Laserzahnmedizin 30.05.2012
Laserunterstützte Parodontitistherapie am Beispiel des Nd:YAG-Lasers
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Die Verwendung von Dentallasern in den Therapien der Parodontologie erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Dafür stehen unterschiedliche Laser mit verschiedenen Wellenlängen zur Verfügung. Hier soll die laserunterstützte geschlossene Kürettage mit dem Nd:YAG-Laser anhand von wissenschaftlichen Empfehlungen und klinischen Erfahrungen beschrieben werden.
Zur Anwendung kommt in unserer Praxis ein Fotona Fidelis Plus II mit zwei Wellenlängen: Nd:YAG-Laser mit 1.064 nm und Er:YAG-Laser mit 2.940nm. Beide Wellenlängen sind zur Unterstützung der PA-Therapien bestens geeignet, allerdings mit unterschiedlichen Indikationen. Die Wellenlänge 1.064 nm des Nd:YAG-Lasers hat die höchste Absorption im Melanin und anderen dunklen Pigmenten, ebenso wird die Wellenlänge von 1.064 nm sehr gut im Hämoglobin absorbiert. Der Er:YAG-Laser mit 2.940 nm hat die höchste Absorption im Wasser, wird aber auch im Hydroxylapatit sehr gut absorbiert, was in der PA-Therapie nicht immer von Vorteil oder für die Planung und Durchführung einer PA-Therapie entscheidend ist. Der Er:YAG-Laser sollte wegen seiner Absorption nur bei offenen Kürettagen unter optimaler Sichtkontrolle verwendet werden.
Grundlagen
Bei der Verwendung eines Lasers in der Parodontologie können folgende Vorteile in die PA-Therapie einfließen: verstärkte Reduktion der Bakterien und Reduktion der Blutung, ein verbesserter Zugang zu schwierigen anatomischen Strukturen sowie ein erhöhter Patientenkomfort und die Biostimulation des Heilprozesses. Besonders die in Punkt eins beschriebene zusätzliche Keimreduktion ist für einen dauerhaften Erfolg in der Parodontologie wichtig. So liegt der unangefochtene Vorteil des Nd:YAG-Lasers in seiner guten Transmission des Lichtes in die marginale Gingiva. Das bedeutet, dass die Wirkung des Laserlichtes nicht auf die Oberflächen in den Taschen beschränkt ist, sondern die infiltrierten Keime im Gewebe werden ebenfalls mit dem Laserlicht erreicht und abgetötet. Die am häufigsten in Taschen zu findenden PA-Keime sind Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis und Treponema denticola, die alle obligate Anaerobier sind, und natürliche Aggregatibacter actinomycetemcomitans, der fakultativ anaerob ist.
Die Wirkung auf diese Bakterien unterscheidet sich grundlegend in zwei Mechanismen. Bis auf A. actinomycetemcomitans sind die meisten PA-Keime pigmentiert, sodass die Wellenlänge des Nd:YAG-Lasers von 1.064 nm gut absorbiert wird und die Keime durch dieses Laserlicht zerstört werden. A. actinomycetemcomitans dagegen ist relativ farblos, er absorbiert die Wellenlänge von 1.064 nm also nicht. Dieser Keim ist aber sehr temperaturempfindlich, sodass durch die Erwärmung der Zahnfleischtaschen auf ca. 40°C eine Inaktivierung der Keime erreicht wird. Die Erwärmung der Taschen kann ebenfalls durch den Nd:YAG-Laser erreicht werden, indem das Laserlicht in den nach der Kürettage blutenden Taschen absorbiert wird und damit zu einer Temperaturerhöhung führt. Besonders an sehr schwer zugänglichen Bereichen der Wurzeloberflächen, in Furkatio-nen, Grübchen oder Wurzeleinziehungen, in denen die mechanische Reinigung der Wurzeloberfläche an ihre Grenzen stößt, kann dann zumindest die Reduktion der PA-Keime durch das Laserlicht erreicht werden. Die Zerstörung der pigmentierten PA-Keime kann auch durch die unterschiedlichen Diodenlaser erfolgen, denn auch diese Laser erwärmen durch die Absorption im Hämoglobin die Zahnfleischtaschen, sodass auch hier A. acti-nomycetemcomitans abgetötet werden. Unerreichter Vorteil des Nd:YAG gegenüber den Diodenlasern in der Parodontologie ist die Eindringtiefe des Laserlichtes ins Gewebe von bis zu 10 mm. Damit werden alle das marginale Parodontium infiltrierenden Keime von dem Laserlicht erreicht und zerstört.
