Praxismanagement 11.10.2011
So können Heilberufler im Wettbewerb bestehen
share
Die zertifizierte Seminarreihe zu den Themen Kommunikation, Patientenberatung, Marketing und Mitarbeiterführung, die die apoBank ausschließlich in Köln zusammen mit der Ärztekammer Nordrhein seit Januar dieses Jahres veranstaltet, kann schon jetzt auf elf erfolgreiche und gut besuchte Veranstaltungen zurückblicken.
Wie die Seminarreihe ins Leben gerufen wurde und wie Ärzte, Zahnärzte und Apotheker im wachsenden Wettbewerb erfolgreich bestehen können, klärten folgende Experten in einem Gespräch mit Redakteur Norbert Stolze: Ute Szameitat (Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG, Mitglied des Aufsichtsrats), Helmut Hamelmann (stellv. Niederlassungsleiter), Wolfgang Jansen und Boris Hantschke (beide Gruppenleiter), Dr. Berson (Vorstandsmitglied ÄKNo) sowie Stephan Kock (Geschäftsführer der Kock & Voeste GmbH und Seminar-Referent).
Frau Szameitat, wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Seminarreihe ins Leben zu rufen?
Frau Szameitat: Kurz und knapp gesagt: Weil uns mit unseren Kunden ganz einfach mehr verbindet. Wir, die apoBank, sind mehr als ein reiner Finanzdienstleister. Uns ist es wichtig, den Heilberuflern in allen finanziellen und betriebswirtschaftlichen Fragen als kompetenter und fairer Bankpartner zur Seite zu stehen. Wir wollen die Heilberufler mit unserer langjährigen Erfahrung und unserem Know-how dabei unterstützen, sich auf die Herausforderungen, denen sie sich im wandelnden Gesundheitsmarkt stellen müssen, bestens vorzubereiten und sich im Wettbewerb zu behaupten. Wir haben uns deshalb im vergangenen Jahr zusammengesetzt und mit ihnen sowie im Dialog mit Herrn Kock das Konzept zu dieser Seminarreihe entwickelt. Seit diesem Jahr bieten wir nun die zertifizierten Seminare in enger Zusammenarbeit mit der Ärztekammer Nordrhein an. Und dank der medizinischen Begleitung durch Dr. Berson von der Ärztekammer Nordrhein schlägt die Teilnahme auch mit Fortbildungspunkten zu Buche. Das ist ein Aspekt, den die Heilberufler besonders schätzen.
Was genau sieht dieses Konzept konkret vor?
Herr Hamelmann: Wie Frau Szameitat schon gesagt hat, geht es für die Heilberufler heute darum, sich im steigenden Wettbewerb eine gute Ausgangsposition zu verschaffen und den Wandel für sich zu nutzen. Damit das gelingt, müssen sich die Heilberufler entsprechend weiterbilden und ein gewisses Maß an Unternehmertum verinnerlichen. Und genau hier setzt die Themenreihe an. Wir haben uns auf die Themen fokussiert, die die Heilberufler heute interessieren – also beispielsweise Kommunikation, Patientenberatung, Marketing und Unternehmens- sowie Mitarbeiterführung.
Herr Jansen: Dem kann ich nur beipflichten. Unternehmerisches Denken und Handeln sind wichtige Bausteine für jede Praxis und Apotheke. Bezogen auf unsere Themenreihe lautet die Erfolgsformel: Wir vermitteln den Heilberuflern das nötige Fachwissen, gepaart mit marktwirtschaftlichem Know-how! Ideal unterstützt werden wir bei der Durchführung der Seminare von der Kock & Voeste GmbH.
Herr Kock, welche Seminare und Inhalte bieten Sie als Referent dieser Themenreihe an?
