstes Praxiskapital
Genauso wie Patienten Ihre Praxis online bewerten, werden Sie als Praxismarke und Arbeitgeber von ehemaligen Mitarbeitenden auf einschlägigen Portalen bewertet. Studien zufolge verwenden ca. 70 Prozent der Jobsuchenden Arbeitgeberportale als Entscheidungskriterium. Die bekanntesten Portale sind Kununu, Glassdoor und Indeed. Bedenken Sie, dass Informationen über Praxen als Arbeitgeber inklusive Gehaltsangaben sogar in diversen Social-Media-Gruppen ausgetauscht werden.
Denn was macht die Seele eines Unternehmens aus? Wodurch unterscheidet sich die Praxis vom Wettbewerb? In meinen Augen sind es die persönlichen Beziehungen, denn Patienten merken sofort, was von Herzen kommt und ob die Mitarbeitenden eine ehrliche Patientenbeziehung aufbauen, die zu einer echten Patientenbindung und schließlich zur Weiterempfehlung führt.
Während meiner Praxistätigkeit habe ich Mitarbeitende mit unterschiedlichstem Auftreten kennengelernt – dies ist nicht zuletzt Ausdruck ihrer Zufriedenheit. Meist spiegelt das Team die Führungsqualitäten des Inhabers wider. Denn das Schlüsselwort lautet Wertschätzung. In seinem Buch „Wertschätzung“ beschreibt Pater Anselm Grün die fünf Punkte, die Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern ausdrücken. Die gleichen Werte gelten gegenüber Patienten:
- Aufmerksamkeit, Wahrnehmung,
- Respekt,
- Höflichkeit (Danke, Bitte, Begrüßung),
- Toleranz und
- Empathie.
Vorbildfunktion Markenbotschafter
Respektvoller Umgang miteinander ist ein starker Motivator. Seien Sie als Chef-Coach und Vorbild für Ihre Mitarbeiter. Nutzen Sie regelmäßige Feedback-Gespräche, um diese zu motivieren. Von einem einmaligen Jahresgespräch können Sie keine nachhaltige Motivation für die nächsten elf Monate erwarten. Gerade für die kommenden Generationen hat die Sinnfrage einen hohen Stellenwert. Junge Mitarbeiter wollen genau wissen, warum sie etwas tun und welche Ziele das Unternehmen verfolgt. Beziehen Sie Mitarbeiter ein und legen Sie gemeinsam Ziele fest. Dabei können die Ziele unterschiedlich sein: Umstellung auf digitale Prozesse, Umsatzsteigerung bei Reduktion der Arbeitszeiten durch Effizienzsteigerung, eine gemeinsame Praxisreise bei einer bestimmten Zahl an Neupatienten oder Alignerfällen.
Bei aller Notwendigkeit, in Digitalisierungsprozesse der Praxis zu investieren, sehe ich die höchste Brisanz in den Führungskompetenzen des Praxisinhabers. Denn nur, wer seine Mitarbeitenden zu Markenbotschaftern der Praxis ausbildet, zieht die Patienten an, die er verdient.
Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Zeit für die eigene Praxis-Community” in der KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.