Statements 21.02.2011
Patient 50+: Zur Einheit unseres Berufsstandes
Statement von Dr. Michael Sereny, Präsident der Landeszahnärztekammer Niedersachen
Die Patienten 50+ sind inzwischen als lukrative Zielgruppe erkannt worden: Die Kinder (wenn es denn welche gibt) befinden sich in den letzten Jahren der Ausbildung, beruflich ist man etabliert, Ausgaben/Einnahmen sind geregelt. Es ist Zeit, an den eigenen Körper zu denken, wenn er nicht schon selbst auf sich aufmerksam gemacht hat. Bei den Zähnen ist dabei mit relativ wenigen Mitteln ein "schnelles Ergebnis" einer "Verjüngung" zu erreichen. Zahnmedizin, Wellness und Ästhetik gilt es zusammenzubringen, meistens eine eher einfache Aufgabe, wenn man das nil nocere beachtet. Die Versuchung allerdings, der Ästhetik gegenüber der Medizin den Vorrang zu geben, wird vor allem dann größer, wenn ehrliche Zahnmedizin allein unter den Bedingungen der zunehmend staatlichen Reglementierung und Rationierung die Praxis nicht mehr ernährt. Insofern ist manche Schelte von Wahl- oder IGeL-Leistungen scheinheilig, wenn man vorher durch fortgesetzten Honorardiebstahl die wirtschaftliche Basis der Praxen ruiniert hat.
Zahnmediziner 50+ haben ihren Stil gefunden. Herrschte noch direkt nach dem Studium bei der Patientenbehandlung die unbegründete Unsicherheit vor, kam nach wenigen Jahren die unbegründete Sicherheit, bis man letztendlich bei der begründeten Unsicherheit landete. Der Respekt vor der Natur, die uns oft geholfen hat, ist gewachsen, gelegentlich hat sie uns auch überaus deutlich unsere Grenzen aufgezeigt. Wir haben „epochale“ Neuerungen kommen und gehen sehen, aber vieles machen wir in Grundzügen heute noch genau so, wie es uns unsere akademischen Lehrer beigebracht haben. Es gibt einiges, das wir sehr gerne und besonders gut machen, ohne dass wir uns darauf spezialisiert haben und ohne dass wir es auf das Praxisschild schreiben müssen. Das wissen die Patienten und die Kolleginnen und Kollegen im Umkreis.
Standespolitik 50+ beschreibt zu häufig das Alter der Ehrenamtlichen, denn die Jahre vorher haben wir überwiegend der Praxis und der Familie gewidmet. Jüngere Kollegen und Frauen generell sind unterrepräsentiert, es gibt aber auch hier Ausnahmen, ohne Quotenregelungen finden großartige Kolleginnen ihren Platz in berufspolitischen Gremien oder an deren Spitze. Standespolitik 50+ ist aber auch ein Synonym für die Suche nach Mehrheiten, denn ohne Mehrheit oder ein ausreichend abgesichertes Mandat lässt sich nichts bewegen. Kurzfristig werden auch Minderheiten wahrgenommen, wenn sie denn laut genug auftreten. Politik machen lässt sich damit aber nicht. Dabei kommt es weniger auf die Größe des „+“ an als auf den Mut, mit Überzeugungskraft, innerhalb und außerhalb unseres Berufsstandes Verbündete zu finden. Erfolgreich sind wir dann, wenn wir durch harte, sachliche, seriöse gemeinsame Arbeit und Hintanstellung persönlicher Animositäten und Profilierungsbestrebungen in Grundlagen unserer Berufsausübung – wie zum Beispiel bei der Ablehnung des unseligen GOZ-Entwurfes – eine einmütige Geschlossenheit erreichen.
Keinen Erfolg werden wir haben, wenn wir grundsätzliche, sehr ernsthaft zu diskutierende Probleme – wie etwa die zunehmende Gefahr der Zersplitterung unseres Berufsstandes durch die Spezialisierung, oder die finanziellen und strukturellen Probleme unserer Hochschulen mit einer Approbationsordnung von 1955 – nur zu Grabenkämpfen innerhalb der eigenen Berufsgruppe missbrauchen.
Ohne gegenseitigen Respekt, Toleranz, Fähigkeit zur Selbstkritik und zu konstruktiven Kompromissen – alles eher menschliche, charakterliche Kriterien – werden wir scheitern; hohe intellektuelle Fähigkeiten alleine reichen eben nicht. Formal müssen wir die Reihenfolge Information, Diskussion, Entscheidung, geschlossen gemeinsam getragene Umsetzung, einhalten, auch wenn der Einzelne sich nicht mit seiner Meinung durchsetzen konnte. Die Zahnärzteschaft wird, neben der Kraft ihrer Argumente, auch künftig an einer seriösen Argumentation und an einer verlässlichen Partnerschaft gemessen, Basis für eine Durchsetzung ist und bleibt aber immer die Einheit des Berufsstandes, daran müssen alle Kolleginnen und Kollegen mitarbeiten.
Dr. Michael Sereny, Präsident der Landeszahnärztekammer Niedersachen
Aus: ZWP 9/2009