Herr Kock: Diese zertifizierte Seminarreihe hat ihren Fokus auf die Bereiche Kommunikation, Patientengespräch, Marketingund Mitarbeiterführung, also den sogenannten weichen Themen. Und das sind ganz einfach die Themen, die genau die Ärzte angehen und interessieren, die erkannt haben, dass sie heute nicht nur gute Mediziner sein müssen, sondern auch gute Unternehmer. Jedes Seminar ist dabei konkret auf die Zielgruppe abgestimmt. Ich veranschauliche und vermittle an praktischen Beispielen erprobte Kommunikationstechniken, die die Seminarteilnehmer nachvollziehen können und sollen, und das sogar schon am Vortragsabend. Der Lerneffekt ist somit ein Vielfaches größer und die Teilnehmer können schon am nächsten Arbeitstag das frisch Gelernte umsetzen. Man kann den Erfolg seiner Arbeit als Heilberufler heute einfach nicht dem Zufall überlassen, man muss aktiv steuern. Das ist eigentlich der gemeinsame Nenner aller meiner Seminare und ich gebe den Teilnehmern sozusagen das Werkzeug in die Hand, selbstständig das Ruder zu ergreifen. Sie wenden also das Erlernte unmittelbar selbst an und geben das Wissen natürlich auch direkt an ihre Mitarbeiter weiter. Eine Steigerung in Effizienz und Effektivität durch verbessertes Selbstmanagement und Kommunikation stellt sich erfahrungsgemäß unmittelbar ein und wirkt langfristig.
Herr Dr. Berson, Sie betreuen die Seminarreihe als ärztlicher Leiter. Was sind dabei Ihre Aufgaben?
Herr Dr. Berson: Für alle von unserer Ärztekammer anerkannten Fortbildungsveranstaltungen muss grundsätzlich eine Ärztin oder ein Arzt als wissenschaftlich Verantwortlicher bestellt sein. Diese Regelung unserer Fortbildungsordnung dient dazu, die Quali-tät und die Unabhängigkeit der ärztlichen Fortbildung von wirtschaftlichen Interessen zu sichern. Hier ist natürlich in erster Linie daran gedacht, dass Fortbildungen nicht von der Arzneimittelindustrie dazu missbraucht werden, einzelne Produkte anzupreisen. Im Falle des Kommunikationsseminars sieht meine Aufgabenstellung etwas anders aus: Hier achte ich vor allem darauf, die Nützlichkeit der Fortbildung für den Praxisalltag zu bewerten.
Und wie kommen die Veranstaltungen bei den Ärzten an?
Herr Dr. Berson: Die Seminare sind ein schöner Erfolg. Mit Stephan Kock hat Frau Szameitat offenbar den richtigen Referenten gefunden, denn die Bewertungen der zahlreichen Teilnehmer sind ausgezeichnet. Das freut mich als Hausarzt in Kempen am Niederrhein und als Vorstandsmitglied der Ärztekammer Nordrhein, denn aus meiner Praxis und aus der Arbeit in der Ärztekammer weiß ich, dass die Gesprächsführung eine ganz wichtige Fähigkeit von uns Ärzten ist. Leider gibt es da noch gewisse Defizite. Das betrifft das Gespräch mit den Kollegen und Mitarbeitern in der Praxis – vor allem aber das Patient-Arzt-Gespräch, das eine sehr maßgebliche therapeutische Bedeutung besitzt.
Wie beurteilen denn die Gruppenleiter die Entwicklung der Seminarreihe? Und wie sieht Ihr Plan für 2012 aus?
Herr Hantschke: Meine Erfahrung ist ebenfalls, dass die Seminare von den Heilberuflern sehr gut angenommen werden. Ich denke, dass bei vielen Heilberuflern das Bewusstsein vorhanden ist, dass man seine eigene Praxis bzw. Apotheke noch besser aufstellen kann, wenn man bestimmte Grundsätze berücksichtigt. Hierzu trägt eine erfolgreiche Patienten- bzw. Kundenkommunikation genauso bei wie eine funktionierende Mitarbeiterführung oder auch das Praxismarketing.
Herr Jansen: Ja, und da wir insgesamt eine so gute Resonanz auf die Seminarreihe bekommen haben, werden wir sie auch 2012 fortsetzen. Stand heute haben wir für das kommende Jahr zehn Seminare geplant. Und auch hier gilt natürlich, dass die Heilberufler für die Teilnahme Fortbildungspunkte sammeln können.
