Prophylaxe 25.06.2012

Moderne Wirkstoffe zur Kariesprophylaxe

Die Aminfluoride wurden von GABA in Zusammenarbeit mit dem Zahnärztlichen Institut der Universität Zürich schon in den 1950er-Jahren entwickelt. Auch ein halbes Jahrhundert später ist der Stellenwert der Aminfluoride in der Kariesprophylaxe unverändert hoch. Unter den zur lokalen Fluoridapplikation gebräuchlichen Fluoridverbindungen nimmt das Aminfluorid eine Sonderstellung ein, weil nur hier das Fluorid-Ion ein organisches Kation hat. Das Amin wirkt  als Tensid und sorgt durch seine Oberflächenaktivität für eine gute Benetzung aller Oberflächen in der Mundhöhle. Bei den Aminfluoriden, die in Zahnpflegeprodukten eingesetzt werden, handelt es sich um Olaflur und Dectaflur.

Wenn Fluorid in die Mundhöhle gelangt, wird es an der Mundschleimhaut, in der Plaque und an der Zahnoberfläche gebunden. Die dauerhaftesten Bindungen entstehen zwischen Fluorid und Zahnhartgewebe. Während in der Vergangenheit einem festen, dauerhaften Einbau von Fluorid in die Schmelzstruktur die größte Bedeutung zugemessen wurde, hat sich die Sichtweise heute aufgrund des besseren Verständnisses des Wirkmechanismus des Fluorids geändert. Besonders wichtig ist es, dass freie Fluorid-Ionen zur Verfügung stehen, wenn ein kariöser Angriff stattfindet und so die Demineralisation gehemmt und die Remineralisation gefördert werden kann. Deshalb wird heute der Bildung von Kalziumfluorid auf der Schmelzoberfläche eine größere Bedeutung zugemessen als der Bildung von Fluorapatit oder fluoridiertem Apatit im Zahnschmelz. Entgegen früheren Annahmen ist das Kalziumfluorid in der Mundhöhle relativ stabil. Geschützt wird es durch die sofortige Beschichtung mit der Pellikel, die aus Speichelbestandteilen gebildet wird. Erst wenn ein kariöser Angriff erfolgt und der pH-Wert absinkt, wird Fluorid aus der Kalziumfluoridschicht freigesetzt und kann so seine karieshemmende Wirkung entfalten.


Verschiedene Faktoren entscheidend

Nach einer Lokalapplikation von Fluorid hängt das Ausmaß der Kalziumfluoridbildung von verschiedenen Faktoren wie der Fluoridkonzentration, dem pH-Wert des Präparates sowie dem Zustand des Zahnschmelzes ab. Der schwach saure pH-Wert der Aminfluoridprodukte, der zwischen 4,5 und 5,0 liegt, begünstigt zusammen mit der Oberflächenaktivität die rasche Bildung von Kalziumfluorid. Während eine Bildung von Kalziumfluorid bei Lösungen mit neutralem pH-Wert erst ab einer Fluoridkonzentration von 300 ppm erfolgt, genügt bei pH 5 eine Konzentration von 100ppm, um eine spontane Präzipitation von Kalziumfluorid auszulösen. Entsprechend niedrige Fluoridkonzentrationen liegen zum Beispiel vor, wenn Zahnpasta – speziell Kinderzahnpasta mit einem Fluoridgehalt von 500ppm – in der Mundhöhle durch Speichel verdünnt wird. So konnte in verschiedenen Studien auch gezeigt werden, dass eine stärkere Bildung von Kalziumfluorid auf dem Zahnschmelz bei Anwendung von Zahnpasten mit Aminfluorid im Vergleich zu Zahnpasten mit anderen Fluoridverbindungen erfolgt. Es konnte auch nachgewiesen werden, dass sich bei Anwendung von Aminfluorid schneller erste Kalziumfluorid-Präzipitate auf dem Zahnschmelz bilden als bei der Anwendung anderer Fluoridverbindungen. Dies ist von Vorteil, weil bei der täglichen Mundhygiene häufig viel kürzere Kontaktzeiten zwischen Zähnen und Fluoridpräparat vorkommen als es aus zahnmedizinischer Sicht erwünscht ist.  

Moderne Moleküle

Zahnpasten mit Aminfluorid zur täglichen Anwendung werden mit geeigneten Fluoridkonzentrationen für Kinder (500ppm) und Erwachsene (1.400ppm) angeboten. Besonders in Zeiträumen eines erhöhten Kariesrisikos, zum Beispiel während des Zahnwechsels sowie bei erhöhter Kariesaktivität, stehen aminfluoridhaltige Produkte als Spüllösung oder zur Intensivfluoridierung als Gelee oder Fluid zur Verfügung. Die kariesprophylaktische Wirksamkeit dieser zusätzlichen Maßnahmen ist erwiesen und wird entsprechend in den Leitlinien zu Fluoridierungsmaßnahmen empfohlen. Weitere Anwendungsbereiche von Aminfluorid finden sich in Kombination mit Zinnfluorid oder Zinnchlorid. Zinnfluorid ist seit langer Zeit für seine nachgewiesene antibakterielle und damit plaquehemmende Wirkung bekannt. In Produkten zur Mundhygiene wird Zinnfluorid mit Aminfluorid kombiniert, wodurch das eigentlich instabile Zinnfluorid stabilisiert wird. In jüngerer Zeit wurde intensiv nach Wirkstoffen zum Schutz vor Erosionen gesucht. Hier konnten besonders gute Effekte mit einer Wirkstoffkombination aus Zinnchlorid und Aminfluorid erzielt werden. Es bildet sich eine zinnreiche Schicht auf der Zahnoberfläche, die den Zahn bei erosiven Säureangriffen schützt. Auch nach nahezu 50 Jahren, in denen die hervorragende kariesprophylaktische Wirksamkeit der Aminfluoride in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten bestätigt wurde, finden sich immer noch neue Einsatzmöglichkeiten für Aminfluoride. Besonders ihre Vielseitigkeit macht sie nach wie vor zu einem modernen Wirkstoff in der Kariesprävention.

Autor: Prof. Dr. Joachim Klimek

Mehr Fachartikel aus Prophylaxe

ePaper