Recht 06.08.2009

Privatliquidation bei GKV-Patienten - ein Reizthema



Privatliquidation bei GKV-Patienten - ein Reizthema

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In der letzten Zeit besteht zunehmend die Notwendigkeit, dass sich alle Beteiligten im Gesundheitswesen damit beschäftigen, dass bei Patienten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) auch Privatliquidationen erfolgen. Neben der Beschäftigung in Talkshows haben sich auch Gerichte mit derartigen Vorgängen auseinanderzusetzen gehabt. Aus diesem Grunde soll in diesem Artikel deutlich gemacht werden, unter welchen Voraussetzungen der Patient der gesetzlichen Krankenversicherung zum "Privatpatienten" wird.

Grundsätzlich hat der Patient der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankenbehandlung, soweit sie notwendig ist, §§ 2 und 12 SGB V. Die gesetzliche Krankenversicherung und deren Leistung werden im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abschließend beschrieben. Nur in seltenen Ausnahmefällen sind Leistungen, die nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab erfasst sind, Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.


Vereinbarung vor der Behandlung ist entscheidend

Aufgrund des Behandlungsvertrages und der ärztlichen Therapiefreiheit darf und muss der Arzt/Zahnarzt dem Kassenpatienten jedoch auch Leistungen anbieten, die über den Rahmen der GKV hinausgehen. Hierbei sei insbesondere vermerkt, dass die Aufklärungspflicht auch des GKV-Patienten für den Arzt nach dem Stand der Wissenschaft zu erfolgen hat. Sollten einzelne Leistungen nach dem Stand der Wissenschaft keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sein, so ist der behandelnde Arzt/Zahnarzt dennoch verpflichtet, den Patienten auf die Möglichkeit dieser, zum Beispiel Diagnostik oder Behandlung, hinzuweisen. Der Patient hat dann die Wahl, ob er die Leistungen auch außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen will und dafür auch bezahlen muss oder „nur“ die Leistungen in Rahmen der GKV.

Zu beachten hat in diesem Falle jedoch der behandelnde Arzt, dass gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 2 und 3 Bundesmantelvertrag Ärzte bzw. § 4 Abs. 5 d) Bundesmantelvertrag-Zahnärzte voraussetzen, dass unabhängig vom Steigerungsfaktor, wie bei Privatpatienten, immer eine Honorarvereinbarung zwischen dem gesetzlich versicherten Patienten und dem Arzt/Zahnarzt zu erfolgen hat. In diesem Sinne hat auch das Landgericht Mannheim in seinem Urteil vom 18.01.2008, AZ: 1 S 99/07 entschieden, dass ein Arzt gegenüber einem gesetzlich versicherten Patienten nur dann eine Vergütung fordern darf, wenn ihm diese von dem Patienten vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt wird. Die Betonung lag beim Landgericht Mannheim auch darauf, dass für den Vergütungsanspruch entscheidend ist, dass nur die Vereinbarung vor Beginn der Behandlung zu einem Vergütungsanspruch führen kann.


Ein für alle geltendes zwingendes Preisrecht

Eine Liquidation hat immer nach den Gebührenordnungen für Ärzte oder Zahnärzte zu erfolgen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht schon vor geraumer Weile entschieden, dass es sich bei den ärztlichen Gebührenordnungen um ein für alle geltendes zwingendes Preisrecht handelt. Verfassungsrechtlich sei dies unbedenklich und verletze insbesondere weder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch die Berufsfreiheit der Ärzte. Im Zusammenhang mit kosmetischen Operationen hat der Bundesgerichtshof danach in einem weiteren Urteil vom 23.03.2006, AZ: III ZR 223/05, entschieden, dass die Anwendung der Gebührenordnung auch für kosmetische Operationen gelte, unabhängig von der Frage, ob diese medizinisch indiziert oder nicht zur Heilung einer Gesundheitsstörung erforderlich war. Dementsprechend ist auch die Erhebung von Pauschalhonoraren rechtlich unzulässig. Liquidationen müssen immer über die Gebührenordnungen abgerechnet werden, wobei eine gewisse Flexibilität allenfalls über die Steigerungsfaktoren erfolgen kann.