Gibt es als Resultat aus dem Seminarreihenbesuch schon Mandanten, die bereits jetzt Erfolge vermelden durch ihr gelerntes und angewandtes Wissen?
Dr. Berson: Ja, es gibt Kollegen, die zum Seminar schon konkrete Fragen aus dem Praxisalltag mitbringen und um Rat fragen. Auch kommen viele Teilnehmer regelmäßig und berichten über ihre Fortschritte.
Herr Kock: Ein Arzt berichtete mir zum Beispiel, dass seine Patienten nur selten die empfohlene Medikamentierung einhalten würden. Als er dies bemerkte, intensivierte er seine Beratung mit zuzüglichem Zeitaufwand. Doch es blieb dabei: Nur zwei von acht Patienten hielten sich an die Medikamentierung. Durch seine Seminarteilnahme lernte der Arzt, dass es keinen Sinn macht, sich über seine Patienten und deren mangelnde Apperzeption seiner Anweisungen aufzuregen. Also analysierte er sein eigenes Verhalten im Patientengespräch neu und stellte fest, dass seine Beratung im Aufklärungsgespräch nicht patientengemäß war. Nach der Umstellung seines Patientengesprächs hält sich nun nach einer stichprobenartigen Überprüfung tatsächlich jeder befragte Patient dieser Praxis an die empfohlene Medikamentierung. Solches Feedback freut einen natürlich und ist auch keine Seltenheit.
Wie sehen Sie die momentane wirtschaftliche Lage der deutschen Heilberufler?
Herr Hamelmann: Grundsätzlich kann man bei den Medizinern für die vergangenen vier Jahre von einer insgesamt positiven Honorarentwicklung sprechen – auch wenn die jüngsten Honorarreformen von vielen Ärzten kritisch begleitet wurden. Die Hauptkritik ist sicherlich die, dass eine wesentliche Baustelle offen geblieben ist. Und das sind die regionalen Honorarunterschiede und die Verwerfungen in den Honoraren einzelner Fachrichtungen. Hier erwarten viele Ärzte, dass die Honorare ausgeglichen, respektive erhöht werden.
Herr Hantschke: Bei den Apothekern sieht die Situation wie folgt aus: Die meisten Apotheker spüren die ökonomischen Auswirkungen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes, dem AMNOG, das ja vor einem halben Jahr in Kraft getreten ist. Vor allem große Betriebe versuchen daher, die Kostenseite zu entlasten. Sie verhandeln z.B. mit dem Großhandel über Preise und Konditionen, erhöhen die Direktbezugsquote oder bauen Personal ab. Gleichzeitig versuchen sie aber auch, den Umsatz je Apothekenbesucher zu erhöhen – z.B. durch intensivere Marketingmaßnahmen, Personalschulungen und Zusatzverkäufe.
Kommen wir zu den Themen der regionalen Unterversorgung und dem Praxensterben – wie ernst ist die Lage wirklich?
Herr Hamelmann: Fakt ist, dass bis 2020 knapp 50.000 Haus- und Fachärzte altersbedingt ihre Zulassung abgeben werden. Gleichzeitig steigt der Versorgungsbedarf, weil unsere Gesellschaft immer älter wird. Setzt man jetzt diese Praxisabgabewelle perspektivisch in Relation zum Potenzial und den Präferenzen des ärztlichen Nachwuchses, so zeichnet sich in der Tat auch heute schon ein Ärztemangel ab. Dem muss man natürlich entgegenwirken.
Herr Jansen: Hier wird auch das geplante GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VSG) ansetzen. Es soll die Voraussetzungen dafür schaffen, dass potenzielle Nachfolger insbesondere in ländlichen Regionen attraktive Rahmenbedingungen vorfinden. Hierfür sind neue Versorgungs-, Verzahnungs- und Vergütungsregelungen im Gespräch. Ich denke, dass das ein durchaus sinnvoller Ansatz ist. Grundsätzlich gilt aber auch: Eine unternehmerisch geführte, erfolgreiche Praxis wird in der Regel einen Nachfolger finden.
Wie sehen Sie als Experten den Ansatz von Gesundheitsminister Bahr, via Bezuschussung aus dieser Krise zu gelangen?
