Statements 21.02.2011

Schluss mit der legalisierten Zechprellerei

Schluss mit der legalisierten Zechprellerei

Foto: © FVDZ

Statement von Dr. Karl-Heinz Sundmacher, Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte e.V.

In Bayern fehlen für die Behandlung von AOK-Versicherten in diesem Jahr circa 30 Mio. Euro, in Baden-Württemberg war am Ende des dritten Quartals bereits ein Fehlbetrag von über 12 Mio. Euro aufgelaufen. Eine massive Steigerung dieser Budgetüberschreitung bis zum Ende des Jahres ist garantiert – schließlich ist das vierte Quartal dank Bonusheft-Stempelwahn sehr „schein-“ und damit umsatzstark. Ich bin mir sicher, dass Bayern und Baden-Württemberg nicht die einzigen KZV-Bereiche bleiben werden, in denen wir für den Rest des Jahres kein (oder nur ein drastisch reduziertes) Honorar für die Behandlung Versicherter bestimmter Krankenkassen bekommen.

Da wir uns – ganz zu Beginn unserer sog. Selbstständigkeit – alle einmal per Unterschrift verpflichtet haben, uns bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag treu und brav den teilweise diskriminierenden Arbeitsbedingungen des SGB V zu unterwerfen, bedeutet das, dass eine steigende Zahl Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte alle Versicherten dieser kranken Kassen bis zum Jahresende auf eigene Kosten behandeln müssen. Oder im Umkehrschluss: Wir subventionieren mit unserem Geld in steigendem Maße die GKV. Ein geradezu perverser, ein unhaltbarer Zustand.

Die Suche nach bestimmten Schuldigen ist müßig, weist doch jeder Beteiligte eigenes Versagen weit von sich und zeigt auf andere. Ernüchternd allerdings ist das geradezu hilflose Agieren der (bisher) betroffenen KZVen: Appelle an die Zahnärzte zum Maßhalten (bei jeder Leistung prüfen, ob sie den Kriterien „ausreichend“, „zweckmäßig“, „wirtschaftlich“ und „notwendig“ entspricht) machen uns, die Opfer des Budgetzwangs, zu Schuldigen, unterstellen sie uns doch, dass wir diese GKV-Grundsätze bis dato nicht eingehalten haben. Wie wäre es mit einem geschlossenen Appell aller KZVen an die gesetzlichen Krankenkassen, ihren Versicherten endlich einzubläuen, dass sie ausschließlich Leistungen bekommen dürfen, die den Kriterien „ausreichend“, „zweckmäßig“, „wirtschaftlich“ und „notwendig“ entsprechen? Am besten gegen Empfangsbestätigung. Das wäre doch mal ein Anfang, allerdings auch nicht mehr.

Es wird höchste Zeit, dass wir uns wieder primär mit der Ursache und nicht nur mit den Wirkungen befassen. Die Zusammenhänge sind tausendfach beschrieben und glasklar: Ursache allen Übels ist und bleibt die Sachleistung. Leere Kassen bei den Kassen aufgrund unbegrenzter Leistungsversprechen trotz knapper Budgets sind die unvermeidliche Wirkung. Daher ist der gesundheitspolitische Ansatz der KZBV und der KZVen, endlich die Budgets abzuschaffen, zwar populär, er greift aber deutlich zu kurz. Zwar würde das Morbi­ditätsrisiko – und damit die Zahlungsverpflichtung – richtigerweise wieder bei den gesetzlichen Krankenkassen liegen. Deren Kassen wären aber weiterhin leer. Und was hilft ein Rechtsanspruch auf Zahlung einer Rechnung, wenn der Schuldner pleite ist?

Es ist höchste Zeit, dass die Zahnärzteschaft, auch wir vom Freien Verband, wieder die Forderung nach einer System­änderung über alles stellen: Das Sachleistungssystem muss durch das Kostenerstattungssystem ersetzt werden. Genauer: Durch Kostenerstattung mit Selbstbeteiligung. Je eher desto besser – weil uns sonst angesichts der demo­grafiebedingten Überalterung unserer Gesellschaft kaum noch Gestaltungsspielraum bleibt.

Denn schon in wenigen Jahren – ab 2015 – werden die Belastungen der sozialversicherungspflichtig arbeitenden Bevölkerung in einem Maße anwachsen, dass uns Hören und Sehen vergeht. Bis dahin müssen die Weichen gestellt sein für eine Umstrukturierung der GKV, die sowohl einen anderen Finanzierungsmix als auch den Leistungsanspruch umfasst. Bleibt es beim umfassenden Sachleistungsanspruch, dann bleibt es auch bei der legalisierten Zechprellerei: Die Krankenkassen bestellen das volle Programm für ihre Versicherten, wir leisten hundert Prozent, bekommen aber deutlich weniger bezahlt. Diese Abzocke der niedergelassenen Zahnärzteschaft muss ein Ende haben.


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