Interessant ist auch ein Urteil des OLG Koblenz vom 21.02.2008, AZ: 5 U 1309/ 07, das sich mit der persönlichen Leistungserbringung im Rahmen von Privatliquidationen beschäftigte. Darin heißt es: „Lässt ein persönlich verpflichteter Chefarzt die Operation vertragswidrig von einem angestellten Arzt durchführen, schuldet der Patient selbst dann keine Vergütung, wenn der Eingriff sachgemäß erfolgte.“ Dem Chefarzt steht auch kein Bereicherungsanspruch gegen den Patienten zu. Dabei ist nicht die Wertschätzung der aufgedrängten Bereicherung durch den Leistungsempfänger (Patient) maßgeblich. Wurde die in dieser Form nicht geschuldete Operationsleistung irrtumsfrei oder gegen den erklärten Willen des Patienten erbracht, ist der Arzt nach der gesetzlichen Wertung der §§ 814, 613 BGB, 223 StGB nicht schutzwürdig. Mit anderen Worten: werden persönlich geschuldete Leistungen nicht vom verpflichteten Arzt/Zahnarzt selbst erbracht, so ist der Patient nicht verpflichtet, die möglicherweise sogar perfekt erbrachte Leistung entsprechend zu vergüten.


Die Honorarvereinbarung ist eine Art Kostenvoranschlag

Wichtig ist weiter, dass die Honorarvereinbarung einer Art Kostenvoranschlag gleicht. Das Landgericht Meiningen hat in einem Urteil vom 07.02.2002, AZ: 1 O 1001/01 dazu ausgeführt, dass zwar eine genaue Angabe der zu erwartenden Kosten zum Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten unter Umständen schwer möglich sei. Wie im Rahmen eines Kostenvoranschlages nach § 615 BGB reichten auch hier im Wesentlichen zutreffenden Angaben aus. Die diesbezüglichen Angaben müssten aber soweit als möglich individualisiert sein und sich auch auf die im konkreten Behandlungsfall voraussichtlich entstehenden Arztkosten beziehen. Für den Patienten seien diese Angaben unverzichtbar, um absehen zu können, auf welche finanziellen Risiken er sich bei der Vereinbarung von Wahlleistungen einlässt.

Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, dass gerade die Abgrenzung zwischen Kassen- und Privatleistungen mittlerweile immer mehr in den Vordergrund rückt. Dies ist nur bei eindeutiger Abgrenzung möglich. In manchen Fällen wird dies nicht problematisch sein, jedoch entstehen immer wieder im Zusammenhang, insbesondere mit Beratungen, Probleme. Hier gilt mit der Behandlung einer Krankheit der Grundsatz der Unteilbarkeit der Beratung. Aus diesen Gründen sollte eine Beratung nach EBM und nach GOÄ nur dann berechnet werden, wenn eine eindeutige Abgrenzung möglich ist. Es empfiehlt sich daher die Vereinbarungen von gesonderten, zeitlich getrennten Terminen, damit beispielsweise im Nachhinein auch tatsächlich der Nachweis der Abgrenzung geführt werden kann. Entscheidend ist insbesondere, dass gerade im Zusammenhang mit Privatsprechstunden bei der Vergabe von Terminen kein Druck auf den Patienten ausgeübt wird. Erste Ermittlungsverfahren von Staatsanwaltschaften wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug bzw. auch Nötigung sind bereits erfolgt.

Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass die früher starre Trennung zwischen den Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung und der Privatliquidation zunehmend aufweicht. Dies hat vielfältige Ursachen. Unabhängig von deren Einstufung ist es von essenzieller Bedeutung, dass die „Spielregeln“ eingehalten werden, damit sich Ärzte und Zahnärzte nicht unnötig Verdächtigungen und Verfahren aussetzen.


Autorin: Karin Gräfin von Strachwitz-Helmstatt

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