Herr Hantschke: Grundsätzlich ist das GKV-VSG ja als Antwort auf die aktuellen Tendenzen im Gesundheitswesen gedacht. Es geht mehrheitlich um drohenden Ärztemangel, Überalterung der Gesellschaft und der Ärzteschaft, veränderte Patientenbedürfnisse und die veränderten beruflichen Präferenzen des ärztlichen Nachwuchses. Die Schwerpunkte liegen hierbei auf Regelungen zu neuen Versorgungsstrukturen, zu sektorübergreifenden Verzahnungsinitiativen und zu Vergütungsregelungen. Das alles soll künftig die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung gewährleisten. Grundsätzlich sind diese ersten Schritte zu begrüßen. Wichtig wird aber sein, dass für alle Leistungssektoren gleiche Anforderungen hinsichtlich Zugangsmöglichkeiten, Leistungsinhalten, Qualitätsanforderungen und Honorarumfang gelten.Ein Weg aus der Krise ist für jeden einzelnen Arzt gesehen die stetige Weiterbildung. Die Punkteregelung zusammen mit der wirtschaftlichen Herausforderung ist sicher eine Doppelmotivation. Was sind denn in diesem Kontext der Fortbildung Ihre nächsten Planungen?
Frau Szameitat: Wir werden diese erfolgreiche Reihe auch in 2012 ganzjährig weiterführen, und wir sind froh, für das kommende Jahr wieder Herrn Kock als Hauptreferenten gewonnen zu haben.
Herr Kock: Die Freude ist ganz auf meiner Seite, die Inhalte werden wir zusammen noch konkret auf die einzelnen Zielgruppen verifizieren. Klar wird es auch Wiederholungen zu 2011 geben, aber die Teilnehmerzahl ist eben begrenzt und nicht alle Interessierte konnten an den diesjährigen Terminen teilnehmen. So bekommt jeder noch eine Chance, diese Fortbildung zu besuchen.
Wie ist denn abschließend die Meinung der Expertenrunde zu einer wirtschaftlichen Prognose für Heilberufe?
Herr Hamelmann: Das geplante GKV-VSG sieht moderate Honorarerhöhungen in Höhe von 1,25 Prozent, einen Strukturfonds gegen Unterversorgung und Zuschläge für besonders förderungsfähige Leistungen und Praxen vor. Grundsätzlich ist das eine positive Entwicklung – allerdings ist sie nicht eins zu eins auch auf die Gewinnsituation der Heilberufler übertragbar. Schließlich steigen die Praxiskosten an. Und die Gesundheitsleistungen werden durch die immer älter werdende Gesellschaft immer stärker in Anspruch genommen. Darüber hinaus stehen 2011 bzw. 2012 auch die Reform der GOÄ und GOZ ins Haus. Hier hoffen die Ärzte und Zahnärzte auf eine überfällige Erhöhung der Vergütung bei Privatpatienten und bei Selbstzahlern. Im zahnärztlichen Bereich gilt das zunehmend auch für GKV-Patienten, die jenseits ihres GKV-Festzuschusses zu Selbstzahlern werden.
Herr Jansen: Im Apothekenbereich müssen wir vor allem abwarten, wie sich die Neuregelung der Großhandelsvergütung, die für 2012 geplant ist, auswirkt und welche zusätzlichen Belastungen hierdurch auf die Apotheken zukommen. Auch die Verhandlungen zum GKV-Abschlag 2009 und 2010 können für die Apotheker noch zu nachträglichen Kosten führen. Gerade vor diesem Hintergrund wird es umso wichtiger, dass sich die Heilberufler eine Strategie erarbeiten, wie sie auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren wollen. Anders formuliert: Dem unternehmerisch orientierten Heilberufler gehört die Zukunft. Und in diesem Zusammenhang ist es sinnvoll und auch notwendig, sich gezielt weiterzubilden.
Stillstand ist also zusammenfassend gesagt der Feind des Erfolges; so wie Wissensdurst, Know-how und Fortbildung heute mit die wichtigsten Komponenten sind, sich in dem stetig steigenden Wettbewerb zu behaupten.