Die physikalischen und medizinischen Parameter, welche die Eindringtiefe des Laserlichts beeinflussen, sind besonders die Wellenlänge l und der Mode of Operation, im Dauerbetrieb (cw) oder gepulst. Bei Dauerbetrieb des Laserlichts dringt das Licht tiefer ins Gewebe ein als im gepulsten Modus, weil die erhöhte Oberflächenenergie bei gepulstem Betrieb die Epitheloberfläche so verändert, dass das Licht nicht so tief ins Gewebe penetriert. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor für die Eindringtiefe von Laserlicht liegt darin, ob die Fasern im Kontakt- oder Non-Kontakt-Modus verwendet werden. Die Einstellung dieser Parameter bedeutet allerdings in der Parodontologie, besonders bei der geschlossenen Kürettage, eine Herausforderung beim Arbeiten in den Zahnfleischtaschen, kann aber auch mit dem Nd:YAG-Laser erreicht werden, indem die marginale Gingiva von außen mit einem Abstand zwischen Faser und Gingiva von ca. 6mm bestrahlt wird. Beim Arbeiten in den Zahnfleischtaschen ist unbedingt auf diese Einstellungen zu achten, da zu hohe Energie und Frequenzen zu unerwünschten Nebenwirkungen im PA-Spalt führen können. Gewebenekrosen, Knochensequestrationen und laserinduzierte Pulpitiden können die Folge sein. Mit dem richtigen Setting sind diese Risiken vernachlässigbar und die Vorteile überwiegen klar. So wirkt das intakte PA-Ligament wie ein Isolator für die Nd:YAG-Laser-Wellenlänge, sodass die Wahrscheinlichkeit für Schäden am Knochen minimiert ist.
In der laserunterstützten Parodontaltherapie muss für die Therapieplanung außerdem die sogenannte Turn-over Time der Bakterien berücksichtigt werden. Das ist die Zeit, in der sich nach erster Laseranwendung die überlebenden Bakterien wieder vermehren und des-halb mit einer weiteren Lasertherapie nachbehandelt werden müssen. Um eine Reduktion der PA-Keime zu erreichen, sollten nach vier bis maximal sechs Tagen die Zahnfleischtaschen erneut gelasert werden, und das in mehrfachen Wiederholungen von mindestens vier bis fünf Sitzungen. So konnte in diesem Zusammenhang durch mikrobiologische Untersuchungen eine deutliche Keimreduktion nachgewiesen werden. Nach abgeschlossener PA-Therapie ist beim Recall eine Unterstützung mit dem Nd:YAG-Laser von großer Bedeutung und verbessert deutlich die dauerhaften Behandlungsergebnisse. Nach drei Monaten sollte nach den Regeln der DGP der erste Recall folgen. In den Recall-Sitzungen kommt der Laser wieder zum Einsatz und wird nach allen konventionellen Maßnahmen in den Zahnfleischtaschen angewendet, um die Keimreduktion aufrechtzuerhalten.
Behandlungsablauf einer geschlossenen Kürettage
Die Lasertherapie ist in der Parodontologie eine unterstützende Therapie und aufgrund der bisherigen Erfahrungswerte nicht als alleinige Therapie einzuschätzen. So bleibt das konventionelle Vorgehen mit Diagnose, initialer Therapieplanung, initialer Therapie und endgültiger Therapieplanung als Grundlage der systematischen PA-Therapie bestehen. Dem folgt nun die eigentliche Therapie, in welche die Verwendung des Nd:YAG-Lasers integriert wird.
Falldarstellung
Eine zurzeit der Diagnose 52-jährige Patientin leidet unter einer generalisierten chronischen Parodontitis mit horizontalem Knochenabbau und Zahnfleischtaschen zwischen 4 und 5 mm. Die Oberkiefermolaren zeigen einen Furkationsbefall bis Grad 2. Die mittleren UK-Inzisiven sind Grad I bis II gelockert. Eine mikrobiologische Untersuchung wurde in diesem Fall wegen der klaren klinischen Situation nicht durchgeführt. Der Patientin fehlt Zahn 47. Zahn 48 ist in die Lücke aufgewandert, jedoch ohne vollständigen Lückenschluss. Die Mitarbeit der Patientin ist gut, eine Aufklärung über die Erkrankung und die Therapiemöglichkeiten ist erfolgt. Der PSI liegt bei Grad 3. Der SBI bei 30%, der API bei 25% nach Motivation und Aufklärung und zu Beginn der PA-Chirurgie. Abbildungen 1 und 2 zeigen den Zustand des Gebisses vor der PA-Therapie und nach abgeschlossener PA-Initialbehandlung.
