Recht 28.02.2011

Honorarrückzahlung bei Scheingemeinschaftspraxis



Honorarrückzahlung bei Scheingemeinschaftspraxis

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Schließen sich mehrere Ärzte zusammen, um eine Gemeinschaftspraxis zu gründen und zu betreiben, müssen vielerlei Dinge beachtet werden. Dabei muss unter anderem bestimmt werden, wer Gesellschafter wird und wer gegebenenfalls nur in einem bloßen Dienstverhältnis zu der Gemeinschaftspraxis stehen soll. Die Abgrenzung ist nicht immer leicht. Die Einstufung erfolgt nach bestimmten Kriterien in der Gesamtschau und orientiert sich nicht an der Bezeichnung. Ein Irrtum kann erhebliche Konsequenzen haben.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschied in einem Urteil vom 17.12.08, – L 3 KA 316/04 1/9, dass bei einem Gestaltungsmissbrauch der Rechtsform einer ärztlichen Kooperation, die Kassenärztliche Vereinigung Honorarabrechnungen korrigieren und zu viel bezahltes Honorar zurückverlangen kann. Dies ergebe sich aus § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag Ärzte bzw. § 34 Abs. 4 Satz 1 und 2 Bundesmantelvertrag Ersatzkassen jeweils in Verbindung mit § 75 Abs, 2 Satz 2 SGB V. Nach diesen Vorschriften obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung die Aufgabe, die von den Vertragsärzten eingegangenen Abrechnungen rechnerisch und der Gebührenordnung entsprechend auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren. Vor allem hat sie ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass die abgerechneten ärztlichen Leistungen ohne Zuwiderhandlung gegen gesetzliche und/oder vertragliche Bestimmungen erbracht worden sind. Die sachlich-rechnerische Berichtigung habe in Anknüpfung an die in den fraglichen Quartalen unrichtige Sammelerklärung zu erfolgen.

Die Garantiefunktion, die der Sammelerklärung generell nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anhaftet, falle weg, wenn die Sammelerklärung sich als fälschlich erweist. Dadurch mangle es an einer Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruchs des betroffenen Arztes, sodass der entsprechende Honorarbescheid rechtswidrig sei. Dies führt – so das Gericht – dazu, dass die Kassenärztliche Vereinigung befugt ist, den Abrechungsbescheid aufzuheben und das Honorar gänzlich neu zu bestimmen. Es schränkt allerdings dieses Vorgehen nur dahingehend ein, als der Arzt die fehlerhaften Angaben mindestens grob fahrlässig getätigt haben muss.

Gemeinschaftspraxis existiert nur mit Genehmigung

Die Richter stellten in ihrer Urteilsbegründung weiterhin fest, dass eine Gemeinschaftspraxis nur dann existiere, wenn eine statusbegründende Genehmigung nach § 33 Abs. 2 Satz 2 ÄrzteZV vorliegt und wenn die Gesellschaften die ärztliche Tätigkeit tatsächlich gemeinschaftlich ausüben. Eine solche gemeinschaftliche Berufsausübung liegt nur bei selbstständiger, nicht abhängiger Ausübung der Arbeit vor. Dies ist gegeben, wenn der jeweilige Gesellschafter über Inhalt und Umfang der ärztlichen Tätigkeit inklusive sachlicher und persönlicher Mittel frei selbst bestimmen kann und wenn er am Gewinn, Verlust und Unternehmensrisiko beteiligt ist.

Des Weiteren sind auch die Art der Vergütung, die gesellschaftlichen Mitwirkungsmöglichkeiten sowie die Ausübungsbefugnis des Direktionsrechts gegenüber den Beschäftigten maßgebliche Kriterien für eine Gesellschafterstellung. Das Gericht ließ es allerdings offen, ob eine Beteiligung am materiellen Vermögen unentbehrlich ist. Es gab aber zu erkennen, dass es eine wenn auch zeitlich befristete sogenannte „Nullbeteiligungsgesellschaft“ für äußerst bedenklich hält. Hierbei ist der Arzt als gesellschaftlicher Partner nur zu null Prozent beteiligt.

Mitgliedschaftsrechte in Form von Mitwirkungsrechte, wie zum Beispiel Stimmrechte oder die Teilnahme an Gesellschaftsversammlungen, seien unverzichtbar. Als richtiger Adressat des Honorarrückforderungsbescheids kann die frühere „Gemeinschaftspraxis“ in Betracht kommen, aber auch jeder einzelne Gesellschafter dieser Gemeinschaft, wenn, wie häufig, eine sogenannte Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegt. Folglich hat die Kassenärztliche Vereinigung ein Wahlrecht, wem gegenüber sie die Rückforderung geltend macht. Die Folgen können massiv sein, da jeder Einzelne in voller Höhe zur Kasse gebeten werden kann. Ein finanzieller Rückgriff auf alle anderen oder auch Einzelnen intern in der Gemeinschaft kann an dessen mangelnder Liquidität scheitern. Es ist also Vorsicht geraten.

Auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht kann dann weiteres Ungemach drohen: der dann Angestellte ist sozialversicherungspflichtig. Die Sozialabgaben müssen nachträglich abgeführt werden und können oftmals nur für einen Zeitraum bei dem „Angestellten“ gefordert werden.

Vorsicht vor den Rückforderungsansprüchen

Besteht eine Gemeinschaftspraxis also nur rein formal, so kann die Kassenärztliche Vereinigung nachträglich die Honorarbescheide korrigieren und damit verbundene Rückzahlungen fordern. Daher ist Vorsicht geboten. Die Rückforderungsansprüche können sich aufsummieren. Die gesamte Problematik wurde mittlerweile durch den Gesetzgeber entschärft, indem er durch das Vertragsarztänderungsgesetz die Möglichkeit zur Anstellung von Ärzten (auch fachübergreifend) deutlich erweitert hat. Diese Chance sollte nicht ungenutzt bleiben.

Autorin: Karin Gräfin von Strachwitz-Helmstatt


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