Recht 28.02.2011

Beweislast bei der Haftung für Zahnschäden



Beweislast bei der  Haftung für Zahnschäden

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Haftungsfälle werden oft aufgrund der bestehenden Beweislast entschieden: Es gilt die Faustformel, dass in der Regel Behandlungsfehler durch die Patienten und die Aufklärung durch Ärzte und Zahnärzte zu beweisen sind. Davon gibt es aber beachtliche Ausnahmen.

Hintergrund grundsätzlicher Natur ist eine Entscheidung des Reichsgerichtshofes aus dem Jahre 1894, nach der fast jede ärztliche Behandlung den objektiven Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt. Damit diese nicht rechtswidrig ist, muss der Patient in die Körperverletzung einwilligen. Voraussetzung für die Einwilligung ist wiederum, dass der Patient aufgeklärt ist. Dreh- und Angelpunkt ist also deshalb immer wieder die Aufklärung, da es ohne sie keine wirksame Einwilligung gibt.

Regelmäßiger „Knackpunkt“ im Haftungsprozess ist, dass im Leben natürlich zum Zeitpunkt der Vornahme von Handlungen nicht darüber nachgedacht wird, ob diese später einmal bewiesen werden müssen, sondern eine Dokumentation schnell auch einmal vergessen werden kann. Die Folge bei mangelndem Nachweis ist der Gewinn oder Verlust des Prozesses auf der einen oder anderen Seite. Deshalb muss jedem Zahnarzt die Dokumentation nicht nur der Behandlung, sondern auch insbesondere der Aufklärung am Herzen liegen.


Fallbeispiel

Eine Ausnahme von der Beweislast des Zahnarztes im Rahmen der Aufklärung, wurde durch einen Beschluss des OLG München (1 U 2449/06) entschieden: Eine Patientin machte Schadenersatzansprüche infolge einer Parodontitis geltend, die ihrer Ansicht nach nicht ausreichend durch ihren langjährigen Zahnarzt erkannt und nicht richtig behandelt wurde.

Der 1. Zivilsenat trennte daraufhin genau zwischen den Pflichten des Zahnarztes zur Aufklärung und solchen zur Behandlung: Damit der Patient im Rahmen seiner Behandlung einwilligen kann, muss der Zahnarzt den Patienten sowohl über das Risiko der bevorstehenden Behandlung aufklären als auch grundsätzlich über die Sicherheit.

Letztere beinhaltet die Verpflichtung des Zahnarztes, den Patienten über alle Umstände zu informieren, die zur Sicherung des Heilungserfolgs und auch zum Beispiel zu einem therapiegerechten Verhalten des Patienten notwendig sind.

Anders als bei der Frage der Risikoaufklärung, bei der den Zahnarzt die Beweislast trifft, obliege der Beweis einer unterbliebenen oder unzureichenden Sicherheitsaufklärung zunächst einmal dem Patienten. Lediglich dann, wenn der Zahnarzt geltend macht, dass eine an sich gebotene, unstreitig unterbliebene Sicherheitsaufklärung aus bestimmten Gründen nicht notwendig gewesen sei und er sich somit auf einen Ausnahmetatbestand beruft, ist er für dessen Vorliegen darlegungs- und beweisbelastet.

Es muss deutlich gemacht werden, dass das Fehlen der Dokumentation der Behandlung oder Aufklärung in der Regel gegen den Zahnarzt spricht: Unter der ärztlichen Dokumentationspflicht versteht man die Pflicht, den Behandlungsverlauf einschließlich ungewöhnlicher Vorfälle zu dokumentieren. Verletzt der Zahnarzt diese Pflicht und dokumentiert nachweislich nichts, so wird zugunsten des Patienten angenommen, dass die betreffenden Maßnahmen nicht durchgeführt worden sind.

Zwar sah es der Senat als geboten an, das Erkennen einer Parodontitis und die in Folge zu deren Behandlung erteilten Ratschläge zu dokumentieren. Dass eine Dokumentation aber eindeutig fehlte, ließe zunächst nur darauf schließen, dass die Parodontitis entweder nicht erkannt oder dies mit dem gebotenen Hinweis auf die Behandlungsbedürftigkeit nicht mitgeteilt wurde.

Interessanterweise zog der Senat daraus aber nicht den Schluss, dass allein wegen des Dokumentationsfehlers die Klägerin damit bereits den ihr obliegenden Beweis einer Verletzung der Pflicht zur Sicherheitsaufklärung erbracht hätte. Die Pflicht zur Eintragung stelle kein derartiges Muss dar, dass nicht auch bei deren Fehlen anderweitig der Nachweis über eine entsprechende Aufklärung abgeschnitten wäre. Zum Nachweis konnte nämlich hier der Zahnarzt eine glaubwürdige Zeugin aufbieten.