Vorgehen
Die Therapie der geschlossenen Kürettage soll auf Wunsch der Patientin in vier Sitzungen erfolgen, jeweils quadrantenweise. Unter anderen Umständen wäre ein Vorgehen in zwei Sitzungen ebenfalls gut möglich. Eine Therapie in vier Sitzungen lässt allerdings auch die Verwendung des Lasers besser und sinnvoller in den Behandlungsablauf integrieren. In der ersten Sitzung werden unter lokaler Anästhesie mittels Küretten, Ultraschall und Scalern alle supra- und subgingivalen Ablagerungen im ersten Quadranten entfernt und die Zähne von dem restlichen Zahnstein und Konkrementen befreit. Wie nach solchem Vorgehen üblich, kommt es zu einer deutlichen Blutung des marginalen Parodontiums. Trotz der Blutung folgt auch schon in der ersten Sitzung die Lasertherapie. Diese erfolgt zum einen zur Entepithelialisierung des marginalen Zahnfleischsaums, zum anderen zur Blutstillung nach der Kürettage und zur Dekontamination besonders der temperaturabhängigen Aggregatibacter actinomycetemcomitans.
Die Faser des Nd:YAG-Lasers wird am marginalen Zahnfleischsaum im Kontaktmodus streichend um die Zähne geführt (Setting: 300-µm-Faser, 2 W, 20 Hz). Die Verwendung einer 400-µm-Faser ist möglich, die 200-µm-Faser sollte aber auf keinen Fall verwendet werden, da die Oberflächenenergie bei diesen Einstellungen zu hoch ist und es zu nicht gewünschten Nekrosen im Gewebe kommen kann. Außerdem ist die Frakturgefahr der 200-µm-Faser beim Arbeiten in den Zahnfleischtaschen höher. Die 300-µm-Faser wird im Sekundentakt streichend am Zahnfleischrand hin und her bewegt. Die Faser sollte immer im Kontakt mit der Gingiva bleiben. Bei der richtigen Einstellung wird durch dieses Vorgehen die mar-ginale Gingiva entepithelialisiert und der marginale Zahnfleischsaum remodelliert. Gleichzeitig können mit einer anderen Einstellung (Setting: 300-µm-Faser, 3 W, 40–70 Hz) kleine Gingivahyperplasien entfernt werden. Durch die Entfernung des marginalen Epithels wird verhindert, dass dieses Epithel zu schnell nach der PA-Therapie in die Taschen wächst. So kommt es zu einem verbesserten Reattachment mit straffem Zahnfleischsaum. Bei zu starken Blutungen kann es von Vorteil sein, diese Entepithelialisierung vor der CRP durchzuführen, da eine zu starke Blutung die Ankopplung des Nd:YAG-Laserlichtes an die marginale Gingiva verhindert. Die Blutung kann aber so gestillt werden. Danach folgt die Dekontamination der PA-Taschen mit dem Nd:YAG-Laser (Setting: 300-µm-Faser, 2 W, 20 Hz). Dabei wird die Faser bis zu ihrem tastbaren Boden in die Zahnfleischtaschen eingeführt. Die Faser wird mit gleichmäßigen Bewegungen in der Tiefe der Tasche unter Kontakt (pro 1 Sek. 1–2 mm) hin und her bewegt. Ist die Tiefe der Tasche mit der Faser abgefahren, nimmt man die Faser 1–2 mm aus der Tasche heraus und umrundet den Zahn in der Tasche erneut mit gleichmäßigen Bewegungen (pro 1 Sek. 1–2 mm). Danach wird die Faser erneut 1–2 mm aus der Tasche herausgenommen und der Zahn in der Tasche wieder mit der Nd:YAG-Faser umrundet. So wurde bei der Patientin bei 5-mm-Taschen jede Zahnfleischtasche dreimal umrundet. Dies hört sich zuerst sehr aufwen-dig an, ist aber, selbst bei voll bezahnten Patienten mit 6-mm-Taschen, ein zeitlich überschaubares Prozedere. So kann man je nach Taschentiefen und Anzahl der Wurzeln pro Zahn mit einem Zeitaufwand von 25–50 Sek. rechnen. Abbildungen 3 und 4 zeigen den Zustand nach CRP und marginaler Entepithelialisierung und die 300-µm-Faser des Nd:YAG-Lasers in der Zahn-fleischtasche zur Dekontamination.
