Psychologie 21.02.2011

Umgang mit Beschwerden in der Zahnarztpraxis

Umgang mit Beschwerden in der Zahnarztpraxis

Foto: © Shutterstock.com

Unzufriedenheit, Missverständnisse und darauf folgende Beschwerden können in jeder Praxis auftreten. Nicht immer erkennt man die Beschwerde sofort als solche, da sich der Patient nicht klar und direkt ausdrückt. Unzufriedenheit schlägt dann schnell in Frustration um, was soweit gehen kann, dass sich der Patient anderweitig beschwert und damit der Praxis erheblichen Schaden zufügt.

Jeder hat in seinem Leben schon einmal etwas gekauft und jeder hat schon einmal etwas zurück­gegeben, umgetauscht oder reklamiert. Der professionelle Umgang mit Beschwerden gehört im Handel zum Alltag und wird (mehr oder weniger) als Selbstverständlichkeit angesehen. Sobald es sich jedoch um medizinische Dienstleistungen handelt, werden häufig sowohl Fehler weniger akzeptiert als auch Beschwerden oberflächlicher behandelt.

Es gibt nur wenige Details, an denen der Patient vermeintlich die Professionalität seines Zahnarztes festmacht. Dies können auch „Fehler“ sein, die der Zahnarzt gar nicht als solche erkennt, da sie im Rahmen der jeweiligen Behandlung einkalkuliert werden müssen. Die Patienten fühlen sich mit ihrer Beschwerde zumindest zu Anfang immer im Recht. Sie ärgern sich entsprechend, wenn darauf nicht eingegangen wird, ihnen nicht zugehört wird oder aus ihrer Sicht keine Entschuldigung oder Entschädigung folgt. Die Folgen kennt wahrscheinlich jeder Zahnarzt. Der Patient kommt nicht mehr, redet schlecht über die Praxis, hinterlässt seine Meinung in Internetforen oder beschwert sich gleich bei der Zahnärztekammer oder den Krankenkassen. Diese Entwicklung kann jedoch in den meisten Fällen gestoppt werden, wenn die Praxis über ein funktionierendes Beschwerdemanagementsystem verfügt.

Erwartungen der Patienten

Es gibt Aspekte, die der Patient bei je-dem Zahnarzt voraussetzt: Fachliches Können sollte bei einem studierten Zahnmediziner vorhanden sein. Es gibt nur wenige Details, an denen der Patient vermeintlich die Professionalität seines Zahnarztes festmacht. Ein herausgefallenes Provisorium kann schon das Vertrauen erschüttern, wenn nicht darauf hingewiesen wurde. Empfindliches Zahnfleisch nach der PZR bemerkt der Patient vielleicht eher als die sau­beren Zähne. Hier ist vorzeitige Auf­klärung hilfreich.

Aber auch mit dem Praxisauftritt vermittelt der Zahnarzt eine gewisse Botschaft. Vielleicht werben Sie mit kurzen Wartezeiten, Behandlungen am Wochenende, langen Garantien und Ähn­lichem. Wenn diese Versprechungen nicht eingehalten werden, fühlt sich der Patient zu Recht für dumm verkauft. Das Gefühl, professionell behandelt zu werden, endet schon, wenn niemand ans Telefon geht, das Wartezimmer un­ordentlich ist oder die Wartezeiten trotz Termin unverhältnismäßig lang sind. Als nächstes fällt die Begrüßung durch den Zahnarzt wenig herzlich aus oder der Patient soll am besten gleich auf dem Behandlungsstuhl warten. Kennen Sie einen Arzt, bei dem sich der Patient sofort auf die Liege legen muss? Gibt es einen Gynäkologen, der die Patientin auf dem Stuhl warten lässt? Der Patient erwartet, dass Professionalität und guter persönlicher Umgang garantiert sind und da­rüber hinaus die individuellen Praxis­versprechungen eingehalten werden.