Fehlen der Dokumentation

Damit bedeutet das Fehlen der Dokumentation für den Zahnarzt nicht, dass schon alles verloren ist. Das Fehlen stellt also keinen eigenständigen Haftungsgrund dar, sondern erleichtert dem Patienten nur den Beweis. Dann nämlich wird – widerleglich – negativ vermutet, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Zahnarzt auch nicht getroffen wurde bzw. sich ein nicht dokumentierter, aber dokumentierungspflichtiger wesentlicher Umstand so ereignet hat, wie ihn der Patient glaubhaft schildert.

Vorsicht ist aber bei schweren Indikationen und Befunden geboten: In diesen Fällen (z.B. unterlassener Probeexzision bei sich auszubreiten drohenden Krebserkrankungen) lasse sich ein Rückschluss darauf ziehen, dass es unverständlich wäre, sich ärztlicherseits mit wenigen, zum Teil auch nicht gesonderten Hinweisen an den Patienten zufriedenzugeben und nicht eindringlich auf das Erfordernis ärztlicher Maßnahmen und die im Fall des Unterlassens drohenden erheblichen Risiken hinzuweisen. Hier sind also erheblich höhere Anforderungen an die Dokumentation zu stellen, da es eben nicht das „Alltagsgeschäft“ ist. Einen solchen schweren Befund hat der Senat jedoch nicht bei Vorliegen einer Parodontitis angenommen.

Zuletzt geht der Senat noch der hypothetischen Frage nach, was es bedeuten würde, wenn der Klägerin der Nachweis einer Verletzung der Aufklärungspflicht gelungen wäre. Ein solch nachgewiesener Aufklärungsfehler bedeute nicht, dass der Zahnarzt auch automatisch für den entstandenen Schaden verantwortlich gemacht werden kann. Denn nach wie vor muss der Patient beweisen, dass der eingetretene Schaden auch gerade aufgrund des Aufklärungsfehlers entstanden ist, mithin dem Zahnarzt auch zurechenbar ist.


Einfache versus grobe Aufklärungsfehler

Eine Differenzierung nach einfachen und groben Aufklärungsfehlern ist also der Rechtsprechung immanent: Letztere führen zu einer völligen Umkehr der Beweislast derart, dass automatisch der geforderte Zurechnungszusammenhang zum eingetretenen Schaden besteht. Der Zahnarzt ist in der Pflicht jetzt zu beweisen, dass sein Fehler gerade nicht ursächlich für den eingetretenen Schaden ist. Bei einfachen Behandlungsfehlern trifft dagegen den Patienten die Beweislast.

Ein grober Fehler wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes definiert als medizinisches Fehlverhalten, welches aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Betroffen sind Verstöße gegen eindeutig gesicherte medizinische Erkenntnisse bzw. bewährte Behandlungsmethoden und Erfahrungen. Die Entscheidung über die Klassifizierung des Behandlungsfehlers obliegt in der Regel den Sachverständigen und ihrer medizinischen Kompetenz.

Da die Klägerin zumindest ein bis zweimal auf das Erfordernis einer Parodontosebehandlung hingewiesen wurde, hätte dies zu einer Sensibilisierung der Patientin führen müssen. Somit habe sie die Notwendigkeit einer Behandlung selbst erkennen können. Das Unterbleiben weiterer Hinweise führt damit nicht zur Haftung des behandelnden Zahnarztes, sondern fällt in die Eigenverantwortlichkeit der Patientin. Somit war von einem einfachen Behandlungsfehler auszugehen und der Patientin oblag der Nachweis für den Ursachenzusammenhang, welcher von ihr nicht geführt werden konnte.


Fazit

Nicht immer muss der Zahnarzt für alles den Beweis führen können. Dennoch sollte immer im Rahmen der Möglichkeiten die Behandlung und vor allem auch die Aufklärung dokumentiert werden. Aufgrund der Beweislast ist häufiger Ansatzpunkt für die Haftung die Aufklärung. Aufklärungsbögen können hier eine wertvolle Hilfe sein, solange und soweit sie im Rahmen der persönlichen Aufklärung des Patienten als Leitfaden und Beweismittel benutzt werden. Die persönliche Aufklärung kann und darf durch sie aber nicht ersetzt werden!


Autorin: Karin Gräfin von Strachwitz-Helmstatt (Fachanwältin für Medizinrecht)

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