Statements 21.02.2011
Die Zahnärzte im Krisen- und Wahljahr
Statement von Dr. Michael Rumpf, Präsident der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz
"Diese Zeit ist eine Herausforderung, nicht nur für Zahnärzte. Das Krisenjahr 2009 verwandelt die Vokabel 'Wirtschaftswachstum' in den Begriff 'ökonomischer Rückgang'.
Sechs Prozent wird das Minus – so sagen nicht nur die Wirtschaftsweisen voraus – am Ende des Jahres betragen: Ein Abfall unserer Wirtschaftskraft, wie ihn die Republik seit ihrer Gründung nicht verkraften musste. Das Geld, das die Bundesregierung für Konjunkturpakete, Firmenrettungen und Bankensystemsicherung bisher ausgeben musste, übersteigt schon jetzt jene Summe, die in Deutschland für die Vereinigung des Ostens mit dem Westen nach dem Mauerfall ausgegeben wurde. Auch an den Zahnärzten, die mit einer Gebührenordnung arbeiten müssen, die noch aus dem Jahr 1988 stammt und seitdem weder an neu entwickelte Behandlungsmethoden und Therapiekonzepte angepasst noch in der Gebührenhöhe verändert worden ist, wird diese Krise sicher nicht spurlos vorübergehen.
Auch auf den Seiten der ZWP wird darüber spekuliert, wie zukünftig betriebswirtschaftlich seriös kalkuliert werden kann, um ökonomisch viril zu bleiben, und wie viel Kosten die Bürger überhaupt in der Zukunft zu tragen bereit sind; das ist das eine.
Das andere: In diesem Krisenjahr schreiten wir zur Wahl, am 27. September. 60 Jahre Bundesrepublik haben uns zumindest in den alten Bundesländern eine sechs Jahrzehnte währende Tradition freier Wahlen beschert. Die Wahlen im Krisenjahr konfrontieren den freien Beruf des Zahnarztes und den einzelnen Bürger mit der Möglichkeit der Fortsetzung der großen Koalition, mit der von vielen gewünschten Neubildung einer Regierung aus CDU/CSU und FDP oder der immer unwahrscheinlicher werdenden Konstruktion einer sogenannten Ampel, die irgendwie Grün mit Rot oder Grün-Rot-Gelb verbindet.
Der Berufsstand erlebt eine Richtungswahl, die stärker denn je die Wirtschaft in den Mittelpunkt stellt. Sogar die Christdemokraten winken ähnlich wie die Freidemokraten mit Steuersenkungen, obwohl nicht nur die Opposition, sondern auch Publizisten und Ökonomen davon ausgehen, dass es einen finanziellen Spielraum für etwaige Steuersenkungen gar nicht gibt.
Wer mit Kollegen oder Standespolitikern spricht, erfährt, dass sie in diesem Krisen- und Wahljahr 2009 mit deutlicher Sorge die Entwicklung unseres Gesundheitswesens betrachten. Die Volksparteien, so heißt es, favorisieren ein solidarisches Kassensystem, das mehr denn je, ähnlich wie die Renten, durch Steuern gestützt werden muss.
Die Entscheidung der Verfassungsrichter, die Beschwerden der privaten Krankenversicherung gegen die Gesundheitsreform zu verwerfen, wie vor wenigen Wochen geschehen, hat Konsequenzen für Versicherung, Wirtschaft und Gesundheitspolitik, aber eben auch für den Wahlkampf 2009. ‚Schon heute‘, sagt der Frankfurter Journalist Andreas Mihm, ‚leide die Privatversicherung an politisch begründeten chronischen Krankheiten.‘ Dass mit höchst richterlicher Zustimmung ein Neugeschäft beschnitten wird, welches ein Geschäftsmodell zur Gänze verändert, zeigt, wie sehr die Volksparteien sich durchzusetzen wussten und die privaten Krankenversicherungen schwierigen Zeiten entgegensehen.
Krisenjahr und Wahljahr heißt für uns Zahnärzte: Der demokratische Wille ist die eigentliche Instanz der Berliner Republik. Mit Augenmaß und Zielfestigkeit und durchaus standfest müssen wir gerade jetzt die Belange des Berufes vertreten, patientenorientiert und nachwuchsgerecht. Diese Zeit ist eine Herausforderung. Wir Zahnärzte werden sie meistern.“
Dr. Michael Rumpf, Präsident der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz
Aus: ZWP 7+8/2009