Recht 26.04.2011
Behandlungsabbruch bei beginnender Wurzelresorption?
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In seinem Urteil vom 19.01.2011 (S 12 KA 262/10) hat sich das Sozialgericht (SG) Marburg inzidenter mit haftungsrechtlichen Fragen im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung befasst. In dem vorliegenden Fall war fraglich, ob eine kieferorthopädische Therapie unverändert fortgesetzt werden durfte, wenn ein Röntgenbefund nach fünfjähriger ergebnisloser kieferorthopädischer Behandlung eine beginnende Wurzelresorption aufzeigte.
In dem konkreten Fall wurde im Jahr 2009 gegenüber einer Fachzahnärztin für Kieferorthopädie ein Regressbescheid in Höhe von 2.561,01 Euro (60 % der abgerechneten Leistungen) festgesetzt, wobei zur Begründung ausgeführt wurde, dass die Behandlung vertragswidrig mit einer nicht genehmigten festsitzenden Apparatur begonnen worden sei. Die geplante und durch den Kostenträger befürwortete Therapie mit einem funktionskieferorthopädischen Gerät sei unterlassen worden. Zudem sei eine fehlende oder unvollständige Mitarbeit der Versicherten im Zeitraum 1999 bis 2005 nicht dokumentiert worden. Die Behandlungsdurchführung sei aufgrund der Karteikartenführung nur oberflächlich nachvollziehbar, was einen weiteren erheblichen Dokumentationsmangel darstelle. Die Behandlung sei über Jahre fortgeführt worden, ohne dass der Befund verbessert worden wäre. Auf dem Röntgenbefund vom 18.05.2004 sei eine Wurzelresorption bereits zu erkennen gewesen, wobei eine Umplanung oder ein Behandlungsabbruch hätte erfolgen müssen.
Die Entscheidung
In seinem Urteil bestätigte das SG Marburg den von der Kieferorthopädin angefochtenen Bescheid als rechtmäßig. Voraussetzung für den Anspruch einer Krankenkasse auf Ersatz eines sonstigen Schadens durch einen Vertragszahnarzt sei die Verletzung einer vertragszahnärztlichen Pflicht, ein hieraus resultierender Schaden sowie ein schuldhaftes, also zumindest fahrlässiges Verhalten des Vertragszahnarztes. Aus dem aus Rechten und Pflichten bestehenden Kassenzahnarztverhältnis ergebe sich, dass der Kassenzahnarzt gegenüber der KZV verpflichtet sei, durch Einhaltung der Regeln der zahnärztlichen Kunst Vermögensnachteile, die typischerweise mit solchen Regelverletzungen verbunden seien, von den Krankenkassen abzuhalten. Die kieferorthopädische Behandlung sei unter Einbeziehung verwertbarer Gutachten und fachlichen Stellungnahmen mangelhaft gewesen. Es sei insbesondere festgestellt worden, dass sich im Bereich der oberen Schneidezähne eine dauerhafte Zahnlockerung in Folge Wurzelresorption ergeben habe, wobei schon in den Röntgenbefunden aus dem Jahr 2004 beginnende Wurzelresorptionen zu erkennen gewesen seien. Bereits im Mai 2004 habe festgestanden, dass bei unveränderter Fortsetzung der Behandlung die Gefahr bestand, dass die Resorption zunahm und / oder auch andere Zähne gefährdet waren.
Es sei nicht zu beanstanden, den Schaden nach den abgerechneten Leistungen zu bemessen. Die Weiterbehandlung trotz der beginnenden Wurzelresorptionen habe auch dann, wenn die Behandlung bis Mai 2004 standardgerecht erfolgt sei, die Gesamtbehandlung unbrauchbar gemacht. Im Rahmen des Schadensersatzes habe der Vertragsbehandler gerade für etwaige Zusatzkosten im Sinne von Mangelfolgeschäden einzustehen.