Beschwerdeäußerungen

Nicht immer verstehen Zahnarzt und Team, dass sich der Patient beschwert. Es ist nicht jedermanns Sache, direkt und unmissverständlich Missmut und Vorwürfe zu kommunizieren. Vielleicht schickt der Patient jemand anderen vor, um ihn zu vertreten. Hier ist es wichtig, die Person selbst zu einem Gespräch einzuladen. Oder der Patient sagt mit einer eindeutigen Betonung „dass ihm die Praxis an sich schon gefällt“. Klären Sie, ob es denn Punkte gibt, die nicht seinen Vorstellungen entsprechen. Ein Patient, der sich nach einer Behandlung die Backe hält, möchte eventuell gefragt werden, ob er noch weitere Prob­leme hat. Geschieht dies nicht, geht er heraus und denkt sich, dass niemand auf seine Schmerzen eingeht. Manche Patienten verweilen noch in der Praxis und drucksen herum. Erkundigen Sie sich gezielt, ob es noch Klärungsbedarf gibt. Schauen Sie den Patienten dabei an und beschäftigen Sie sich mit nichts anderem. Zusätzlich zu dem eigentlichen Problem, das den Patienten ärgert, erregt er sich jetzt auch noch über die ausbleibende Reaktion seitens der Praxis.

Vorgehen

Als erstes suchen Sie einen ruhigen Raum auf, um das Gespräch zu führen. Sollten Sie nur das Behandlungszimmer zur Verfügung haben, setzen Sie den Patienten zumindest aufrecht hin. Hören Sie zu, fragen Sie nach, machen Sie sich Notizen. Suchen Sie die Schuld nicht bei einzelnen Personen, sondern diskutieren Sie zukunftsorientiert: Was wünscht sich der Patient? Wie soll es optimalerweise laufen? Vergessen Sie nicht die Emotionen, die im Spiel sind. Im Übereifer gehen Zahnarzt und Team oft sofort auf das Problem ein und las-sen die Gefühle außen vor. Lassen Sie den Betroffenen seine Emotionen artikulieren („Ich glaube, Sie sind recht wütend auf uns …“, „Ich habe den Eindruck, dass Sie etwas stört …“). Beginnen Sie dabei immer damit, dass es Ihr Eindruck ist. Wenn Sie dem Patienten auf den Kopf zusagen, dass er ärgerlich und wütend ist, kann das zu einer Abwehrhaltung führen. Auch wenn die Schuld beim Patienten liegt, weil er vielleicht die Zahnpflege vernachlässigt oder Termine hat ausfallen lassen – kontern Sie nicht gleich mit diesen Argumenten.

Nehmen wir als Beispiel an, ein Patient bekommt aufgrund mangelhafter Hygiene die Parodontitis nicht in den Griff. Er hat Schmerzen und beschwert sich beim Zahnarzt, dass die ganze Behandlung nichts bringe. Hier ist es wenig hilfreich zu erwidern, dass sich bei der nachlässigen Hygiene auch nichts bessern könne und dass Sie es doch schon dreimal erklärt hätten. Schlucken Sie Ihren eigenen Frust herunter, nehmen Sie ein Blatt Papier und zeichnen Sie Zahn, Zahnfleisch, Bakterien, Plaque etc. auf. Erläutern Sie Schritt für Schritt, was Sie in den Behandlungen genau gemacht haben und zeigen Sie, was der Patient mit der Mundhygiene erreichen wird. Schreiben Sie dazu, wie häufig und in welchen Monaten genau ein Prophylaxetermin nötig sein wird, um den Zustand zu verbessern. Ein Patient, der ein solches individuell angefertigtes Schema mit nach Hause bringt, wird es schwer haben, die Schuld weiterhin von sich zu weisen und seine Wut über un­zureichende Zuwendung aufrechtzuerhalten.

Schreiben Sie alle Beschwerden intern auf oder hängen Sie einen Kummerkasten ins Wartezimmer, das erleichtert die Auswertung und Bewertung der gängigsten Fragen. Hier hat sich als besonders hilfreich erwiesen, die häufigs­-ten Beschwerden zu sammeln und im Team die optimale Antwort zu erarbeiten, an die sich alle halten. „Viel hilft viel“ ist hier fehl am Platz, eher gilt die Regel „Wir beschränken uns auf eine Antwort, dann rennt uns der Patient nicht fort“. Versetzen Sie sich bitte bei jeder direkten und indirekten Beschwerde in die Lage des Patienten – er ist der Kunde und möchte entsprechend behandelt werden.

Autor: Dr. Lea Höfel



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