Statements 14.03.2012
Zahngesundheit für Menschen mit Handicap
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Die Zahn- und Mundgesundheit der Bevölkerung konnte insgesamt verbessert werden. Doch Menschen mit Behinderung – in Deutschland leben über sieben Millionen Schwerbehinderte – profitieren bis heute noch nicht im selben Umfang von dieser Entwicklung. Häufig weisen sie infolge körperlicher und/oder geistiger Behinderung und somit eingeschränkter Kooperativität eine schlechtere Mundhygiene, eine höhere Kariesaktivität sowie schwerere Parodontalerkrankungen im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung auf. Anlässlich des 1. Internationalen Symposiums zur zahnärztlichen Betreuung von Menschen mit Behinderung im April 2004 in Berlin wurde die Forderung nach einem gesetzlich geregelten Leistungsanspruch nicht nur durch die Zahnmediziner selbst, sondern auch durch Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen gestellt. Wiederholt thematisiert wurde sie in den Jahren 2009 und 2010 während parlamentarischer Abende mit Vertretern auch aus Politik, Ministerien und Selbsthilfeverbänden.
War es nun diesen Aktionen oder der im März 2009 durch Deutschland ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention – die das Recht für Menschen mit Behinderung anerkennt, das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung wegen einer Behinderung zu genießen – geschuldet, dass sich etwas änderte? Ich glaube eher nicht. Denn mit der zeitnahen Umsetzung elementarer Menschenrechte im eigenen Land – das Recht der Bürger auf eine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung gehört dazu – werden unsere Politiker auch mit Problemen konfrontiert, besonders wenn die erforderlichen Maßnahmen finanzielle Auswirkungen haben. Denn es kostet natürlich Geld, den Artikel 25 – Gesundheit – der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Entscheidend ist für mich, dass die Zahnärzteschaft (BZÄK, KZBV und Wissenschaft) geschlossen im Jahr 2010 das Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter – Konzept zur vertragszahnärztlichen Versorgung von Pflege-bedürftigen und Menschen mit Behinderungen“ – vorgelegt und damit konkrete Lösungsvorschläge für die Politik unterbreitet hat.
Ziel einer zukünftigen Gesundheitsversorgung muss es danach sein, den Menschen mit Behinderung eine gleich gute Mundgesundheit wie der übrigen Bevölkerung zu ermöglichen. Um dies sicherzustellen, ist es wichtig, sowohl einen chancengleichen Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung als auch ein den individuellen Einschränkungen angepasstes zahnmedizinisches Leistungsangebot gesetzlich zu garan-tieren.
Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22. Dezember 2011 wurde nun ein erster Schritt zur Verbesserung der zahnmedizinischen Betreuung für Menschen mit Behinderung gemacht, indem finanzielle Zuschläge für die aufsuchende Betreuung gewährt werden sollen. Aber das ist eben nur ein erster Schritt, dem weitere und wichtigere folgen müssen, wenn man für diese Patientengruppe die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und die Beseitigung bestehender Be-nachteiligungen erreichen will. Für das Gesundheitswesen stellt sich die Frage, wie die Mit-glieder der Gesellschaft trotz ungleicher Ausgangslage hinsichtlich ihrer körperlichen, geistigen oder finanziellen Möglichkeiten gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung er-halten. Gerechtigkeit muss nicht zwangsläufig Gleichheit bedeuten. Gerecht ist es schon dann, wenn die differenzier-ten Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt werden.
Wir Zahnärzte sind es dem Ethos des Berufsstands, den Pa-tienten und der Gesellschaft schuldig, substanziell an der genannten Sicherung der Rechte mitzuwirken und Verantwortung wahrzunehmen. Wenn Zahnärzte als Anwalt ihrer Patienten auftreten, müssen sie Stellung in der Politik beziehen, nicht um lediglich eigene Interessen zu verteidigen, sondern um insbesondere auch soziale Verantwortung für die Patienten und die Gesellschaft insgesamt zu übernehmen. Und dazu gehört in erster Linie die Entwicklung von gesundheits- und versorgungspolitischen Konzepten, die glaubwürdig sind und Gemeinwohlinteressen mit den Belangen des Berufsstandes verknüpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die AG Zahnärztliche Behindertenbehandlung im BDO ist seit 2011 assoziierte Arbeitsgemeinschaft der DGZMK. Dadurch soll die Zusammenarbeit bei der zahnmedizinischen Betreuung von Menschen mit Behinderung verbessert werden. Zur wichtigen Verstärkung unserer Arbeitsgemeinschaft benötigen wir dringend Ihre aktive Unterstützung. Wir bitten Sie daher, sich mit und bei uns zu engagieren. Wenn die XXII. Jahrestagung der IADH unter der Schirmherrschaft der BZÄK mit dem Thema „Medicine meets Disability“ im Oktober 2014 in Berlin stattfindet, sollten wir als Gastgeber gut aufgestellt sein.