In der zweiten Sitzung erfolgte nach der CRP die Anwendung des Nd:YAG-Lasers in dem jeweiligen Quadranten. Der zuvor behandelte Quadrant wurde dann erneut in den Taschen mit dem Nd:YAG-Laser dekontaminiert, ohne die marginale Gingiva erneut zu entepithelialisieren. Hier werden die restlichen pigmentierten PA-Keime zerstört. So wird mit allen zuvor behandelten Quadranten verfahren, solange die Laserfaser sich in die Taschen ohne Druck einführen lässt, damit das regenerierende marginale Gewebe nicht neu geschädigt wird. Schnell erkennt man, dass die Blutung von Sitzung zu Sitzung deutlich abnimmt oder nach zwei bis drei Laseranwendungen die Faser nicht mehr ohne die marginale Gingiva zu verletzten in die Taschen eingeführt werden kann. Aus der Erfahrung im klinischen Alltag und gemäß Empfehlungen aus wissenschaftlichen Untersuchungen sollten alle Taschen mindestens zwei- bis dreimal gelasert werden. Die Abstände sollten wegen der oben beschriebenen Turnover Time der Bakterien drei bis maximal sechs Tage betragen. Auf den Abbildungen 5 und 6 ist die Transmission des La-serlichtes in die Gingiva abgebildet. Durch sie können die im Gewebe liegenden PA-Keime durch die Wellenlänge des Nd:YAG-Lasers (1.064 nm) gut erreicht werden. Nach den jeweiligen Sitzungen wurde sowohl der neu bearbeitete Quadrant als auch die zuvor behandelten Quadranten von außen biostimuliert. Dabei wird im Abstand von ca. 6–8 mm das chirurgisch behandelte Areal mit dem Nd:YAG-Laser bestrahlt. Das Setting wurde dabei nicht verändert (300-µm-Faser, 2 W, 20 Hz, Nicht-Kontakt-Modus). Eine Bestrahlungszeit von 30 Sek. pro cm² sollte als Wirkzeit eingehalten werden. Ziel der Biostimulation ist die Anregung der Mitochondrien des OP-Gebietes, um damit die Wundheilung zu beschleunigen und zu verbessern sowie die postoperati-ven Beschwerden zu reduzieren. Da der letzte chirurgisch behandelte Quadrant auch zwei- bis dreimal gelasert werde sollte, wurde die Patientin nach der letzten Kürettage jeweils nach drei bis vier Tagen nochmals zum Lasern der Taschen einbestellt. Abbildungen 7 und 8 zeigen den Zustand des Gebisses nach erfolgter geschlossener Kürettage und letzter Lasersitzung, eine Woche nach dem operativen Eingriff.
Recall
Nach drei Monaten wurde der erste Recall durchgeführt. Neben allen konventionellen Maßnahmen wie Remotivation, Reinigung und Taschenkontrollen, werden in den Recallsitzungen auch alle Zahnfleischtaschen nach der beschriebenen Technik gelasert, um die PA-Keime somit weiter unter der kritischen Grenze zu halten (Setting: Nd:YAG-Laser, 1.064 nm, mit 300-µm-Faser, 2 W, 20 Hz). Dabei wurden nur die Taschen gelasert, in die die 300-µm-Faser ohne Druck eingeführt werden konnte, um ein beginnendes Reattachment nicht zu verletzen. Diese 300-µm-Faser lässt aber kaum einen größeren Druck zu, da sonst Gefahr besteht, dass die Glasfaser frakturiert. Die erste Recall-Sitzung nach drei Monaten und der Zustand des Gebisses mit dem Lasern der Taschen, die gut mit der Faser zu sondieren waren, sind auf den Abbildungen 9 und 10 zu sehen.
Allgemeine Hinweise
Grundsätzlich sollte immer mit einer frisch angeschnittenen Faser in den Zahnfleischtaschen gearbeitet werden, da ältere Faserenden spröde werden und abbrechen können. Dies kann ein unnötiges Auskratzen der Faser aus der Tasche zur Folge haben und damit weniger schonend für das Gewebe sein. Außerdem sollte das Faserende zwischen den einzelnen Taschen mit einem Zellstoff von Blutkoagulum gereinigt werden, da nur mit einem sauberen Arbeitsende die eingestellte Energie in die Zahnfleischtaschen gebracht und eine Streuung des Lichtes vermieden wird. Die beste Reinigung der Glasfaser erzielt man mit einem in 70% Alkohol getränkten Zellstofftupfer. Neben den verbesserten Therapieergebnissen sollte auf die hohe Akzeptanz des Verfahrens bei den Patienten hingewiesen werden, da die Verwendung des Lasers zur Unterstützung der geschlossenen Kürettage keine erschwerte oder schmerzhaftere Behandlung für den Patienten bedeutet. Ganz im Gegenteil: Wegen der Biostimulation resultiert die Laserbehandlung in einer schmerzärmeren und schnelleren Wundheilung. Dies bedeutet insgesamt einen hohen Patientenkomfort, aber auch stressfreieres Arbeiten für den Behandler.